Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912

DOI Heft:
Heft 8
DOI Artikel:
Uhde-Bernays, Hermann: Die Tschudispende
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0398

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
PAUL CEZANNE, STILLEBEN (l

geleiteten Sammlung) zusammenzustellen gerade
noch um 1910 möglich war. Ein weiteres Jahr-
zehnt mag dahingehen — und der nicht immer
ehrlich angefochtene Glaube Tschudis ist der
liebevollen Frage, ob Mode oder nicht, für immer
entrückt. Hätten wir sein Erbe nicht, dann
würden wir in München um eine, und wohl um
die grösste und schmerzlichste jener versäumten Ge-
legenheiten reicher sein, deren Geschichte, als nach-
denkliches Memorandum für deutsche Museums-
leiter gedruckt, wohl auch heute noch gute Dienste
leistete. Tschudi fühlte sich ganz als Prototyp des
kommenden Galeriedirektors, den er in seinen
einleitenden Worten zum Katalog der Sammlung
Nemes aufruft. In die Bresche des staatsbeamtlichen
Gehorsams stellte er die Überzeugung der Persön-
lichkeit, die mit heldenhafter Zuversicht dem Vater-
land Siege erficht.

An der malerischen Kultur der neuen französi-

schen Kunst hing das Herz Tschudis. Ihr Einfluss
auf die Entwickelung der deutschen Kunst, dem er
sorgsam nachging, gab ihm die Grundlage seines
ästhetischen Glaubensbekenntnisses. Dass er nicht
gedankenlos ein abgegriffenes Brevier herunterbetete,
war seinen Feinden willkommen. Umso lebendiger
wurden ihm die Zeichen der kunstgeschichtlichen
Tradition. Mit natürlicher Logik bildete er sich
eine gleichsam genealogische Entwicklung
nach rückwärts. Weil er fortfuhr, vom Schüler
auf den Lehrer zu schliessen, wie wir nach den
Grundsätzen der Vererbungstheorie das Wesen des
Vaters mit den Eigenschaften des Sohnes erklärend
in Zusammenhang bringen, eröffnete sich ihm eine
ungeahnte neue Erkenntnis, deren kritische Ergeb-
nisse weniger bei der Jahrhundertausstellung zu Tage
traten als im Vorjahr bei der gleichzeitigen Eröff-
nung der altdeutschen Säle der Pinakothek und der
Ausstellung der SammlungNemes, wo der malerische

380
 
Annotationen