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heroisierte Bildnis eines grossen Mannes war Klinger der
durch eine Reihe starker Schöpfungen erprobte Meister,
sein Liszt und sein Nietzsche sind Köpfe in dem Sinne
geschaffen wie die bedeutenden Porträts, die in der
griechischen Kunst nach Alexander von den grossen
Männern der Vergangenheit entstanden sind. Sie nehmen
die überlieferten Züge nur als eine Grundlage, um das
geisrige Wesen eindringlich und eindeutig darzustellen,
im Geiste hier den Griechen verwandt, in der Form aus
Klingers eigener durch die moderne Entwicklung der
Plastik gereifter Auffassung geboren. Was Klinger für
diese Aufgabe des monumentalen Porträts als Eigenstes
mitbringt, ist die fast grüblerische Phantasie, mit der er
sich in das Wesen des Menschen versenkt und nicht ruht,
bis sie hinter den Teiläusserungen seines geistigen Or-
ganismus: den begrifflich fassbaren Eigenschaften des
Gelehrten, des Forschers, des Organisators, des Wohl-
thäters, ahnend den Einheits- und Mittelpunkt in der
seelischen Artung des Menschen erfasse. So sah er die
Idee, die Abbe nicht als ein nur gewähltes Ziel, sondern
wie eine zwingende Macht in seinem Denken und Han-
deln triebarrig beherrschte. So schuf er sein Bildnis.
Eine derartige Darstellung eines seelischen Zustandes
in einem plastischen Werk ist nur möglich durch eine
Formbehandlung, die gewissermassen den Zusammen-
hang des in der Natur gegebenen organischen Auf-
baus löst, ihn in seine Elemente zerfällt und nun ganz
aufs neue ans Werk geht, sie in ihrem Sinne von Grund
aus wieder aufzubauen. Denn es ist lediglich die
Lagerung der Massen, die durch den in ihr erkenn-
baren Sinn der Anordnung unmittelbares Symbol der
im Seelenleben konzentrierten Mächte wird. Jeder Ver-
such, einen einzelnen Zug des Gesichtes ausdrucksvoll
zu gestalten, muss, wenn eine so grosse Wirkung ge-
wollt ist, fehlgehen, nur die im ganzen gleichmässig
lebendige Beseelung kann zu diesem überwältigenden
Resultat führen.
Für die verschiedenen Brechungen dieses einen
grossen Lichtstrahls boten sich zur symbolischen Ge-
staltung die drei Flächen des Marmorblocks. Abbe der
Freund des Arbeiters auf der Rückseite, Abbe der
Forscher auf den beiden Nebenseiten. Das Ganze ist
vielleicht Klingers merkwürdigste, bedeutendste und ein-
heitlichste Schöpfung, aber schwer ist es heut schon, zu
sagen, welches der drei Flachreliefs am vollkommensten
ist und zugleich am meisten Klingers persönliche Kunst
vertritt. Das Wagnis, wirkliche, so zu sagen zeitliche
Menschen mit symbolischen Figuren zusammen zufüh-
ren, hat Klinger nie geschreckt, aber es ist ihm nicht
oft so vollkommen gelungen, wie hier, wo Abbe in
durchaus schlichter Porträtauffassung neben dem nack-
ten Jüngling am Amboss steht, der als Typus den Ar-
beiter vertritt. Und hier ist neben der vollständig ge-
lösten Aufgabe der Zusammenordnung der Gestalten
in der Bildfläche eine besonders wirkungsvolle rein bild-
liche Erfindung das Gewand Abbes die künstlerische
Umformung eines Arbeitskittels, mit den bizarren Linien
der Falten.
Am schönsten scheint auf den ersten Blick die weib-
liche Figur der einen Seite, die, eine Symbolisierung der
Teleskopie, mit den Händen an die Sterne greift. Welch
wundervoller Gedanke, das optische Instrument nur
durch eine frei im Räume schwebende Linse zu ver-
körpern, die zugleich durch Form und Masse an ihrem
Platz in der ganzen Komposition eine bedeutungsvolle
Rolle spielt! Die aufstrebende Gestalt mit fast regel-
mässigen und doch ganz individuellen Zügen ist gehüllt
in ein dünnes Gewand, das die Erinnerung an griechische
Gewänder der frühen Kunst nicht verleugnet und doch
ganz wie für diesen Zweck frei erfunden scheint. Am
ergreifendsten wirkt das Relief der anderen Seite, das
die Mikroskopie symbolisiert. Hier ist ein ganz sel-
tenerZusammenklang der sachlichenGebärde mittiefster
Beseelung und beglückendster Rhythmik erreicht. Das
Ethos der ganzen Figur klingt aus in der über der Linse
gespreizten Hand, und der Welt inneren Lebens, die
im Kopfe Gestalt gewonnen, würde kein zergliederndes
Wort gerecht werden.
Wie eine Art Triumph über das Gewürm, das unten
sich schlängelt, liegt es in diesem Gesicht, das voll Klug-
heit und Spannung durch die Linse blickt.
Nur die Kunst ist imstande die Erinnerung an
einen grossen Mann auch fernen Zeiten zu erhalten
und zu verkünden. Hier finden wir alles, was wir der
Nachwelt vom Wesen und Wirken Abbe's übermitteln
wollen, restlos in Kunst umgesetzt, und in dem ganzen
Werke nichts als Kunst, es darf daher im höchsten Sinne
ein Denkmal genannt werden.
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heroisierte Bildnis eines grossen Mannes war Klinger der
durch eine Reihe starker Schöpfungen erprobte Meister,
sein Liszt und sein Nietzsche sind Köpfe in dem Sinne
geschaffen wie die bedeutenden Porträts, die in der
griechischen Kunst nach Alexander von den grossen
Männern der Vergangenheit entstanden sind. Sie nehmen
die überlieferten Züge nur als eine Grundlage, um das
geisrige Wesen eindringlich und eindeutig darzustellen,
im Geiste hier den Griechen verwandt, in der Form aus
Klingers eigener durch die moderne Entwicklung der
Plastik gereifter Auffassung geboren. Was Klinger für
diese Aufgabe des monumentalen Porträts als Eigenstes
mitbringt, ist die fast grüblerische Phantasie, mit der er
sich in das Wesen des Menschen versenkt und nicht ruht,
bis sie hinter den Teiläusserungen seines geistigen Or-
ganismus: den begrifflich fassbaren Eigenschaften des
Gelehrten, des Forschers, des Organisators, des Wohl-
thäters, ahnend den Einheits- und Mittelpunkt in der
seelischen Artung des Menschen erfasse. So sah er die
Idee, die Abbe nicht als ein nur gewähltes Ziel, sondern
wie eine zwingende Macht in seinem Denken und Han-
deln triebarrig beherrschte. So schuf er sein Bildnis.
Eine derartige Darstellung eines seelischen Zustandes
in einem plastischen Werk ist nur möglich durch eine
Formbehandlung, die gewissermassen den Zusammen-
hang des in der Natur gegebenen organischen Auf-
baus löst, ihn in seine Elemente zerfällt und nun ganz
aufs neue ans Werk geht, sie in ihrem Sinne von Grund
aus wieder aufzubauen. Denn es ist lediglich die
Lagerung der Massen, die durch den in ihr erkenn-
baren Sinn der Anordnung unmittelbares Symbol der
im Seelenleben konzentrierten Mächte wird. Jeder Ver-
such, einen einzelnen Zug des Gesichtes ausdrucksvoll
zu gestalten, muss, wenn eine so grosse Wirkung ge-
wollt ist, fehlgehen, nur die im ganzen gleichmässig
lebendige Beseelung kann zu diesem überwältigenden
Resultat führen.
Für die verschiedenen Brechungen dieses einen
grossen Lichtstrahls boten sich zur symbolischen Ge-
staltung die drei Flächen des Marmorblocks. Abbe der
Freund des Arbeiters auf der Rückseite, Abbe der
Forscher auf den beiden Nebenseiten. Das Ganze ist
vielleicht Klingers merkwürdigste, bedeutendste und ein-
heitlichste Schöpfung, aber schwer ist es heut schon, zu
sagen, welches der drei Flachreliefs am vollkommensten
ist und zugleich am meisten Klingers persönliche Kunst
vertritt. Das Wagnis, wirkliche, so zu sagen zeitliche
Menschen mit symbolischen Figuren zusammen zufüh-
ren, hat Klinger nie geschreckt, aber es ist ihm nicht
oft so vollkommen gelungen, wie hier, wo Abbe in
durchaus schlichter Porträtauffassung neben dem nack-
ten Jüngling am Amboss steht, der als Typus den Ar-
beiter vertritt. Und hier ist neben der vollständig ge-
lösten Aufgabe der Zusammenordnung der Gestalten
in der Bildfläche eine besonders wirkungsvolle rein bild-
liche Erfindung das Gewand Abbes die künstlerische
Umformung eines Arbeitskittels, mit den bizarren Linien
der Falten.
Am schönsten scheint auf den ersten Blick die weib-
liche Figur der einen Seite, die, eine Symbolisierung der
Teleskopie, mit den Händen an die Sterne greift. Welch
wundervoller Gedanke, das optische Instrument nur
durch eine frei im Räume schwebende Linse zu ver-
körpern, die zugleich durch Form und Masse an ihrem
Platz in der ganzen Komposition eine bedeutungsvolle
Rolle spielt! Die aufstrebende Gestalt mit fast regel-
mässigen und doch ganz individuellen Zügen ist gehüllt
in ein dünnes Gewand, das die Erinnerung an griechische
Gewänder der frühen Kunst nicht verleugnet und doch
ganz wie für diesen Zweck frei erfunden scheint. Am
ergreifendsten wirkt das Relief der anderen Seite, das
die Mikroskopie symbolisiert. Hier ist ein ganz sel-
tenerZusammenklang der sachlichenGebärde mittiefster
Beseelung und beglückendster Rhythmik erreicht. Das
Ethos der ganzen Figur klingt aus in der über der Linse
gespreizten Hand, und der Welt inneren Lebens, die
im Kopfe Gestalt gewonnen, würde kein zergliederndes
Wort gerecht werden.
Wie eine Art Triumph über das Gewürm, das unten
sich schlängelt, liegt es in diesem Gesicht, das voll Klug-
heit und Spannung durch die Linse blickt.
Nur die Kunst ist imstande die Erinnerung an
einen grossen Mann auch fernen Zeiten zu erhalten
und zu verkünden. Hier finden wir alles, was wir der
Nachwelt vom Wesen und Wirken Abbe's übermitteln
wollen, restlos in Kunst umgesetzt, und in dem ganzen
Werke nichts als Kunst, es darf daher im höchsten Sinne
ein Denkmal genannt werden.
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