Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0206
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Heft 4
DOI Artikel:Scheffler, Karl: Notizen über die 23. Ausstellung der Berliner Sezession
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Haupt und seine Rechte herzet mich." Mit der unmittelbarer Lebensderbheit ins Heutige über-
Bibel sollten sich die Zeichner nur abgeben, wenn setzen können, wie Corinth es in diesen Litho-
sie die alten, von den Spinnenweben unzähliger graphien zum Hohenlied gethan hat. Er hat sich
Vorurteile und Konventionalismen umsponnenen nur eben umgesehen und ein Modell der „Braut
Stoffe so unbefangen, so voller Fleischeslust und vom Libanon" in seiner nächsten Nähe gefunden.
«■
HANS MEID, RAUF- UND LÄRMSZENE AUS „OTHELLO". RADIERUNG
MIT GENEHMIGUNG VON JACQUES GASPER, BERLIN
Ein flüchtiger Gang durch die Säle schon zeigt
dem Aufmerksamen, wie viel gezeichnet wird.
Was wurde von Malern vor fünfzehn Jahren, bei
der Gründung der Sezession, denn gross gezeich-
net! Und heute ist das Zeichnen allen mehr oder
weniger Selbstzweck. Diese Schule der Selbst-
erziehung wird nicht verloren sein. Einem Künstler
wie Beckmann kann sein kräftiges, charaktervolles
Zeichnen geradezu Rettung bringen? für seine herb
liebliche Bildniszeichnung einer Frau könnte man
manches seiner Bilder hingeben. Theo von Brock-
husen, der fast wie ein Anatom der Landschaft
wirkt, beginnt schon erzieherisch zu wirken; und
ein Gelegenheitsskizzist wie Grossmann — der
Zeichner als Grossstadtschlenderer — hat sich
längst den Malern der Sezession gleichgestellt. Das
Zeichnen ist ein selbständiges Ausdrucksmittel wie-
der geworden, eine Sprache für sich. Eine Sprache,
von der man an der Akademie überhaupt noch
nichts weiss.
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Haupt und seine Rechte herzet mich." Mit der unmittelbarer Lebensderbheit ins Heutige über-
Bibel sollten sich die Zeichner nur abgeben, wenn setzen können, wie Corinth es in diesen Litho-
sie die alten, von den Spinnenweben unzähliger graphien zum Hohenlied gethan hat. Er hat sich
Vorurteile und Konventionalismen umsponnenen nur eben umgesehen und ein Modell der „Braut
Stoffe so unbefangen, so voller Fleischeslust und vom Libanon" in seiner nächsten Nähe gefunden.
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HANS MEID, RAUF- UND LÄRMSZENE AUS „OTHELLO". RADIERUNG
MIT GENEHMIGUNG VON JACQUES GASPER, BERLIN
Ein flüchtiger Gang durch die Säle schon zeigt
dem Aufmerksamen, wie viel gezeichnet wird.
Was wurde von Malern vor fünfzehn Jahren, bei
der Gründung der Sezession, denn gross gezeich-
net! Und heute ist das Zeichnen allen mehr oder
weniger Selbstzweck. Diese Schule der Selbst-
erziehung wird nicht verloren sein. Einem Künstler
wie Beckmann kann sein kräftiges, charaktervolles
Zeichnen geradezu Rettung bringen? für seine herb
liebliche Bildniszeichnung einer Frau könnte man
manches seiner Bilder hingeben. Theo von Brock-
husen, der fast wie ein Anatom der Landschaft
wirkt, beginnt schon erzieherisch zu wirken; und
ein Gelegenheitsskizzist wie Grossmann — der
Zeichner als Grossstadtschlenderer — hat sich
längst den Malern der Sezession gleichgestellt. Das
Zeichnen ist ein selbständiges Ausdrucksmittel wie-
der geworden, eine Sprache für sich. Eine Sprache,
von der man an der Akademie überhaupt noch
nichts weiss.
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