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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912

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Heft 8
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Lübbecke, Friedrich: Die städtische Galerie in Frankfurt a. M.
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https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0417

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1858, wofür auch der schwärzlich tiefbraune Ge-
samtton spricht. Von hohem Reiz ist auch der hier
abgebildete Hodler, ein Bild aus den neunziger Jahren
(S.^.00). In seiner schlichten ungebrochenen Farbig-
keit und leicht stilisierenden Vereinfachung offen-
bart es die neuschaffende Gestaltung des Meisters
eindringlicher als manche grosse Komposition. Als
seinen Gegenpol möchte man Liebermann bezeich-
nen, von dem die Galerie eine besonders farbige
Judengasse, das Monumentalgemälde Samson und
Delila und ein sehr tüchtiges Porträt des Ober-
bürgermeisters Adickes besitzt. Da besonders das
jetzt im Mannesalter stehende Geschlecht der Frank-
furter führenden Künstler von Liebermann starke
Anregungen empfing, so wird späteren Generationen
ein Nebeneinander von Bildern beider höchst er-
wünscht sein. Aber auch die jüngste französische
Kunst kommt zu Wort. Vor kurzem erwarb die
Galerie ein nach Umfang und Leistung bedeutendes
Bild des jüngst verstorbenen Edmond Cross, ein
durch einen Baum diptychonartig geteiltes Garten-
bild. In dieser virtuosen Leistung hat der Pointillis-
mus deutlich seine Grenze erreicht. Noch hält der
Künstler durch einige, zum Teil schon recht will-
kürliche Farbenbetonungen das bunte Gewoge zu-

sammen, doch erkennt man gerade in diesem um-
fangreichen Bilde, dass eine Fortentwicklung der
Malerei auf diesem Wege ausgeschlossen war. Wie
eine Art Erlösung erscheint einem darnach ein
grosses dekoratives Bild von Maurice Denis —
badende Frauen —, in dem das grosse Format durch
Zusammenziehung der Farbteilchen zu farbigen
Flächen leicht gemeistert ist, ohne dass das Ganze
an Licht und Luft ärmer erschiene.

Den Schluss mache ein bedeutendes Bild von
van Gogh, das Porträt des Dr. Gachet, des ärztlichen
Freundes, der die letzten Tage des Verkannten
teilte. Die Galerie verdankt das kühne Werk einem
ihrer hochherzigen Freunde. Als eins der letzten
Bilder van Goghs ist es zugleich ein ergreifendes
menschliches Dokument. In seiner farbigen Ruhe
und psychologischen Spannung wirkt es wie ein
Alterswerk von Rembrandt und beweist, dass van
Gogh in seinen vollendeten Bildern auch zu voll-
endeten Werken kam, ein Satz, gegen den seine
Feinde so oft flüchtige, unnütz auf den Markt ge-
zerrte Skizzen ins Feld führen. —■

Wenige Jahre erst besteht die Städtische Galerie
zu Frankfurt. Möge ihrem Anfang ihre Zukunft
entsprechen!

MAURICE DENIS, FRÜHLING

199
 
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