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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 16.1900-1901

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Henrici, C.: Das Modell: eine Studie für Bildhauer
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https://doi.org/10.11588/diglit.12079#0597

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-^Ö> EINE STUDIE FÜR BILDHAUER -ent-

wickelter — jedoch findet sich der Künstler die natürlichen Beweggründe sein, die ein
nur allzuoft, ja zumeist, abgestossen von dieser brauchbares Modell veranlassen, seine Reize,
frivol-bewussten Schönheit, dem Mangel an seine Formenschönheit oder Muskelkraft mög-
Reinheit und keuscher Weiblichkeit, und dem liehst, aber immer in den gebotenen Grenzen
aus jeder Bewegung klar zu erkennenden Ziel, des ästhetisch Erlaubten hervorzuheben, besser
die Schönheit einträglich zu verwerten. gesagt, durch natürliches Schönheitsgefühl

So vielfach auch die Hindernisse sein gezwungen, in die zweckentsprechende, sinn-
mögen, die sich dem Künstler beim Suchen gemässe Stellung und Beleuchtung zu bringen,
eines formenschönen Modells entgegenstellen, Hier ergiebt sich die Frage, auf welches
weit schwieriger gelingt es ihm noch, ein der beiden Erfordernisse hat der Künstler
geistig seiner Idee auch nur einigermassen bei der Wahl eines Modells den Hauptschwer-
entsprechendes Modell zu finden. In dieser punkt zu verlegen; auf die seinem Ideal ent-
Hinsicht sind auch die Anforderungen, die sprechenden Formen oder auf die seiner Idee
er stellt, bedeutend schwerer zu erfüllen, als möglichst nahekommende Natur des Modells?
die verhältnismässig kleinen Anforderungen, Es ist unmöglich, eine positive Entscheidung
die er in physischer Beziehung stellt. hier zu treffen, da die Natur des Vorwurfs

Der Künstlerberuf erfordert ein so abge- allein ausschlaggebend sein kann. Im allge-
rundetes, anatomisches Wissen, ein so sicheres meinen kann, wie schon erwähnt, der Künstler
Beherrschen aller Formen- und Proportions- eher auf gänzlich befriedigende Formenschön-
gesetze, dass der schaffende Künstler mit heit, als auf das erforderliche Mass von Indivi-
Leichtigkeit aus eigener Initiative Mängel der dualität verzichten, vermöge deren sich ihm
Natur in seinem Werke ergänzt; er kann
seine Anforderungen in dieser Hinsicht also,

gestützt auf sein theoretisches Können und ^—-^'~^7—

künstlerisches Empfinden für ästhetisch Zu- mtr-^f^tj fff'~ W J3F?^c\

lässiges, eher befriedigt sehen.

Gänzlich unbrauchbar jedoch für den Künst-
ler ist ein Modell, dessen Natur und Indivi- ^wHK-'js
dualität seiner Idee nicht entsprechen. Ideali- S^^UH
sieren, abklären, vergeistigter zum Ausdruck

bringen muss der Künstler selbst bei einem «« S*S&HIK<

denkbar vollendeten Modell; zeigt aber das k^V1 "~" ' "*^^^^^ÄBj

Modell keinerlei Begabung, sich in das Wollen jS^u^k""
des Künstlers, und sei es auch nur instinktiv,
hineinzuleben, oder zeigen der Ausdruck des
Gesichtes, die Allüren und Bewegungen Spuren
von Frivolität, geistiger Verkommenheit, wo
der Künstler Reinheit und unbewusste Schön-
heit sucht, wird es für seinen Zweck un-
tauglich sein, ja selbst bei vollendeter Formen-
schönheit eventuell eher hindernd als fördernd
auf sein Werk einwirken. Die Praxis lehrt
zwar, dass ein Modell ohne jegliche schau-
spielerische Begabung durchaus nicht als das
Ideal eines solchen zu betrachten ist. Diese
schauspielerische Thätigkeit des Modells muss
hervorgerufen werden durch das naiv-ästhe-
tische Gefühl, welches das betreffende Indivi- I I; t
dium veranlasst, sowohl dem Künstler als Jgfiffe|
solchen für seinen Zweck genügen, ihm als
Menschen g? allen, wie auch nachher dem S^SSe^ -

Publikum jenes harmonische Gefühl ein- pp^^^>«?S>.~l. - -'-•^^^^T-'j^aSBf
flössen zu wollen, das man mit dem Aus- ^K&T ^S^5^^S82Bi

druck Sympathie bezeichnen könnte.

Harmlose Gefallsucht, die selbst den naiv- •• :'

sten Naturvölkern anhaftet, verbunden mit f , um» mi—~—~~*~

den verfeinerten ästhetischen Begriffen der Burkhard mangold dekoratives gemälde
höheren Kultur, das dürften im wesentlichen (Münchener Glaspalast 1901)

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