Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912

DOI issue:
Heft 9
DOI article:
Voll, Karl: Zwei altniederländische Varianten des Feigenblattes
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0484

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
des Künstlers Freude an dem Schatz der neuen, aus
dem Süden übernommenen Zierformen. Hierherrscht
schon die reife nordische Renaissance, vielleicht ist sie
in manchen Details sogar schon der Überreife nah und
doch klingt überall in der Berechnungund vielfältigen
Modellierung der Formen noch durch, dass Mabuse
in spätgotischer Kunstübung erzogen worden war.
Recht im Einklang damit schien mir immer der
barocke Charakter des Ganzen und damit wieder
der Umstand, dass Poseidon an Stelle eines Feigen-
blattes eine sehr zackige Muschel trägt. Trotzdem
sich dieser gewiss sonderbare Umstand durch rein
kunstgeschichtliche Erwägungen erklären lässt,
zweifle ich heute doch daran, ob meine frühere,
oben gegebene Anschauung sich halten lässt.

EsgiebteinBuch über Amerika, dasvonAmerica-
nasammlern sehr geschätzt ist, weil es die Zweitälteste
Ansicht von New York oder vielmehr eine Kopie der
ältesten enthält. DasBuch ist von Dr. O. Dapper 1673
in Amsterdam veröffentlicht worden und hat den
Titel: „Die Unbekannte Neue Welt oder Beschreibung
des Weltteils Amerika und des Süd-Landes etc."

Der Verfasser behauptet auf dem Titel, dass die
Abbildungen nach den von ihm im Lande selbst ge-
machtenBeobachtungen hergestellt seien. Ich zweifle
aber daran, weil ich keine einzige nur annähernd
richtige Abbildung der für Amerika charakteristi-
schen Kakteen fand. Da fiel mir nun folgende Stelle
im Text S. 3 1 9 bei der Beschreibung des Städtleins
Nata in der Nähe von Panama auf: „Sie gehen ganz
nackt, ausgenommen, dass die Männer ihr männ-
liches Glied in einem Schneckenhorne verbergen."

Wenn der Verfasser nicht im Lande selbst war,
sondern nur aus der von ihm ja auch reichlich an-
gegebenen alten Literatur über Amerika geschöpft
hat, dann mag er doch wohl auch bei dieser Notiz
einer alten Quelle gefolgt sein. Es scheint mir nicht
ausgeschlossen, dass Mabuse, der in seiner Heimat
leicht mit Seefahrern zusammenkommen konnte,
von einem solch merkwürdigen Bekleidungsstück
der Eingeborenen gehört hat, und dass er es für
eine Tafel benutzte. Das wäre nun ein sehr inter-
essanter Fall und vielleicht der erste von einer Be-
einflussung niederländischer Kunst durch Amerika.



MAX LIEBERMANN, BEI DER KÖNIGIN GEBURTSTAG IN AMSTERDAM. I904

466


 
Annotationen