Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

DOI Artikel:
Pecht, Friedrich: Die Jahresausstellung 1895 der Künstlergenossenschaft zu München, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0426

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5Z8

Die Iabresausstellung ^895 der Aünstlergenossenschaft zu INnncheu.

scheiden als einen Versuch bezeichnet, der leider ganz verunglückt ist, wie man bezeugen muß, obwohl man den
großen Künstler auch hier in vielen Einzelheiten sieht. Jedenfalls sehr viel besser sind Delugs „Normen"
gelungen, die in geheimnisvoller Dämmerung den Schicksalsfaden weiter spinnen, eine sehr geistvoll ins Deutsche
übersetzte Variation über das Thema der Parzen, die nicht ohne Reiz ist. Aber auch hier spielt die Rücksicht
aus den Lichteffekt gegenüber der Charakteristik eine offenbar viel zu große, wenn auch nicht eine so geradezu
dominierende Rolle wie bei Marr. Da dies mehrmals, so besonders bei einer „Kreuzabnahme" von Papperitz
vorkommt, wo die Fackel, die den Trägern des Leichnams Christi ins Grab leuchtet, mit ganz ungebührlicher
Bevorzugung behandelt erscheint, so darf mau diese Neigung, die Charaktere in der Malerei durch allerhand
Lust- und Lichteffekte zu ersetzen, wohl als eine für die neue Schule besonders bezeichnende ansehen, da sie
beständig wiederkehrt, aber doch eigentlich nur den Mangel an Kraft der Charakteristik durch Stimmungen ver-
decken soll. Das ist nun bei Hugo Vogels „Industrie, die Arbeitern ihre Werkzeuge übcrgiebt" durchaus
nicht der Fall, wie es aber immer mit solch gesuchten Stoffen bei offiziellen Bestellungen ergeht, das Bild
macht trotz seiner guten Charakteristik der einzelnen Figuren und der sehr verdienstlichen Ausführung doch
nur einen kühlen, ja koloristisch schwächlichen Eindruck. So muß man denn, da auch Klein-Chevaliers
„Agrippina", die sterbend ihrem Sohn und Mörder Nero von Fischern, die sie im Meere aufgefangen, ge-
bracht wird, nicht recht glaubwürdig erscheinen will, zuletzt noch bei Lindenschmits 20 Jahre alter „Er-
mordung Oraniens" bekennen, daß das Bild nicht nur immer noch am packendsten sei, sondern auch koloristisch
die beste Wirkung mache, obwohl ein gewisses theatralisches Pathos hier so wenig zu vermeiden gelang als
bei den meisten Profanhistorienbildern jener Zeit.

Weit bedeutender als in ihren idealen und historischen Schöpfungen ist unsere Ausstellung auf dem
Gebiete des Bildnisses, wie alles Porträtartigeu überhaupt. Da finden wir eine Anzahl Schöpfungen ersten
Ranges, zunächst unter den schon an dieser Stelle erwähnten Desreggerschen Studienköpfen mehrere, die
in ihrer wunderbaren Reinheit und herzgewinnenden Wahrheit des ganz individuellen Ausdrucks unbedingt
klassisch genannt werden müssen. Dann noch ein nicht weniger gut gelungenes Bild des Malers Gysis, was
beweist, daß er der Charakteristik reifer Männer ebenso gewachsen ist als der jugendlich reizvoller Frauen.
Der Meister hat mit ihnen, den herrlich gemalten Landschaftsstndien und einer Anzahl Skizzen zu seinen be-
rühmtesten Bildern ein ganzes Kabinett gefüllt, welches eigentlich das Wertvollste der ganzen Ausstellung enthält,
ihren Mittelpunkt bildet. Auch Lcubach hat wieder ein großes Gemach mit seinen neuesten Arbeiten geziert,
die aber mit Ausnahme seines neuesten prächtig breit hinskizzicrten Bismarck-Kopfes und einem blonden Engel
von Mädchen doch hinter seinen vorjährigen Arbeiten zurückstehen, wie denn wenige Künstler so ungleich in
der Ausführung sind. Neben ihm aber hat seine ehemalige Schülerin Vilma Parlaghi das Bild des
polnischen Erzbischofs Stablewskh im roten Kardinalskostüm gebracht, welches jedenfalls das weitaus beste ist, was
man noch von ihr gesehen hat, und was in seiner meisterhaften, mit verblüffender Aufrichtigkeit gegebenen
Charakteristik des slavischen Kirchenfürsten wohl auch klassisch genannt werden kann. Nicht am wenigsten nach
der koloristischen Seite hin, nach welcher auch Fr. Aug. Kaulbachs Mädchen in Weiß einen besonders
lieblichen Eindruck macht. Menzel überrascht dann durch drei lebensgroße mit ungewöhnlicher Meisterschaft
hingeschriebene Studien von Judenköpfen. Ein sehr gutes charakterisiertes Bild von W. Raabe gab dann
Fechuer in Berlin, der nur etwas zur Übertreibung neigt, was auch von Brauns Dutzend-Köpfen aus
dem deutschen Reichstag und Borchardts Bild „Jafss als Clavigo" gilt. Auch von Schwill, Keller,
Karl Sohn in Düsseldorf, endlich von Hugo Vogel sind treffliche Bildnisse da, wie denn der Bürgermeister
Versmann des letzteren an rein künstlerischem Wert sein großes offizielles Historienbild jedenfalls übertrifft.
Viel Hübsches zeigt ferner Harburgers „Mutter mit ihren Kindern". Auch was von portrütartigcn Geschichts-
bildern da ist, wie ein „Blücher in Genappe", dem man Hut und Degen Napoleons bringt, ist von Eichstädt
mit überraschender Frische und guter Koloristik gegeben. „Th. Körner verwundet am Fenster sitzend" hat
dann in Heichert einen nicht talentlosen Schilderer gefunden, und Hackl zeigt uns sehr wirksam „Carl
Boromäus den Pestkranken das Abendmahl reichend". Von kleineren Historienbildern wäre dann noch
Gabriel Max' „Pandora" als besonders reizvoll, ebenso Ed. von Gebhardts „Jakob, der mit dem
Engel ringt" als überaus eigenartig fesselnd zu erwähnen. Tief ergreifend in seiner schlichten Wahrheit
ist Bokelmanns „Abendmahl in Selsingen" und auch Brütts „Weihnachtsmorgen" ist von höchst
erfreulich geistvoller Natürlichkeit, bei großem malerischem Talent. Weiser's „Debütantin" in einer Scheune bei
einer Schmiere ist jedenfalls ungewöhnlich pikant aufgefaßt. Dagegen entbehrt Dasios „Orpheus und die
Mänaden" gar zu sehr der Stimmung, um glaubwürdig auszusehen, zeugt aber doch von Talent. Unter den
ausfallend vielen der griechischen Mythologie entnommenen Bildern wäre dann noch eines immerhin mit leben-
digem Humor aufgesaßten „Abendlieds der Sirene" von Frenz in Düsseldorf und einer auf dem Brunnen-
rand sitzenden Schönen von Hoeltz, die wahrscheinlich so weint, weil sie kein Hemd hat, zu erwähnen. Weit-
aus das genialste in dieser Art ist aber der „Centaurenkampf" von Böcklin, ein koloristisches Meisterwerk
ersten Ranges.
 
Annotationen