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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912

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Heft 1
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Waldmann, Emil: Künstlerische Probleme in der vorklassischen Plastik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0063

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portionen untereinander und die Bestimmtheit der
Gliederungen, die Betonung der sprechenden Punkte
und die Feinheit der Gelenke, alles dies spielt im
Ganzen wie im Einzelnen fast die Hauptrolle. Man
merkt kaum wie im Laufe der Zeit die Proportionen
von Rumpf und Kopf allmählich immer „rich-
tiger", das heisst den Normalverhältnissen ent-
sprechender werden. Der Kopf der „boudeuse",
dieser, wie es scheint, jüngsten unter den
Koren von der Akropolis, die innerhalb ihres
Kreises so fortgeschritten aussieht, wirkt bei einem
Vergleich mit dem wohl kurz vor 480 entstandenen
Ephebenkopf (Abbildung S. 50) merkwürdig alter-
tümlich mit ihrem langen Untergesicht und den
harten, weit vorliegenden Augen. Und dieser herr-
liche blonde Ephebenkopf, der so natürlich scheint,
its doch seinerseits der Wirklichkeit fern genug. Es
bedarf wohl kaum einer Erinnerung, dass diese
Skulpturen farbig waren, der Name „Blondkopf",
den man diesem Epheben beigelegt hat, rührt von
der rotblonden Haarfarbe her, die der Kopf bei
seiner Auffindung zeigte und die nun langsam im-
mer mehr und mehr verbleicht. Das Rot war da-
mals „besonders beliebt, an vielen der jonischen und
jonisierenden Mädchenstatuen im Akropolismuseum
hat es sich in voller Reinheit erhalten. Die Augen
des Epheben waren dunkelbraun mit schwarzer
Pupille, die Lippen rot oder rosa. Es erscheint
einem modernen Empfinden zunächst befremdlich,
dass die Griechen den beweglichsten Teil des Ge-
sichtes, das Auge, mit Farbe und Zeichnung auf dem
Marmor starr fixiert haben. Dass diese Art der Stili-
sierung aber auch im Originalzustand den Eindruck
der Lebendigkeit nicht schwächte, sondern eher er-
höhte, lehrt das Beispiel des delphischen Wagen-
lenkers,wo die Augen in fremder Masse in die Bronze
eingesetzt sind. Alles an diesem Ephebenkopf ist auf
die klare Schaubarkeit der Form hin gearbeitet, auch
hier sind die Augen gegen die umgebenden Fett-
schichten der Wangen zu stark betont, die Fläche der
Wangen selber ist, wenn auch nicht inhaltlos, wie
bei früheren Köpfen, so doch absichtlich als ein von
Muskeldetail kaum gegliedertes Ganzes behandelt,
und wie die Gesichtshälften am Nasenrücken zu-
sammenstossen und scharf gegeneinander absetzen,
auch das ist nicht rein natürlich, sondern der höheren
Gesetzmässigkeit der Erscheinung untergeordnet.
Aber wenn man vor dieses unvergleichliche Werk

BRONZESTATUETTE EINES POSEIDON. ANFANG DES FÜNFTEN
JAHRHUNDERTS. NATIONALMUSEU.U IN ATHEN

l'HOTOGK. ALINAKI

Es giebt ein berühmtes Wort von dem Bildhauer

hintritt, merkt man dies alles gar nicht, sondern ist Lysipp, aus der Zeit Alexanders des Grossen. Er
gefangen von der gewaltsmässigen selbstherrlichen sagte einmal von sich: „Die Andern machen die
Hoheit dieses Stils. — Dinge so, wie sie sind, ich aber mache sie, wie sie

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