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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912

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Heft 1
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Mackowsky, Hans: Rahels Haus: Mauerstrasse 36, eine baugeschichtliche und literarische Studie aus der Zeit des Altberliner Salons
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https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0041

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die verpfuschte Form der Strasse das Interesse des
Königs Jahm gelegt hat. Während in der besonders
bevorzugten, durch des Königs Namen ausgezeich-
neten Wilhelmstrasse die Paläste und Adelshotels
unter seiner Anregung, die oft nichts als ein kräf-
tiger Druck auf den Geldbeutel des Bauherrn war*,
mit reichen Fassaden und weitem Gartenhinterlande
entstanden, begnügte er sich, im Zuge der Mauer-
strasse die Böhmische und die Dreifaltigkeitskirche
anzulegen. Beide nach demselben Schema gebaut,
auf zentralem Grundriss mit lastendem Kuppeldach
und bescheidener Laterne sind vorwiegend Nütz-
lichkeitsbauten, die bis an die äusserste Grenze des
Schmucklosen getrieben sind.

Auch Friedrich der Grosse, so viel er vor allem
durch Errichtung der beiden höchst malerischen
Turmbauten auf dem alten Friedrichstädtischen
Markt, dem heutigen Gendarmenmarkt, und durch
die Verschönerung der umgrenzenden Strassen für
den Stadtteil gethan hat, zeigte sich für die Mauer-
strasse wenig interessiert. Wahrend er in der Leip-
ziger Strasse von 1773—76 nach Ungers Zeich-
nungen 46 neue Häuser aufführen Hess, wurden in
der Mauerstrasse unweit der beiden Kirchen nur
vier Neubauten auf kgl. Kosten errichtet. Gerade
diesen Teil der Strasse zwischen den beiden Kirchen
giebt uns die bekannte Rosenbergsche Radierung,
woraus man schliessen kann, dass dies das präsen-
tabelste Stück gewesen ist. Gleichwohl machen
auch diese meist nur zwei Geschoss hohen Häuser,
an deren Seitengiebeln hie und da das Fachwerk
noch zu Tage tritt, mit ihren schlichten Fronten
keinen sonderlichen architektonischen Eindruck.

Wie es nun aber in der Mauerstrasse jenseits der
Dreifaltigkeitskirche, zwischen Mohren- und Behren-
strasse aussah, davon geben noch heute vereinzelte
alte Gebäude (Nr. 50, 51) eine melancholische
Kunde. Über ihre niedrigen Ziegeldächer erhoben
ab und zu die Bäume der Gärten, die sich zwischen
Wilhelm- und Mauerstrasse entlang zogen, ihre
grünen Kronen und Spitzen. Aber allmählich wurden

r~[ * Vergl. z. B. die Kabinetsordre vom 23. Juni 1732 an
den Geh. Rat Manitius: „Nachdem Sr. Kgl. Maj. in Erfahrung
gebracht, dass nachfolgende dero Bedienten, nehmlich dero
Geh. p. Räthe Manitius und Beyer, Geh. Räthe Canter und
Deutsch und Hoff-Räthe Coper und Reichhelm noch nicht mit
eigenen Häusern angesessen, so tragen Sie zu denen selben das
allergndst. Vertrauen, sie werden Ihro Majestät Zum besonderen
plaisir in dero Friedrichstadt, in dem neuen Quarre, diejenigen
Plätze, so der Obrist von Derschau Ihnen daselbst anweisen
wird, gerne bebauen." Borrmann, Bau- und Kunstdenkmäler
Berlins S. 411 zit. nach den Mttlg. d. V. f. d. Gesch. Berlins
1892 Nr. 2.

auch diese von drei und vier Stock hohen schmal-
brüstigen Gebäuden verdrängt, die Bäume wichen
vor den Seitenflügeln und Quergebäuden zurück,
und die Strasse gewann ein ziemlich mürrisches
Aussehen. Nur ein Gebäude, palastartig vornehm
mit dreizehn grossen Fenstern, stand in auffallendem
Gegensatz zu dem bürgerlich bescheidenen Charakter,
den die Strasse sonst trug. Und heute, wo eine
grosse Bank und andere öffentliche Institute mit
ihren kostbaren, aber wenig geschmackvollen Ar-
chitekturen das Gepräge der Strasse umgewandelt
haben, fällt jenes Haus Nummer 3 6 erst recht auf
in seiner Eleganz und Ungesuchtheit. Mit seinen
schlichten Putzflächen behauptet es sich siegreich als
der geborene Aristokrat neben der parvenühaften
Verschwendung mit echtem Material, die in seiner
Umgebung getrieben wird.

Das Haus Mauerstrasse 5 6 ist ein Immediatbau
König Friedrich Wilhelms IL, errichtet in den Jahren
1792 — 94.

Über der unleugbaren Charakterschwäche dieses
einst vielgeliebten, später vielgeschmähten Königs
ist das ebenso unleugbar Gute, das er geschaffen, zu
seinem bittern Unrecht in Vergessenheit geraten.
Noch immer pflegt man seine Person wie seine Zeit
durch die giftig grünen Brillengläser zu sehen, die
eine Schar gewissenloser Pamphletisten geschliffen
und gefärbt hat. Gewiss, er hatte Fehler, die bei
einem Könige doppelt schwer ins Gewicht fallen,
aber er hatte auch die Tugenden dieser Fehler, um
deren willen ihm manches zu verzeihen ist. Und
eine dieser Tugenden, seine Kunstliebe und was
mehr sagen will, sein Kunstverständnis — die strah-
lende Kehrseite seiner Verschwendungssucht — ist
seiner Residenz Berlin zu ganz besonderem Vorteil
geworden.

Er hat gebaut — nicht wie Friedrich der Grosse
nach altbewährtem Muster und lediglich auf den
„königlichen coup d'oeil" hin, sondern als ein
Grandseigneur von Geschmack und von jener Frei-
gebigkeit, auf deren Ruhm viele preussische Herr-
scher allzu willig Verzicht geleistet haben. Sein In-
strument war eine eigens von ihm geschaffene Be-
hörde, das Kgl. Oberhofbau-Amt, dessen Vorsitz
der geschäftseifrige und geschäftskundige Minister
v. Wüllner führte — auch er einer der allgemein
verdächtigten „Dunkelmänner" dieser Regierung—,
während die künstlerische Leitung in den Händen
des aus Schlesien verschriebenen und dort schon

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