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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Ostini, Fritz von: Die VIII. internationale Kunstausstellung im kgl. Glaspalast zu München, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0563

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-3~s&> MÜNCHENER GLASPALAST 1901 -CÖs^

wenig auf Vollständigkeit Anspruch macht,
wie dieser ganze flüchtige Rundgang über-
haupt. Eine ganz eigenartige Erscheinung ist
Alfred Schwarzschild, der etwas hart in
luftlos malt und überhaupt nichts weniger
als „modern" ist. Aber er zeichnet seine
Akte so fabelhaft schön, wie nur ganz, ganz
wenige in München undgiebt seinen Gestalten,
jeder falschen Altmeisterei fern, doch eine wahr-
haft klassische Anmut. Knopf's „Riesenspiel-
zeug", das sehr respektable Dreiflügelbild „An-
betung" von Frau v. Flesch-Bruningen, Joh.
Herterich's „Warnung" mit ihrer feinen Far-
benpoesie, Seiler's „Wartesaal" und „Johannis-
kirche", Grützner's behäbiger Bruder Keller-
meister, Georg Tyrahn's duftig-nervöses Bild
„Präludium" greifen wir aus der Bilderfülle
dieser Säle unter den figürlichen, die Werke
von Kallmorgen,Olof Jernberg, von Comp-
ton, Gilbert von Canal, Andersen-Lundby,
Fritz v. Wille unter den landschaftlichen Ar-
beiten dieser Säle rühmend heraus, von den
Bildnissen Nichtmünchener Maler die Dame
in Rot von Fritz Reusing und Brütt's nobles
Selbstbildnis. Mit schwerem Unrecht ist Fritz
Mackensen's ernstes Werk „Die Scholle" in
einem winzigen Seitenkabinett totgehängt, wo
es die Wände einzudrücken scheint und zu
gross und zu leer wirkt. Früher hat man
für solche Bilder, die „viel Wand" brauchten,
das Vestibül übrig gehabt und sie vertrugen
sich dort sehr gut mit der Plastik.

adolf hengeler susanna

(Münchener Glaspalast 1901: Secession)

Die drei grossen Kollektionen verstorbener
Meister, Arnold Böcklin's, Wilhelm Leibl's
und des Nikolaus Gysis, geben der heurigen
Internationalen ihren ganz besonderen Wert.
Wenig Liebe und Pietät ist der ersteren er-
wiesen, die nicht einmal in einem Saal zu-
sammengebracht wurde. Jugendarbeiten, die
nur historisches Interesse haben, hängen unter
den Perlen, nichts kommt zu voller Wirkung.
Auch sind ein paar spätere Varianten berühmter
Werke da, die dem Ganzen nicht wohlthun.
Unter den etlichen vierzig Nummern finden
sichrdie „Flora", „Heiligtumdes Herakles", das
„Bacchanale" aus dem Besitze von Herrn Th. K.
hier, die „Jägerin", der „Kentaurenkampf",
der Dr. G. H. gehört, „Frühlingshymne", das
Bildnis A. Bayersdorfers, „Heiliger Hain",
„Charon" u. s. w. Die Ausstellung sagt dem,
der Böcklin gründlich kennt, sehr viel. Wer ihn
erst kennen lernen soll, wird aus ihr keinen
ganzen Begriff von der Grösse des Mannes
bekommen! Besser ist es mit der Leibl-
Ausstellungbestellt, deren Clou der „Dachauer
Bauer mit Tochter" aus Defreggers Besitz
bildet. Ueber Leibi ist hier nichts Neues
mehr vorzubringen und immer nur das Alte
zu wiederholen, dass das Staunen vor seinem
Können mit jedem Stückchen Arbeit wächst,
das man von ihm zu sehen bekommt; auf
Nikolaus Gysis aber, über dessen Werke und
Wesen die Ausstellung einen überraschenden
Ueberblick gewährt, gedenken wir in einem
grösseren Aufsatz zurückzukommen.

* o


Die Wiener Künstler rückten unter drei
verschiedenen Fahnen in München ein,
d. h. die „Künstlergenossenschaft", die „Se-
cession" und der junge .Jlagcnbund" haben
getrennt ausgestellt und füllen mit ihren
Werken je einen Saal. Gemeinsam ist bei
allen drei Gruppen der exquisite moderne
Geschmack in der Ausstattung der Säle. Ein
Besonderes hat darin der Hagenbund gethan,
von dem späterhin noch besonders die Rede
sein wird. Hell und freundlich wirkt auch
der Saal der Secession, welchem die Kunst
Gustav Klimt's so stark ihr Gepräge leiht,
dass er als eine Sonderausstellung Klimts mit
gastlicher Zulassung seiner Freunde gelten
kann. Das grosse, vielumstrittene Deckenbild
für die Wiener Universität „Die Medizin" ist
natürlich das, was zuerst die Augen auf sich
lenkt. Ungeteilte Gefühle wird es bei keinem
wecken, der ein billiges Urteil hat und ruhig
überlegt. Wer sich an manchen Absonderlich-
keiten und Gewagtheiten des Stoffes und der

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