-j-Sö> MAX LIEBERMANN
MAX LIEBER MAN N del.
dies nicht zu bedeuten, dass nun gerade sehr Man betrachte unsere hier beigegebenen
wenig oder sehr Simples in ihnen gesagt würde. Skizzen und Studien Liebermanns.*) Bei
Es kann der Fall eintreten, dass der Künstler ihnen fällt besonders eine Meisterschaft auf:
ungemein vieler kleiner Züge bedarf zu dem, eine Bewegung aufs einfachste zu charak-
was er sagen will. Man denke nur an Dürers terisieren. Die Zeichnung verhält sich der
Pflanzenstudien, in denen ein Gewirr von Bewegung gegenüber genau so, wie allen
Minutiösem aneinander gereiht ist. Und doch andern Lebensäusserungen. Eine günstige
ist gerade in ihnen mit derselben sicheren Momentphotographie kann auch bis zu einem
Künstlerschaft alles Störende, jeder unnötige gewissen Grade eine Bewegung zeigen, jedoch
Beiklang aus der Natur elminiert und so die nie sie charakterisieren, nie die „Bewegung
ruhige Klarheit der Erscheinung erreicht, an sich" herausschälen. Liebermanns Kunst
Aber je mächtiger und bedeutender das zu liegt dabei darin, den ganzen Ausdruck dieser
Sagende ist, desto einfacher und lapidarer Bewegung auf einige wenige Striche zu redu-
wird auch die Sprache werden. Und der zieren, die allein genügen, uns das Gefühl
Einfachheit der Worte Homers und Luthers derselben stark zu suggerieren. Einfacher
entspricht genau die Einfachheit Giottos oder kann das kaum gegeben werden, aber gerade
Michelangelos und ihr verdanken sie ihre in der Einfachheit ist diese Sprache so stark
Monumentalität, ein Wort, das von „monere" und überzeugend.
kommt, was man nicht vergessen sollte. Man kann jedoch unter „Bewegung" noch
Zu der Einfachheit gelangt nur der Künstler, einen erweiterten Sinn verstehen: nicht die
der genau weiss, was ihm das Wesentliche Darstellung eines sich bewegenden Körpers,
ist und — darin liegt seine Meisterschaft - sondern den ruhenden Ausgangspunkt einer
in welchen Linien, welchen Zügen dieses Bewegung oder ihren Endpunkt, das
Wesentliche zum Ausdruck kommt. Der Resultat einer Bewegung. So müssen wir
Schüler bleibt beim gleichmässigen Nach- alle Darstellungen von ruhenden, sitzenden,
zeichnen. Monumentalität erreicht jedoch nur liegenden Stellungen auffassen, die sofort tot
der Künstler, der dahin gelangt ist, dass er und erstarrt erscheinen würden, wenn sie uns
das ihm wesentliche nicht allein klar dar- nicht zugleich das Gefühl der eben ausge-
stellen kann, sondern für den dies Wesent- führten oder nachfolgenden Bewegung ver-
liehe auch in den Zügen so grosser Mensch- mittein würden. Diese „Bewegung in der
lichkeit liegt, dass es allen fernen Zeiten _
als Monens erhalten bleiben mag. Für deren freundliche tjeberlassung sei den
Herren Bruno und Paul Cassirer, Berlin W. auch
s an dieser Stelle gedankt.
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MAX LIEBER MAN N del.
dies nicht zu bedeuten, dass nun gerade sehr Man betrachte unsere hier beigegebenen
wenig oder sehr Simples in ihnen gesagt würde. Skizzen und Studien Liebermanns.*) Bei
Es kann der Fall eintreten, dass der Künstler ihnen fällt besonders eine Meisterschaft auf:
ungemein vieler kleiner Züge bedarf zu dem, eine Bewegung aufs einfachste zu charak-
was er sagen will. Man denke nur an Dürers terisieren. Die Zeichnung verhält sich der
Pflanzenstudien, in denen ein Gewirr von Bewegung gegenüber genau so, wie allen
Minutiösem aneinander gereiht ist. Und doch andern Lebensäusserungen. Eine günstige
ist gerade in ihnen mit derselben sicheren Momentphotographie kann auch bis zu einem
Künstlerschaft alles Störende, jeder unnötige gewissen Grade eine Bewegung zeigen, jedoch
Beiklang aus der Natur elminiert und so die nie sie charakterisieren, nie die „Bewegung
ruhige Klarheit der Erscheinung erreicht, an sich" herausschälen. Liebermanns Kunst
Aber je mächtiger und bedeutender das zu liegt dabei darin, den ganzen Ausdruck dieser
Sagende ist, desto einfacher und lapidarer Bewegung auf einige wenige Striche zu redu-
wird auch die Sprache werden. Und der zieren, die allein genügen, uns das Gefühl
Einfachheit der Worte Homers und Luthers derselben stark zu suggerieren. Einfacher
entspricht genau die Einfachheit Giottos oder kann das kaum gegeben werden, aber gerade
Michelangelos und ihr verdanken sie ihre in der Einfachheit ist diese Sprache so stark
Monumentalität, ein Wort, das von „monere" und überzeugend.
kommt, was man nicht vergessen sollte. Man kann jedoch unter „Bewegung" noch
Zu der Einfachheit gelangt nur der Künstler, einen erweiterten Sinn verstehen: nicht die
der genau weiss, was ihm das Wesentliche Darstellung eines sich bewegenden Körpers,
ist und — darin liegt seine Meisterschaft - sondern den ruhenden Ausgangspunkt einer
in welchen Linien, welchen Zügen dieses Bewegung oder ihren Endpunkt, das
Wesentliche zum Ausdruck kommt. Der Resultat einer Bewegung. So müssen wir
Schüler bleibt beim gleichmässigen Nach- alle Darstellungen von ruhenden, sitzenden,
zeichnen. Monumentalität erreicht jedoch nur liegenden Stellungen auffassen, die sofort tot
der Künstler, der dahin gelangt ist, dass er und erstarrt erscheinen würden, wenn sie uns
das ihm wesentliche nicht allein klar dar- nicht zugleich das Gefühl der eben ausge-
stellen kann, sondern für den dies Wesent- führten oder nachfolgenden Bewegung ver-
liehe auch in den Zügen so grosser Mensch- mittein würden. Diese „Bewegung in der
lichkeit liegt, dass es allen fernen Zeiten _
als Monens erhalten bleiben mag. Für deren freundliche tjeberlassung sei den
Herren Bruno und Paul Cassirer, Berlin W. auch
s an dieser Stelle gedankt.
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