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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 10.1894-1895

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Muther, Richard: Die Schack-Galerie in München, [1]: zu ihrer Neueröffnung
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Pecht, Friedrich: Wilhelm von Lindenschmit: gestorben 8. Juni 1895
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https://doi.org/10.11588/diglit.11055#0433

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Die Schack-Galerie in München. Dan jlrcff. l)r. R. Mulber. — IDilkelm van Lindenschmit.

Frauen, deren stille Trauer gerade bei ihrer Bewegungs-
losigkeit von ergreifender Macht ist. Aber auch die baden-
den Kinder, die Madonna, die römische Familenszene, die
Idylle von Tivoli, Franccsca von Rimini, der Garten
des Ariost und Hafis am Brunnen sind feine malerische
Schöpfungen einer von der großen Kunst der Alten ge-
nährten, von der Herrlichkeit der antiken Welt ganz er-
füllten Phantasie. Da ist nichts Ueberflüssiges, nichts
Zufälliges. Die edelste Einfachheit der Sprache, eine
griechische Rhythmik in allen Uebergängen, die schönen
Linien des Basrelief, herbe Farben und strenge Form.

Es spricht aus Feuerbachs Kunst ein auf das Große,
Heroische gerichteter Geist. Italien hatte ihn erlöst von
allem unwahren und absichtlichen Wesen, wie es die
deutsche Kunst jener Jahre vielfach entstellte, von der
Theaterempfindung, worunter er jede Aufdringlichkeit in
Kostüm, Schminke, Pose und Bewegung, Beleuchtung und
Szenerie zu verstehen Pflegte. An Stelle der gewohnten
Modellwirtschaft mit ihren absichtvollen Stellungen und
Grimassen setzte er eine einfach große, plastische Formen-
sprache. Sein Studium erscheint als eine ununterbrochene

Uebung des Auges, das wesentliche, die großen Linien
in der Natur wie im menschlichen Körper sehen zu lernen
und festzuhalten. In den sechziger Jahren, als er die
Bilder auf die deutschen Ausstellungen schickte, verstand
sie die Mehrzahl der Betrachter nicht. Wie Goethe nach
der Rückkehr von seiner italienischen Reise mißmutig
klagte, das Publikum lese ihn nicht mehr und seine
Iphigenie liege wie Blei in den Buchläden, so war Feuer-
bach in Italien seinen Landsleuten ein Fremder geworden.
Der tadelte die Einförmigkeit des Frauentypus und jener
das graue freudlose Kolorit, der die Bewegungslosigkeit
der Gestalten und jener, daß die Bilder keine Historien
erzählten. An diesem Unverständnis seiner Zeitgenossen
ist Anselm Feuerbach zu Grunde gegangen. Aber die
Welt ist gerecht, wenn sie auch Zeit dazu braucht. Heute
vernimmt und versteht man die großen Accorde in Feuer-
bachs Sprache. Seine stolze Prophezeihung: „Glaube
mir, in fünfzig Jahren werden meine Bilder Zungen
bekommen und sagen, was ich wollte", ging schneller
als er selbst geglaubt hatte, in Erfüllung.

(Der Schluß im nächsten Hefte.)

Wilhelm von Lindenschmit

f 8. Juni 1895.

>it Lindenschmit
ist einer der
letzten Vertreter der
durch Paul Delaroche
und Robert Fleury ver-
tretenen Richtung der
historischen Malerei
dahingegangen. Auch
einer der ausgezeich-
netsten, wie man sich
leicht an seinen jetzt
eben im Münchner
Glaspalast ausgestell-
ten Bildern vom Tode
Oraniens, der Stif-
tung des Jesuiten-
ordens und Huttens
überzeugen kann. Denn
durch ihren großen
koloristischen Reiz fesseln sie auch heute noch, ob-
wohl diese ganze Gattung schon ziemlich verlassen ist,
für die man einst so geschwärmt hatte. Aber es zeigte
sich doch bald, daß durch diese Art von anekdotischer
Behandlung historischer Charaktere des Künstlers Freiheit
viel zu sehr eingeschränkt ward. Noch mehr aber, daß
man dabei doch gar zu leicht dem ohnehin schon unsre
klassizistisch romantische Kunst beherrschenden theatralischen
Wesen, der „Pose", verfiel.

Wilhelm Lindenschmit war als der Sohn des be-
kannten Corneliusschülers am 20. Juni 1829 in München
geboren, aber mit demselben schon früh nach dessen
Heimat Mainz zurückgekehrt. Nachdem er den ersten
Unterricht vom Vater erhalten, besuchte er dann das
Städtische Institut in Frankfurt, wo er gleichzeitig mit
Viktor Müller und Leighton Steinles Schüler ward. Von

W. von lindenschmit.

dort wanderte er, der allgemeinen Sitte folgend, um
1848 nach Antwerpen, wo er Wappers Unterricht genoß,
und dann nach Paris, wo er jedenfalls die bestimmendsten
Eindrücke erhielt, und mit dem von Antwerpen ebenfalls
dahin gekommenen Feuerbach und Viktor Müller wett-
eiferte. Vom Vater schon mit patriotischer Gesinnung
erfüllt, malte er dort indes zuerst „Alba bei der Gräfin
von Rudolstadt", griff also gleich mit sicherem Instinkt
in jene Reformationszeit hinein, der er später seine
schönsten Erfolge verdanken sollte. Indes kehrte er schon
1853 nach Deutschland zurück und zeichnete nun in
Frankfurt jenen großen kolorierten Karton von der Ge-
fangennehmung Franz I. durch die deutschen Landsknechte
bei Pavia, mit dem er auf der großen historischen Aus-
stellung in München 1858 seinen ersten großen Erfolg
feierte. Er ließ ihm neben einer Episode aus der Geschichte
der Lützower und einem Tod des Franz v. Sickingen 1862
die Reformatoren zu Marburg folgen, die seinen Namen
in ganz Deutschland verbreiteten und ihn als nunmehr
fertigen, durchaus selbständigen Meister zeigten. Unstreitig

Aus Wilhelm Lindenschmils SkiWnbuch.
 
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