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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912

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Heft 10
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Royère, Jean: Paul Cézanne: Erinnerungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0496

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Ich traf Cczanne im Jahre [1894 in unserer
Vaterstadt Aix, bei dem Dichter Joachim Gascjuel,
einer von denen, die. ihn am besten gekannt haben,
ehe der Maler aus seinem Dunkel hervorgetreten
war (Cezanne war zu jener Zeit noch nicht von
Vollard aufgesucht worden und hatte noch keinen
Haufen von Bewunderern gefunden). Seine Be-
scheidenheit schien mir ebenso unerschütterlich wie

Ich erinnere mich der Bewegung, die mich er-
griff, als Gasquel mich vor eine seiner Leinwanden
führte. Zwei Frauen im Vordergrund, zwei alte
Frauen, die auf ein Stück Aixer Land blicken:
„Sieh! das malt Cezanne jetzt. Was sagst du dazu?"
Ich blieb lange stumm, überliess mich dann aber
meiner Begeisterung. Doch Cczanne nahm mich
bei der Hand und ich sah ihn ernst, bewegt, zitternd.

PAUL CEZANNE. HERRENBILDNIS

sein Glaube. Er war damals fünfzig Jahre alt. Sein
Äusseres war fast das eines Vierundsechzigers: gross,
ein wenig gebeugt, mit gesunder Gesichtsfarbe, fast
weissem Bart und spärlichem Haar, die Augen
ausserordentlich scharf, die Züge von äusserster
Lebhaftigkeit, hatte er ein verwittertes, fast bäue-
risches Aussehen. Nervös, dass es ihn nicht auf
einer Stelle litt, brach er in lautes Lachen aus und
ward dann plötzlich finster. Seine Sonderbarkeiten
verrieten eine bittere Reizbarkeit.

Er sagte: „Ich bin ein einfacher Mensch. Man
braucht mir keine Komplimente zu machen und
nicht mich aus Höflichkeit zu belügen." Ich sage,
was ich denke, erwiderte ich, ich bedauere, wenn
ich es ungeschickt sage! Ihr Bild ist keine Wieder-
gabe der Natur, es löst etwas aus. Es erweckt
keine Vorstellung, es malt. Und das ist ganz unser
Land, seih Antlitz und seine Seele. Von meiner
Aufrichtigkeit schliesslich überzeugt, weinte der
grosse Mann: „So wäre mein Leben nicht verfehlt!

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