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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Henrici, C.: Das Modell: eine Studie für Bildhauer
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0596

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-^Ö> DAS MODELL <5s^>-

rerseits nur mit Uebertretung dessen, was die sprechen, also für den Künstler unbrauch-
Sitte fordert, also mit einem gewissen Grade bar sind.

von Schamlosigkeit enthüllt werden. Die erste Die Männer werden durch schwere Arbeiten
Folgerung bezieht sich in vollem Umfange in den Fabriken, schwere Handwerke oder
auf Modelle beider Geschlechter, die zweite andererseits durch stetes Sitzen erfordernde
speziell auf weibliche Aktmodelle. Für die Beschäftigungen entweder übertrieben musku-
Frau bedeutet Modellstehen zugleich den Aus- lös und unproportioniert, oder engbrüstig,
tritt aus dem Kreise ihrer Standesgenossen, schlaff, nur Sehnen und Haut. Die Frauen
und in folgerichtigem Verlauf das unrettbare sind durch frühe Heirat, übergrosse Sorgen-
Anheimfallen an die last und Ueberan-

wildeste Boheme. ^^^^^^^M^^^^M^W^—^MM^^M strengung ihrer phy-
Geldnot ist meist der sischen Kräfte meist

tiefste Beweggrund für schon in den ersten

diesen Schritt, und da WmmW' 1 ■ Jahren nach der Ver-

ein einigermassen rou- Bb^^*Sm heiratung hässliche

tiniertes Modell genau mm > Jfl Greisinnen, die Mäd-

den Wert und Unwert B^ ^VbI ^.hcn meist unent-

seiner Formen abzu- ^Ly^ ^^Bj wickelt, eckig und

schätzen weiss, hat es BHHBh ^BflBBBBB steif; Mangel an Luft
meist die Tendenz, und Licht raubt ihnen

seine Reize in der B / Bj den zarten, gesunden

raffiniertesten Weise B m » Hauch der Jugend

wie zum Verkaufe V JHL 'ySt und Frische, schon

auszustellen, um mög- Hfl k ehe sie voll erblüht

lichsten Nutzen daraus IS jßm \t bj sind,
zu ziehen. Die Schön- mpf B^^^B Selbst unter den

heit verliert dadurch '^mWmmw mmW^ vi Kindern dieser Stände

jenen intimen Reiz, findet man selten wirk-

der nur im Unbewuss- AT a-^^S liehe Frische. Alt und

ten liegt, und wird i Jmum sorgenvoll blicken

für den Künstler un- M m\m\-^**^Äm\ selbst die Kleinsten

brauchbar, wenigstens B M Am oft schon in die häus-

kann er nur die Linien ^kj M, JH liehe Misere, schon

und Formen mit stren- bei der Geburt an man-

ger Ausscheidungalles g^s gelnder Ernährung

dessen benützen, was Umm von Seiten der Mutter

die Natur, das Indivi- B AM Jg krankend,
duelle seines Modells Wm fl b Schlechte Ernäh-

ausmacht. Selbst da, B B B BJ rung, übermässige An-

wo es sich lediglich wt** m^mwmmw ^^flBJ strengung und durch

um die Auffindung den Beruf bedingte,

eines formenschönen einseitige Beschäfti-

Modells handelt, hat gung, das sind die

dernordische Künstler wesentlichen Fak-

äusserst selten einen mm_____WmmMKI^ma toren, die zusammen-
befriedigenden Erfolg. ludwig das 10 perseus wirken, um diese
Aus leicht erklär- (Münchener ciaspaiast i9oi) Körper als Modelle,
liehen Gründen liefern speziell Aktmodelle,
die unteren Bevölkerungsschichten die grösste unbrauchbar zu machen.
Zahl der berufsmässigen Modelle. Abge- Eine grosse Anzahl weiblicher Aktmodelle
sehen davon, dass ihnen meist die Grazie liefert die Klasse der Prostituierten. Körper-
und schmiegsame Eleganz der Beweg- formen und Haut sind durch grösseres Wohl-
ungen, sowie die Feinheit des Gliederbaues leben weit mehr gepflegt als bei den aus
mangeln, sind ihre Gestalten schon frühzeitig den Arbeiter- und Handwerkerständen her-
zumeist durch die Art der Beschäftigung, die vorgegangenen Modellen; durch den viel-
ihr Beruf mit sich bringt, in Formen und fachen Verkehr mit den höheren Ständen
Proportionen gebracht, die den natürlichen, sind die ästhetischen Begriffe verfeinert, die
ursprünglichen in keiner Weise mehr ent- Grazie und Eleganz der Bewegungen ent-

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