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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 12.1896-1897

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Levin, Jules: Eindrücke aus den Pariser Salons
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https://doi.org/10.11588/diglit.12050#0408

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Eindrücke aus den pariser Salons.

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vorstellen, und nur eine mit allen Finessen moderner
Technik vertraute Hand war im stände, jenen Schwin-
gungen zu folgen. Prinzipiell nahe steht Denis merk-
würdigerweise der Amerikaner Alexander, der die
Dekoration nur etwas mehr in die Farbe verlegt,
Frauenporträts, von außerordentlicher Feinheit der Linie,
garnicht mehr als solche eingeführt, sondern als Beigaben
für ein Kleid oder eine Katze gedacht. „Das grüne Kleid"
ist der Titel eines Werkes, das eine höchst originell
bewegte Dame vorstellt. So sollte sich eine Dame in
grünem Kleide am besten präsentieren, meint Alexander,
und so ist der Stoff mit den weißen Punkten wahrhaft
grün wie das Meer etwa mit Schaum darauf, flüssig
und durchsichtig. Auch Botkine hat lebhafte Linien-
empfindungen, allerdings mit einem stärkeren, äußer-
lichen Farbenbedürfnisse, wie seine Porträts beweisen.

Porträts ohne jede dekorative Nebenabsicht zu geben,
ist der Wunsch Zorns und Boldinis. Der erstere hat
dieses Jahr zwei Arbeiten geliefert, die an Charakteristik
moderner Menschen, eines Herrn und einer Dame aus
der Gesellschaft, das meiste hinter sich lassen, was in
dem letzten Jahrzehnt, auch technisch, geleistet worden ist.
Trotz blendender Qualitäten kann der elegante Italiener
neben dem eisernen Norweger nicht bestehen und wenn
man neben seinen Werken schottische Porträts, selbst solche
von Guthrie sieht, merkt man leicht, wo das Schema
ist und wo die unmittelbar^, sich vor jedem Gegenstände
erneuernde Anschauung,

Die Skulptur steht im Marsfelde gegen die Malerei
zurück. Besondere Bewunderung verdienen die Arbeiten
Rodins, des Impressionisten der Bildhauerei, und die
seiner Schülerin Claudel, die eine wundervolle Gruppe
plaudernder Frauen in Malachit gemeißelt hat. Dieses
Werk ist vollkommen des Meisters würdig, unter dessen
Einfluß es entstanden ist. Es giebt ein so unmittel-
bares, in großen Zügen geschaffenes Bild des intimsten
Lebens, daß Rodiu selbst kaum etwas Besseres zu stände
zu bringen vermöchte. Allgemeines Aufsehen erregte sein
Denkmal für Victor Hugo, auf dessen Fertigstellung das
Komitee und die Oeffentlichkeit mit großer Ungeduld warte-
ten und mit dem der Künstler jetzt endlich hervortritt,
um die lästigen Zeitungsstreitigkeiten zum Schweigen zu
bringen. Leider haben diese seit der Ausstellung aufs
neue sich erhoben, da Rodin es gewagt hat, den Dichter,
dem die Göttin der Begeisterung ihre Lieder ins Ohr
singt, nackt darzustellen und nicht im Bratenrocke. Man
spricht vorwurfsvoll von einer Umgehung der Schwierig-
keit, die moderne Kleidung Plastisch annehmbar zu machen,
ein Problem, das nicht gelöst werde, dadurch, daß man
sie unterdrücke. Diese Einwendungen sind vom Stand-
punkte der Realisten aus vollkommen berechtigt, was nicht
hindert, daß das Werk Rodins in Bewegung und Aus-
druck weitaus zu dem Schönsten gehört, was unsere Zeit
geschaffen und einen vollkommenen Eindruck von dem
Dichter, als einer Verkörperung seineß Denkens und
Empfindens vermittelt. Das ist schließlich das Wesent-
liche, und man kann den Streit um des Dichters Kleidung,
die bis auf die Krawattennadel echt sein sollte, denen
überlassen, die in allen Dingen Prinzipien reiten und

stets sich über dem schöpferischen Geiste stehend dünken.

Fix Masseau und Bourdelle, die beiden jungen,
schnell bekannt gewordenen Künstler zeigen sich weiter
als die Analytiker des Weibes, und Dalou giebt wieder-
um Proben seines trefflichen Handwerkes in seinen
Porträtbüsten. Die Abteilung des Kunstgewerbes ver-
diente eine ganz gesonderte Besprechung, die der Raum-
mangel nicht gestattet. Man sieht fast alle Zweige trefflich
vertreten. Als Einzelleistung dürften die Poterieen Bigots
das Bedeutendste sein, was der diesjährige Marsfeldsalon
an Objets ck'art enthält.

Skudienkopf. von'Theodore Botkine.

Diese kurze Skizze sucht in großen Zügen einen
Begriff von den Hauptströmungen zu geben, die sich, in
der großen Pariser Kunstausstellung begegnen und die
Persönlichkeiten zu bezeichnen, die die größte prinzipielle
Bedeutung haben. Man ersieht aus ihr so viel, daß die
moderne Kunst, ,weit entfernt, in Schematismus zu ver-
sinken, sich in sehr vielen Richtungen zu bethätigen strebt,
die alle einen Einigungspunkt haben, in dem an sich un-
dekorativen Impressionismus. Möser hat nach dem Ge-
setze des Gegensatzes einer dekorativen Kunst zum Leben
verholfen, die in ihrer Farbe deutlich auf ihn hinweist,
wenn sie ihn auch durch die Linie verleugnet.

Jul. Levin.
 
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