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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Muther, Richard: Die Schack-Galerie in München, [1]: zu ihrer Neueröffnung
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Von Prof. Or. R. Nkiltber.


Italien die großen Meister der
Renaissance, in Spanien Velaz-
quez nnd Murillo studiert und
aus diesem Verkehr früh einen
sicheren Maßstab für die Beur-
teilung der zeitgenössischen Kunst
gewonnen. Als er 1857 zum
ersteumale nach München kam,
stand hier gerade die eklektische
Monumentalmalerei und das no-
vellistische Genre in Blüte. Die
Historienmaler bedienten sich der
von größeren Epochen geschaffenen
Formen, um damit den Kunstbedarf
ihrer Zeit zu decken. Die Genremaler erzählten witzige
oder rührende Anekdoten, durch die sie die Neugierde
eines kunstunempfänglichen Publikums befriedigten. Das
Bewußtsein, daß die großen Meister der Kunstgeschichte
Originalgenies gewesen; das Bewußtsein, daß die Ma-
lerei als solche — ohne jeden erzählenden Inhalt —
Gefühle wecken kann durch den edlen Rhythmus der
Form und die Musik des Kolorits, war verloren ge-
gangen. Nach solchen echten Talenten suchte Schack, von
einigen andern feinfühligen Kunstfreunden — Paul Heyse
besonders und dem Landschaftsmaler Karl Roß — in


seinen Bestrebungen unterstützt. Und wenn es ihm in
überraschender Weise gelang, die rechten Männer heraus-
zufinden, so spielte dabei noch ein anderer rein menschlicher
Gesichtspunkt eine Rolle.

Schack fühlte sich zeitlebens als verkannte Größe.
„Bei der eisigen Kalte und tödlichen Gleichgültigkeit",
schreibt er einmal, „welche die ganze deutsche Nation von
jeher meinem poetischen und litterarischen Schaffen gezeigt
hat und noch jetzt zu zeigen fortfährt, wo mein Abend
hereinbricht, liegt es wohl oft nahe, daß mich tiefe
Niedergeschlagenheit befällt und daß ich den Wunsch nicht
zurückweisen kann, ich möchte
lieber in England oder Italien,
in Frankreich oder Spanien
geboren sein. Ich kenne diese
Länder genug, um zu wissen,
daß mir dort nicht die Teil-
nahmslosigkeit begegnet wäre,
wie im „Lande der Dichter und
Denker". Wofern es dabei für
mich einen Trost giebt, so liegt
er neben der Hoffnung auf
eine empfängliche Nachwelt in
dem Bewußtsein, daß ich nicht
° Sochzeit-rciso teilgenommen habe an der

Heuerbuch: Römerin.

Schuld, welche das deutsche
Volk gleichzeitig gegen einige
andere geübt hat, vielmehr be-
müht gewesen bin, das ihnen
zugefügte Unrecht nach meinen
schwachen Kräften zu sühnen.

Und wenn es mir gelungen
ist, den Bann der Verkennung,
unter dem Deutschland schon
so viele seiner besten Söhne
verkümmern ließ, auch nur
von einem derselben hinweg-
zuheben, so werde ich mir in
meinen letzten Stunden sagen
können, daß ich nicht vergebens gelebt habe."

Der Verkannte suchte nach Verkannten. „Abgesehen
davon, daß mich der Ruhm des Tages nie geblendet hat,
schien es mir lohnender, junge Kräfte zu entdecken oder
auch solche zu beschäftigen, welche, der Gunst des großen
Publikums entbehrend, brach lagen. Ich dachte, meine
Galerie würde so einen eigentümlichen Charakter erhalten,
während sie sonst nur Bilder von Malern aufgewiesen
hätte, von denen man schon überall welche sehen konnte."

Mit solchen verkannten Künstlern ist es nun häufig
ein eigen Ding. Delacroix ist verkannt worden und
Millet und Courbet.

Ja, man möchte es ei»

Naturgesetz nennen,
daß jeder wahrhaft
Große seinen Zeitge-
nossen unverständlich
bleibt Und erst von dem
darauffolgenden Ge-
schlecht den Marschall-
stab erhält. Bahn-
brechende Geister sind
die Rekognoszierungs-
patrouillen, die das Gros vorausschickt, Fühlhörner gleich-
sam, die ein Zeitalter tastend vor sich streckt, bevor es selbst
langsam und bedächtig in unbetretene Bahnen lenkt. Sie
gehen auf ihrem vorgeschobenen Posten gewöhnlich selbst zu
Grunde, aber ein Denkmal ehrt später den Ort, wo sie
gefallen. Und Schacks Schützlinge haben den Weg von
der ecclesia inilitans zur ecclesia triiampllans sogar Ver-
hältnismäßig rasch zurückgelegt. Noch er selbst konnte
in dem Buche über seine Ga-
lerie die Thatsache verzeichnen:

„Daß' ich im wesentlichen bei
meinen Grundsätzen nicht fehl-
gegriffen, hat sich schon jetzt be-
währt. Tie meisten der Maler,
die meine Sammlung bilden,
waren, als ich sie kennen lernte,
verkannt oder noch völlig un-
bekannt ; sie haben sich aber seit-
dem eine Gemeinde von Ver-
ehrern gewonnen, die anfänglich
klein, mehr und mehr im
Wachsen begriffen ist." Lebte er
heute noch, so könnte er mit an-
sehen, wie die bescheidenen An-
fänger von damals als einsame
Sterne am deutschen Kunst- Bode - vic mx-nbr»»,.
 
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