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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Tschudi, Hugo von: Die Jahrhundert-Ausstellung der französischen Kunst, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0082

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^-sg3> PARISER WELTAUSSTELLUNG <Ö^~

ging auch Carpeaux aus dem Atelier Rüdes Atelier von Carrier-Belleuse aber hat Rodin
hervor. Den strengen Naturalismus seines das Handwerkliche seiner Kunst gelernt. Er
Meisters mildert er durch ein starkes Gefühl ist in jeder Beziehung der Abschluss und
für Anmut der Haltung und Grazie der Be- die Bekrönung der französischen Bildhauerei
wegung. Manches grenzt hart an das bloss des neunzehnten Jahrhunderts, eine gewaltige
Gefällige, bewahrt aber in der Geschlossen- Synthese ihrer Bestrebungen. Er fasst ihre
heit der Komposition und der lebensvollen Sehnsucht nach dem antiken Ideal in einem
Durchbildung der Form sehr ernste bildhaue- erhöhten Sinn zusammen mit dem unermüd-
rische Qualitäten. Er war reichlich repräsen- liehen Naturalismus, der momentanstes Leben
tiert. Von wenig gekannten Arbeiten nenne ich und intensivste Charakteristik zu geben sucht,
eine Bronzestatuette des kaiserlichen Prinzen, Und die Werke, die seine nervöse Hand
eine lebendige Büste des Architekten Garnier, formt, durchdringt er mit dem Pathos seines
diejenige des Notars Beauvois (s. S. 67) und Wesens, mit dem grossen Mitleid, das in
die kleine reizend bewegte Gruppe der drei jeglicher Erscheinung das Leiden der Kreatur
Grazien (s. S. 68). Denselben Sinn für Leben fühlt. Man sah von ihm in der Centennale
und Bewegung finden wir in einer Gruppe eineBronzewiederholungderStatue des ehernen
zweier Bacchantinnen und eines Herkules, die Zeitalters, die im Garten des Luxembourg
eine grosse Vase schleppen und der Marmor- steht, den Kopf der Statue des hl. Johannes,
büste Mathieus von Carrier-Belleuse, der die Büsten von Laurens, Dalou und Victor
ein Schüler des David d'Angers war. In dem Hugo und einen Gipsabguss eines der

„Bürger von Calais". In der
Decennale stand als grandi-
osestes Werk dieses Heeres
von Skulpturen seine Mar-
morgruppe „der Kuss".
Einen vollen Einblick in den
Reichtum des Schaffens Ro-
DiNsgewann man aber erst in
der (noch in einem Sonder-
Aufsatz eingehend zu wür-
digenden) Specialausstellung,
die er in einem besonderen
Pavillon eingerichtet hatte.
In dessen, von dem Publi-
kum gemiedenen Räumen
konnte man sich ungestört
der Einwirkung eines der
grössten Genies der französi-
schen Kunst desneunzehnten
Jahrhunderts hingeben, die
in ihrer Gesamtheit, wie
die Centennale, mochte sie
noch so lückenhaft sein,
zeigte, an Zahl und Macht
der Künstlerindividualitäten
und an Wichtigkeit der
künstlerischen Errungen-
schaften nur noch von der
italienischen Kunst der Re-
naissance und derspanischen
und holländischen des sieb-
zehnten Jahrhunderts über-
troffen wird.

PAUL ALBERT BESNARD BILDNIS
(geboren 1849) (Salon 1886)

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