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impulsiven Temperament Meier-Graefes nicht in allem folge,
wenn ich in Greco, Marees, van Gogh nicht jedesmal den
grossartigsten Künstler, den die Welt kennt, zu sehen vermag,
wenn ich der Überzeugung getreu, dass beste Kunst nur für
die Besten da ist, vor derPopularisirung und, was den bilden-
den Künstler betrifft, vor der Nachahmung der eben genanten
Meister warne — gerade hier treffe ich wieder mit Meier-Graefe
zusammen, — so ist dies eben der Ausdruck meiner persönli-
chen Deutung. Niemand ist es bisher eingefallen, mir eine
solche Mahnung als dolus eventualis auszulegen, ausser Ihnen,
Herr Rechtsanwalt.
Ich komme zum Einzelnen. Auf Seite 312 citiren Sie
eine flüchtige Besprechung der Ausstellung, die in der Galerie
Heinemann von etwa fünf, wie sich jetzt angesichts der
Sammlung Nemes herausstellt an Qualität minderwertigenWerken
Grecos veranstaltet wurde. Wenn Sie die von mir über diese
Ausstellung von fünf Bildern gemachten Aeusserungen von der
„absichtlichen an der Grenze der Unleidlichkeit gebrachten Gri-
masse ..." statt auf die ausgestellten paar Bilder, auf Greco im
Allgemeinen beziehen, so geht Ihnen die Fähigkeit ab, kritisch
zu arbeiten. Für jene Bildchen stimmt mein Urteil ganz gewiss,
es vor der Sammlung Nemes und dem Christus im Louvre wieder-
holen, wäre lächerlich. Über die Sammlung Nemes konnte ich
später schreiben: „Zweifellos werden hier Eigenschaften ent-
deckt und gefördert, die früher in den Gemäldesammlungen
kaum eine embryonische Regung sich erlauben durften. Die
edelste von ihnen ist der Sinn für künstlerische Qualität."
Zweitens berufen Sie sich auf Seite 313 auf die Stelle
meines Aufsatzes über Marees, in der ich vor der Kunstheuchelei
warne, die schon bei „van Gogh so wenig geschmackvoll auf-
zutreten begann". Ihnen war mein Satz bequem, weil Sie eine sich
anschliessende Auseinandersetzung zitiren wollten, die sich (was
ich bei einem ausführlichen Aufsatz für selbstverständlich halte)
auch mit dem Negativen der Kunst von Marees befasst. Aus
einem Aufsatz von etwa 160 Zeilen übernehmen Sie nur den Teil
der kritischen Untersuchung, die 20 Zeilen, die Ihnen in Ihren
Kram passen und der ganze übrige Aufsatz existirt für Sie
nicht. Meine Äusserungen im gleichen Aufsatz über „die Tiefe
und Vielseitigkeit des Problemes der Kunst des Hans von Marees",
und „seine bedeutungsvolle Wichtigkeit für die gegenwärtige
Generation", meine Worte bewundernder Verehrung für die
Fresken in Neapel übergehen Sie!
Endlich schreiben Sie Seite 367: „Und heute, fast zwanzig
Jahre später, sollen wir uns dieses kraft- und nutzlose Ringen
(van Goghs) als eine künstlerische Offenbarung aufschwatzen
lassen! Uhde-Bernays hat gelegentlich der Wänderausstellung
der Neuimpressionisten im Interesse der Gesundheit der Münch-
ner Kunst energisch dagegen protestirt."
Es ist mir nun auch im Traume nicht eingefallen jemals
die Kunst van Goghs anzugreifen. Ich habe in meiner von Ihnen
zitirten Besprechung der Ausstellung neuimpressionistischei Künst-
ler in der Münchner Sezession in erster Linie mich abfällig darüber
geäussert, dass in München häufig genug französische Ramsch-
ware abzuladen versucht wird. Ich zitire ebenfalls wörtlich:
„Gerade wenn wir dem tendenziös missbrauchten Wahlspruch frei-
heitlicher Kunstkritiker zustimmen, dass echte edle Kunst unab-
hängig sei von geographischen Begriffen und Einschränkungen,
dass die Thätigkeit der einzelnen Nationen auf künstlerischem
Gebiete eine gegenseitige achtungsvolle Förderung bedinge —
wäre es doch wirklich so! — gerade dann müssen wir mit
überzeugtem Nachdruck auf eine gleichmässige Wertung der
künstlerischen Qualität halten. Und das ist bei diesen Bildern
nicht der Fall. Wir dürfen froh sein, dass wir gelernt haben,
auch bei den pariser Bildern zu unterscheiden und jetzt nicht
mehr mit offenem Munde und stieren Augen dazustehen brauchen.
. . . Verwirrt nicht unsern jungen Münchner Malern, die noch
früh genug auf die Wanderung zu Euch gehen, die Köpfe!
Jedes Kunstproblematisieren wirkt trotz seiner Gleichmäsigkeit
ansteckend. Wir sahen es bei Segantini und sehen es bei Sig-
nac. Schon zeigen sich da und dort begeisterte Nachbeter
eines so Exclusiven wie van Gogh."
Das ist das einzige Mal, dass ich in dem ganzen Aufsatz,
den ich heute ganz_genau so schreiben würde, van Gogh ge-
nannt habe! Diese Äusserung erscheint Ihnen als ein „Protest"
gegen ihn!? Ich habe in meinen nächstfolgenden Artikel ge-
schrieben: „Auch die vorzügliche Ausstellung der Werke van
22
Goghs ist wohl geeignet, als gute Vermittlerin für die Kennt-
nis des absonderlichen und doch durch nachgiebiges Eingehen
auf seine fabelhaft persönlichen und ganz fabelhaft künstleri-
schen Absichten zur Höhe des Genius getragenen Meisters
betrachtet zu werden. Auch sie möge ja nicht neben dem
Guten, das sie zu wirken berufen ist, Schädliches stiften durch
eine falsch verstandene Aufforderung Zur Nachahmung." (Folgt
lange Analyse der Kunst van Goghs.)
Ich darf es wohl jedem überlassen sich seine Gedanken
zu bilden über Ihre Gewohnheit zu zitieren. Ich habe mit
Ihnen, Herr Rechtsanwalt, keine geistige Gemeinschaft. Diese
Erklärung soll daher nicht etwa die Initiative zu einer Polemik
sein, sondern nur eine Feststellung. Eine Feststellung auch, dass
ich ebenfalls auf die Auszeichnung Anspruch machen
möchte, neben Männern, die ich aufs Höchste verehre oder
mit denen mich wissenschaftliche Achtung und persönliche
Beziehungen verbinden, als ein von Ihnen gebrand-
markter „Herabwürdiger der deutschen Kunst" ehrenvoll
dazustehen!
In vorzüglicher Hochachtung
Dr. Uhde-Bernays.
Nach langem Hin und Her ist die Entscheidung in
der Konkurrenz um ein Bismarck-Nationaldenkmal bei
Bingerbrück gefallen. Entgegen dem Urteil der Preis-
richer hat derHauptausschuss den Entwurf von Wilhelm
Kreis und Hugo Lederer zur Ausführung bestimmt.
Also hat der Spezialist für Bismarck- und National-
denkmale, der Erbauer auch des klotzigen Völkerschlacht-
denkmals, nach tapferer Selbstpropaganda schliesslich
doch gesiegt! Dieses Ergebnis wäre billiger zu haben
gewesen. Kreis selbst hat einmal folgende hübsche
Anekdote erzählt. In einer Ausschusssitzung in Dres-
den sollte irgendein Bau unmittelbar an den auch an-
wesenden Künstler vergeben werden. Da stand der
Bürgermeister auf und sagte, es ginge doch nicht an,
solchen Auftrag einfach immer an Kreis zu geben, er
fordere eine Konkurrenz. Worauf Kreis sich erhob und
die monumentalen Worte sprach: „Das ist mir ganz
recht, ich gewinne die Konkurrenz ja doch." Er hat
recht, er gewinnt die Konkurrenzen. Er ist recht eigent-
lich ein Wettbewerbstalent, ein Projektkünstler, ein
Entwurfsarchitekt. Er hat ein Architekturpathos, das
sich in monumentalen Kohlezeichnungen wirkungsvoll
darstellt. Zu den fertigen Werken aber wallfahrt dann
der Kunstfreund nicht. Er sieht sie nur von der Eisen-
bahn, vom Dampfer, aus der Ferne an. Mehr neugierig
als ästhetisch erregt. Was Kreis macht, ist architekto-
nischer Plakatstil.
Als Nachfolger in der wichtigen Stellung, die Hein-
rich Wölfflin bisher an der Berliner Universität inne
hatte, ist Professor Adolf Goldschmidt aus Halle be-
rufen worden. Die Wahl ist mit grosser Genugthuung
zu begrüssen. Nicht nur um der ausgezeichneten Ge-
lehrtenqualitäten Goldschmidts willen, sondern auch,
weil dieser Kunsthistoriker hat, was man von einem
Mann in einer solchen auch mittelbar sehr wichtigen
Stellung verlangen muss: Interesse und Verständnis für
die gute moderne Kunst und den Willen, sich zu den
lebendig ringenden Kräften der Zeit zu bekennen.
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impulsiven Temperament Meier-Graefes nicht in allem folge,
wenn ich in Greco, Marees, van Gogh nicht jedesmal den
grossartigsten Künstler, den die Welt kennt, zu sehen vermag,
wenn ich der Überzeugung getreu, dass beste Kunst nur für
die Besten da ist, vor derPopularisirung und, was den bilden-
den Künstler betrifft, vor der Nachahmung der eben genanten
Meister warne — gerade hier treffe ich wieder mit Meier-Graefe
zusammen, — so ist dies eben der Ausdruck meiner persönli-
chen Deutung. Niemand ist es bisher eingefallen, mir eine
solche Mahnung als dolus eventualis auszulegen, ausser Ihnen,
Herr Rechtsanwalt.
Ich komme zum Einzelnen. Auf Seite 312 citiren Sie
eine flüchtige Besprechung der Ausstellung, die in der Galerie
Heinemann von etwa fünf, wie sich jetzt angesichts der
Sammlung Nemes herausstellt an Qualität minderwertigenWerken
Grecos veranstaltet wurde. Wenn Sie die von mir über diese
Ausstellung von fünf Bildern gemachten Aeusserungen von der
„absichtlichen an der Grenze der Unleidlichkeit gebrachten Gri-
masse ..." statt auf die ausgestellten paar Bilder, auf Greco im
Allgemeinen beziehen, so geht Ihnen die Fähigkeit ab, kritisch
zu arbeiten. Für jene Bildchen stimmt mein Urteil ganz gewiss,
es vor der Sammlung Nemes und dem Christus im Louvre wieder-
holen, wäre lächerlich. Über die Sammlung Nemes konnte ich
später schreiben: „Zweifellos werden hier Eigenschaften ent-
deckt und gefördert, die früher in den Gemäldesammlungen
kaum eine embryonische Regung sich erlauben durften. Die
edelste von ihnen ist der Sinn für künstlerische Qualität."
Zweitens berufen Sie sich auf Seite 313 auf die Stelle
meines Aufsatzes über Marees, in der ich vor der Kunstheuchelei
warne, die schon bei „van Gogh so wenig geschmackvoll auf-
zutreten begann". Ihnen war mein Satz bequem, weil Sie eine sich
anschliessende Auseinandersetzung zitiren wollten, die sich (was
ich bei einem ausführlichen Aufsatz für selbstverständlich halte)
auch mit dem Negativen der Kunst von Marees befasst. Aus
einem Aufsatz von etwa 160 Zeilen übernehmen Sie nur den Teil
der kritischen Untersuchung, die 20 Zeilen, die Ihnen in Ihren
Kram passen und der ganze übrige Aufsatz existirt für Sie
nicht. Meine Äusserungen im gleichen Aufsatz über „die Tiefe
und Vielseitigkeit des Problemes der Kunst des Hans von Marees",
und „seine bedeutungsvolle Wichtigkeit für die gegenwärtige
Generation", meine Worte bewundernder Verehrung für die
Fresken in Neapel übergehen Sie!
Endlich schreiben Sie Seite 367: „Und heute, fast zwanzig
Jahre später, sollen wir uns dieses kraft- und nutzlose Ringen
(van Goghs) als eine künstlerische Offenbarung aufschwatzen
lassen! Uhde-Bernays hat gelegentlich der Wänderausstellung
der Neuimpressionisten im Interesse der Gesundheit der Münch-
ner Kunst energisch dagegen protestirt."
Es ist mir nun auch im Traume nicht eingefallen jemals
die Kunst van Goghs anzugreifen. Ich habe in meiner von Ihnen
zitirten Besprechung der Ausstellung neuimpressionistischei Künst-
ler in der Münchner Sezession in erster Linie mich abfällig darüber
geäussert, dass in München häufig genug französische Ramsch-
ware abzuladen versucht wird. Ich zitire ebenfalls wörtlich:
„Gerade wenn wir dem tendenziös missbrauchten Wahlspruch frei-
heitlicher Kunstkritiker zustimmen, dass echte edle Kunst unab-
hängig sei von geographischen Begriffen und Einschränkungen,
dass die Thätigkeit der einzelnen Nationen auf künstlerischem
Gebiete eine gegenseitige achtungsvolle Förderung bedinge —
wäre es doch wirklich so! — gerade dann müssen wir mit
überzeugtem Nachdruck auf eine gleichmässige Wertung der
künstlerischen Qualität halten. Und das ist bei diesen Bildern
nicht der Fall. Wir dürfen froh sein, dass wir gelernt haben,
auch bei den pariser Bildern zu unterscheiden und jetzt nicht
mehr mit offenem Munde und stieren Augen dazustehen brauchen.
. . . Verwirrt nicht unsern jungen Münchner Malern, die noch
früh genug auf die Wanderung zu Euch gehen, die Köpfe!
Jedes Kunstproblematisieren wirkt trotz seiner Gleichmäsigkeit
ansteckend. Wir sahen es bei Segantini und sehen es bei Sig-
nac. Schon zeigen sich da und dort begeisterte Nachbeter
eines so Exclusiven wie van Gogh."
Das ist das einzige Mal, dass ich in dem ganzen Aufsatz,
den ich heute ganz_genau so schreiben würde, van Gogh ge-
nannt habe! Diese Äusserung erscheint Ihnen als ein „Protest"
gegen ihn!? Ich habe in meinen nächstfolgenden Artikel ge-
schrieben: „Auch die vorzügliche Ausstellung der Werke van
22
Goghs ist wohl geeignet, als gute Vermittlerin für die Kennt-
nis des absonderlichen und doch durch nachgiebiges Eingehen
auf seine fabelhaft persönlichen und ganz fabelhaft künstleri-
schen Absichten zur Höhe des Genius getragenen Meisters
betrachtet zu werden. Auch sie möge ja nicht neben dem
Guten, das sie zu wirken berufen ist, Schädliches stiften durch
eine falsch verstandene Aufforderung Zur Nachahmung." (Folgt
lange Analyse der Kunst van Goghs.)
Ich darf es wohl jedem überlassen sich seine Gedanken
zu bilden über Ihre Gewohnheit zu zitieren. Ich habe mit
Ihnen, Herr Rechtsanwalt, keine geistige Gemeinschaft. Diese
Erklärung soll daher nicht etwa die Initiative zu einer Polemik
sein, sondern nur eine Feststellung. Eine Feststellung auch, dass
ich ebenfalls auf die Auszeichnung Anspruch machen
möchte, neben Männern, die ich aufs Höchste verehre oder
mit denen mich wissenschaftliche Achtung und persönliche
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markter „Herabwürdiger der deutschen Kunst" ehrenvoll
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In vorzüglicher Hochachtung
Dr. Uhde-Bernays.
Nach langem Hin und Her ist die Entscheidung in
der Konkurrenz um ein Bismarck-Nationaldenkmal bei
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Kreis und Hugo Lederer zur Ausführung bestimmt.
Also hat der Spezialist für Bismarck- und National-
denkmale, der Erbauer auch des klotzigen Völkerschlacht-
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den sollte irgendein Bau unmittelbar an den auch an-
wesenden Künstler vergeben werden. Da stand der
Bürgermeister auf und sagte, es ginge doch nicht an,
solchen Auftrag einfach immer an Kreis zu geben, er
fordere eine Konkurrenz. Worauf Kreis sich erhob und
die monumentalen Worte sprach: „Das ist mir ganz
recht, ich gewinne die Konkurrenz ja doch." Er hat
recht, er gewinnt die Konkurrenzen. Er ist recht eigent-
lich ein Wettbewerbstalent, ein Projektkünstler, ein
Entwurfsarchitekt. Er hat ein Architekturpathos, das
sich in monumentalen Kohlezeichnungen wirkungsvoll
darstellt. Zu den fertigen Werken aber wallfahrt dann
der Kunstfreund nicht. Er sieht sie nur von der Eisen-
bahn, vom Dampfer, aus der Ferne an. Mehr neugierig
als ästhetisch erregt. Was Kreis macht, ist architekto-
nischer Plakatstil.
Als Nachfolger in der wichtigen Stellung, die Hein-
rich Wölfflin bisher an der Berliner Universität inne
hatte, ist Professor Adolf Goldschmidt aus Halle be-
rufen worden. Die Wahl ist mit grosser Genugthuung
zu begrüssen. Nicht nur um der ausgezeichneten Ge-
lehrtenqualitäten Goldschmidts willen, sondern auch,
weil dieser Kunsthistoriker hat, was man von einem
Mann in einer solchen auch mittelbar sehr wichtigen
Stellung verlangen muss: Interesse und Verständnis für
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lebendig ringenden Kräften der Zeit zu bekennen.
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