HUGO VON TSCHUDI f
VON
MAX LIEBERMANN
in in zweifacher Hinsicht tragisches
Leben ging mit Hugo von Tschudis
Tode zu Ende. Der bis zu seinem
fünfundzwanzigsten Lebensjahre
vollendet schöne Mann wird von
einer entstellenden Krankheit be-
fallen und muss ihr erliegen. Er, den seine hervor-
ragenden geistigen Fähigkeiten prädestiniert erschei-
nen lassen für das Amt, das ihm der Zufall über-
trägt, muss dieses Amt aufgeben, weil er nicht
seine Überzeugungen aufgeben will.
In den Briefen Hans von Marces', die vor ei-
nigen Jahren in dieser Zeitschrift veröffentlicht
wurden, ist viel von einem gewissen Adonis die
Rede: wehmütig erzählte mir Tschudi, dass er dieser
Adonis sei. Und er war es noch zu der Zeit, als
die Krankheit schon allzu deutliche Spuren in seinem
Antlitz hinterlassen hatte. Gross, schlank und ela-
stisch in seiner ganzen Erscheinung, etwas jugendlich
Sieghaftes, etwas kindlich Naives, aber dabei auch
trotzig Überlegenes: ein St. Georg, wie ihn breit-
beinig Donatello vor Or San Michele hingestellt
hat, als wollte er sagen: dem Mutigen gehört die
Welt. Jeder Gefahr trotzend, und in seiner Naivi-
tät sie erst erkennend, wenn sie überwunden. Der
Typus des Aristokraten. Wenn anders Aristokratie
die Herrschaft der Besten bedeutet, wie kein an-
derer zum Herrschen geboren, dieser Spross einer
tausend Jahre alten Familie. Er war stolz auf seine
Familie und er durfte es sein. Und ich erinnere
mich, wie er mir, als wir einst zusammen in Paris
waren, denNamen des grossen Schweizer Geschichts-
schreibers Tschudi zeigte, der mit goldenen Lettern
auf der Fassade der Bibliothek von Sainte Genevieve
eingemeisselt ist.
Ebenso wie sein Onkel, der berühmte Ver-
*79
VON
MAX LIEBERMANN
in in zweifacher Hinsicht tragisches
Leben ging mit Hugo von Tschudis
Tode zu Ende. Der bis zu seinem
fünfundzwanzigsten Lebensjahre
vollendet schöne Mann wird von
einer entstellenden Krankheit be-
fallen und muss ihr erliegen. Er, den seine hervor-
ragenden geistigen Fähigkeiten prädestiniert erschei-
nen lassen für das Amt, das ihm der Zufall über-
trägt, muss dieses Amt aufgeben, weil er nicht
seine Überzeugungen aufgeben will.
In den Briefen Hans von Marces', die vor ei-
nigen Jahren in dieser Zeitschrift veröffentlicht
wurden, ist viel von einem gewissen Adonis die
Rede: wehmütig erzählte mir Tschudi, dass er dieser
Adonis sei. Und er war es noch zu der Zeit, als
die Krankheit schon allzu deutliche Spuren in seinem
Antlitz hinterlassen hatte. Gross, schlank und ela-
stisch in seiner ganzen Erscheinung, etwas jugendlich
Sieghaftes, etwas kindlich Naives, aber dabei auch
trotzig Überlegenes: ein St. Georg, wie ihn breit-
beinig Donatello vor Or San Michele hingestellt
hat, als wollte er sagen: dem Mutigen gehört die
Welt. Jeder Gefahr trotzend, und in seiner Naivi-
tät sie erst erkennend, wenn sie überwunden. Der
Typus des Aristokraten. Wenn anders Aristokratie
die Herrschaft der Besten bedeutet, wie kein an-
derer zum Herrschen geboren, dieser Spross einer
tausend Jahre alten Familie. Er war stolz auf seine
Familie und er durfte es sein. Und ich erinnere
mich, wie er mir, als wir einst zusammen in Paris
waren, denNamen des grossen Schweizer Geschichts-
schreibers Tschudi zeigte, der mit goldenen Lettern
auf der Fassade der Bibliothek von Sainte Genevieve
eingemeisselt ist.
Ebenso wie sein Onkel, der berühmte Ver-
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