GRECO, CHRISTUS
AUSGESTELLT IM SONDERBUND, KÖLN
man das Bild „Zwei Menschen" auch „Vor dem Lust-
mord" nennt. Er tritt an uns heran, Cezanne müssen wir
erst hervorlocken. Wenn man das bedenkt, kommt man
zu dem Schluss, dass die Ausstellung die rein zahlen-
mässigen Akzente unter den beiden schlecht verteilt hat.
Mit der imponierenden Zahl von 105/ Werken tritt
van Gogh momentan vor Cezanne. Die Serie umfasst
die ganze Entwicklung van Goghs, und wenn manches
dabei ist, das einen reinen Genuss nicht aufkommen
lässt, so macht doch das Ganze mit der schöneren Ar-
lesienne, einem Schlafzimmer, den Sonnenblumen, den
Gärten aus Alles, um nur einiges zu nennen, den Ein-
druck, dass wir vor einer Persönlichkeit stehen, die
wie Rembrandt gross und providentiell ist. Die Ein-
sicht von seiner entwicklungsgeschichtlichen Bedeutung
geht vor den Bildern der modernen Abteilung immer
wieder auf. Wenn man sich auch natürlich davor
hüten muss, in jeder funktionell differenzierten
Technik oder im Anlauf dazu, eine Wirkung van Goghs
zu sehen, so erkennt man doch fast allenthalben in der
modernen Entwicklung seinen Einfluss. Er ist manch-
mal weniger sichtbar, als der von Cezanne im gege-
benen Falle sichtbar ist, aber er ist da und als Mut
zum vitalen Ausdruck und zum Lokalton, zur Durch-
brechung alles Farbtraditionellen wirksam.
Kommt man von van Gogh zu Cezanne, so
ist dieser noch zurückhaltender als sonst. Erst wenn
man längere Zeit wieder mit ihm zusammen ist, ent-
faltet sich das Köstliche, Altmeisterliche seiner Bild-
nisse und Landschaften. Mit einem Mal sind wir darin
und gehen auf im Sphärischen seiner Stimmung.
Vor den Werken der beiden Letztgenannten ist
das Interesse schon in eine höhere Kategorie des
Empfindens gehoben; anderwärts rührt es sich manch-
mal nicht mehr, da wir die gute Klasse (Der Schweiz
z. B.) kennen. Vieles in dieser Ausstellung aber fällt
auf und interessiert auch dauernd.
Der gut organisierte ungarische Saal zeigt viel
Wärme und ernstes Streben. Kernstock ist bemer-
kenswert. Österreich bringt mitKokoschka die stärkste
Begabung unter den Jungen.
In München erstarkt die weniger gegen die Alten,
als gegen die Scholle gerichtete Bewegung zum
Guten an einigen tüchtigen Talenten: Kaspar und
Weisgerber. Benin verdient unbedingt Beachtung.
Auch der Badenser Freyhold.
Man macht dem Sonderbund besonders in Düssel-
dorf den Vorwurf, durch Bekanntmachung mit der
französischen Kunst die rheinischen Talente ver-
dorben zu haben. Wenn man nun auch annehmen
kann, dass die meisten nur auf die Kunst pochen, und
den Säckel meinen, so gibt es doch auch ehrlich Über-
zeugte. Die muss die Austeilung zur Umkehr be-
wegen. Es ist natürlich schlimm, sehen zu müssen,
dass Cezanne tale quäle ein neues Anwendungsgebiet
inClarenbachund Deusser gefunden hat. Aber Claren-
bach war immer nur ein Anempfinder, und Deusser
kommt vielleicht wieder auf den vielversprechenden
Weg zurück. Die Ausstellung giebt also einen endgültig
auf, den wir eigentlich nur kurze Zeit gehabt haben,
und überweist den andern einer hoffentlich bald
kommenden Einsicht. Giebt Bretz unverändert gut
und die Anweisung auf vier neue, die erst an der
französischen Kunst zu dem geworden sind, als die sie
vor uns treten. Bei Lehmbruck ist die Entwickelung
seit dem Weggang von Düsseldorf evident. Und auch
aus den Malern Karli Sohn, Macke und Nauen wäre
sicher in Düsseldorf nicht viel geworden. Französische
Kunst hat ihnen die Hände gelöst. Sohn verspricht
viel. Wenn er seine Entwicklung in Düsseldorf verbracht
hätte, wäre er wahrscheinlich geworden, was seine Brüder
Sohn-Rethel sind, tüchtige Maler, bei denen man sich
aber immer nach dem entwickelungsgeschichtlichen
Zweck fragen muss. Darin ist diese Ausstellung für
Westdeutschland von perspektivischer Bedeutung: sie
zeigt die Notwendigkeit, zum Besten der rheinischen
Kunst die ausländische heranzuziehen.
512
AUSGESTELLT IM SONDERBUND, KÖLN
man das Bild „Zwei Menschen" auch „Vor dem Lust-
mord" nennt. Er tritt an uns heran, Cezanne müssen wir
erst hervorlocken. Wenn man das bedenkt, kommt man
zu dem Schluss, dass die Ausstellung die rein zahlen-
mässigen Akzente unter den beiden schlecht verteilt hat.
Mit der imponierenden Zahl von 105/ Werken tritt
van Gogh momentan vor Cezanne. Die Serie umfasst
die ganze Entwicklung van Goghs, und wenn manches
dabei ist, das einen reinen Genuss nicht aufkommen
lässt, so macht doch das Ganze mit der schöneren Ar-
lesienne, einem Schlafzimmer, den Sonnenblumen, den
Gärten aus Alles, um nur einiges zu nennen, den Ein-
druck, dass wir vor einer Persönlichkeit stehen, die
wie Rembrandt gross und providentiell ist. Die Ein-
sicht von seiner entwicklungsgeschichtlichen Bedeutung
geht vor den Bildern der modernen Abteilung immer
wieder auf. Wenn man sich auch natürlich davor
hüten muss, in jeder funktionell differenzierten
Technik oder im Anlauf dazu, eine Wirkung van Goghs
zu sehen, so erkennt man doch fast allenthalben in der
modernen Entwicklung seinen Einfluss. Er ist manch-
mal weniger sichtbar, als der von Cezanne im gege-
benen Falle sichtbar ist, aber er ist da und als Mut
zum vitalen Ausdruck und zum Lokalton, zur Durch-
brechung alles Farbtraditionellen wirksam.
Kommt man von van Gogh zu Cezanne, so
ist dieser noch zurückhaltender als sonst. Erst wenn
man längere Zeit wieder mit ihm zusammen ist, ent-
faltet sich das Köstliche, Altmeisterliche seiner Bild-
nisse und Landschaften. Mit einem Mal sind wir darin
und gehen auf im Sphärischen seiner Stimmung.
Vor den Werken der beiden Letztgenannten ist
das Interesse schon in eine höhere Kategorie des
Empfindens gehoben; anderwärts rührt es sich manch-
mal nicht mehr, da wir die gute Klasse (Der Schweiz
z. B.) kennen. Vieles in dieser Ausstellung aber fällt
auf und interessiert auch dauernd.
Der gut organisierte ungarische Saal zeigt viel
Wärme und ernstes Streben. Kernstock ist bemer-
kenswert. Österreich bringt mitKokoschka die stärkste
Begabung unter den Jungen.
In München erstarkt die weniger gegen die Alten,
als gegen die Scholle gerichtete Bewegung zum
Guten an einigen tüchtigen Talenten: Kaspar und
Weisgerber. Benin verdient unbedingt Beachtung.
Auch der Badenser Freyhold.
Man macht dem Sonderbund besonders in Düssel-
dorf den Vorwurf, durch Bekanntmachung mit der
französischen Kunst die rheinischen Talente ver-
dorben zu haben. Wenn man nun auch annehmen
kann, dass die meisten nur auf die Kunst pochen, und
den Säckel meinen, so gibt es doch auch ehrlich Über-
zeugte. Die muss die Austeilung zur Umkehr be-
wegen. Es ist natürlich schlimm, sehen zu müssen,
dass Cezanne tale quäle ein neues Anwendungsgebiet
inClarenbachund Deusser gefunden hat. Aber Claren-
bach war immer nur ein Anempfinder, und Deusser
kommt vielleicht wieder auf den vielversprechenden
Weg zurück. Die Ausstellung giebt also einen endgültig
auf, den wir eigentlich nur kurze Zeit gehabt haben,
und überweist den andern einer hoffentlich bald
kommenden Einsicht. Giebt Bretz unverändert gut
und die Anweisung auf vier neue, die erst an der
französischen Kunst zu dem geworden sind, als die sie
vor uns treten. Bei Lehmbruck ist die Entwickelung
seit dem Weggang von Düsseldorf evident. Und auch
aus den Malern Karli Sohn, Macke und Nauen wäre
sicher in Düsseldorf nicht viel geworden. Französische
Kunst hat ihnen die Hände gelöst. Sohn verspricht
viel. Wenn er seine Entwicklung in Düsseldorf verbracht
hätte, wäre er wahrscheinlich geworden, was seine Brüder
Sohn-Rethel sind, tüchtige Maler, bei denen man sich
aber immer nach dem entwickelungsgeschichtlichen
Zweck fragen muss. Darin ist diese Ausstellung für
Westdeutschland von perspektivischer Bedeutung: sie
zeigt die Notwendigkeit, zum Besten der rheinischen
Kunst die ausländische heranzuziehen.
512