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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Rosenhagen, Hans: Wilhelm Leibl
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0190

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WILHELM

Als erster aus der Reihe der grossen Maler,
die der deutschen Kunst im letzten Drittel
des 19. Jahrhunderts die charaktervolle Prä-
gung gegeben haben, ist Wilhelm Leibi dahin-
gegangen. Sein am 4. Dezember 1900 in
Würzburg erfolgter Tod kam nicht unerwartet.
Schon seit längerer Zeit quälte den Künstler
ein Herz- und Nierenleiden, dem er nun
erlegen ist. Man ist in Deutschland leider
immer noch gewöhnt, die Bedeutung eines
Malers nach dem Inhalt seiner Bilder zu be-
urteilen, und so konnte es geschehen, dass
der Tod Leibis in Deutschland nicht allgemein
so schmerzlich empfunden wurde, wie es der
Fall hätte sein müssen, wenn man in weiteren
Kreisen darüber klar gewesen wäre, welche
ausserordentliche Potenz der Verstorbene
innerhalb der deutschen Kunst vorstellt.
Vielleicht war Leibi selbst ein wenig daran
schuld, dass man so wenig Wesens von ihm
auch im Tode machte. Sein Einsiedlerleben
in Aibling; seine Unlust, sich auf Ausstellungen
von unfähigeren, aber prätentiöseren Kollegen
in die Ecke drücken zu lassen; sein jahre-
langes Verstimmtsein, dass man ihn, den einst
so lebhaft Bewunderten, nicht im Triumph zu
der Stätte seiner ersten Erfolge zurückholte —
all das hat dazu beigetragen, dass er für eine
ganze Zeit vergessen wurde und als er nach
langer Pause 1895 in Berlin zum erstenmale
wieder vor der Oeffentlichkeit erschien, war
sein Erfolg so gross, dass er, der inzwischen
Gealterte, nicht die Kraft mehr hatte, ihn zu
überbieten, weshalb er schliesslich wie eine
historische Grösse wirkte, zu der die Allge-
meinheit nicht mehr in ein so nahes Verhältnis
zu treten pflegt, wie zu einem am Anfang
seiner Erfolge stehenden Künstler. Und noch
ein Umstand hat die Teilnahmslosigkeit des
Publikums gefördert: nämlich, dass von Leibis
Bildern so wenige in öffentlichen Galerien
sind. Von den staatlichen Sammlungen kann
sich allein die Berliner National - Galerie
rühmen, eines der Hauptwerke des Ver-
storbenen zu besitzen — „Die Dachauerinnen"
(Abb. IX. Jhrg., S. 137*) — und auch erst
seit kurzer Zeit. Nun war das freilich nicht
Leibis Schuld, sondern die der Galerieleiter,
die vordem nicht die Fähigkeit gehabt hatten,

*) Man vergleiche auch das 1892 erschienene „L e i b 1 - H e f t ■
dieser Zeitschrift („K. f. A." VII. 8), in welchem der Leser die
Mehrzahl der hier sonst zu erwähnenden Werke des Künstlers
reproduziert findet.

LEIBL f

(Nachdruck verboten)

zu erkennen, wie ungeheuer qualitätreich diese
Kunst war, die sich nicht verpflichtet fühlte,
zu erzählen, sondern schon in der Wieder-
gabe der „gemeinen Wirklichkeit" Ziel und
Aufgabe sah. Höher gegriffen als Leibi und
beredteres Lob errungen haben viele Künstler,
aber kaum einer seit Jahrhunderten hat soviel
positive Kunst zur Verfügung gehabt und
ausgegeben wie er. Positive Kunst in dem
Sinne, dass das Sachlichste bis in die letzte
Konsequenz künstlerisch überwunden wird,
dass der künstlerische Ausdruck auf der voll-
kommensten Höhe ist. Leibis Bilder stellen
in ihrer Art das Höchste vor und werden
darum immer zu den Standard-works der
Kunst überhaupt zählen.

Der Künstler war am 23. Oktober 1844 in
Köln als der Sohn des Domkapellmeisters
Leibi geboren. Anfänglich für ein Hand-
werk bestimmt, ging er mit zwanzig Jahren
zur Malerei über. Er studierte an der
Münchener Akademie, zuerst bei Piloty, dann,
weil ihm dessen malerische Theatralik bald
zuwider wurde, bei dem feinsinnigen Arthur

Wilhelm Leibi vor seinem Hause in Aibling

Die Kunst für Alle XVI. 8. 15. Januar 1901.

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