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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 10.1912

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Heft 12
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Scheffler, Karl: Slevogts Improvisationen: Notizen zu Bildern aus der Sammlung Ed. Fuchs
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https://doi.org/10.11588/diglit.4707#0606

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Ein solches Bild leitet freilich schon hinüber
zu den Werken einer rein darstellenden, einer auf
Eindrucksstudien fussenden Malerei. Dasselbe thut
eine vom Balkon aus pastellierte Strassenansicht
Unter den Linden am Abend von Kaisers Geburts-
tag. Zum Leitmotiv ist dieser Arbeit die grell-
stürmische Farbigkeit der Fahnen geworden. Be-
sonders ein Rot drängt sich schmetternd hervor.
Es ist sehr merkwürdig, wie sich der Erinnerung
des Künstlers die Feststimmung des Abends in
dieser Weise zusammengedrängt hat. Man kann auch
hier ein illustratives, ein geistreich gewordenes
Sehen konstatieren.

Einige Skizzen vom Rennplatz haben eben-
solche Merkmale; halb sind es Studien, halb Illu-
strationen. Sogar in einem frühen Stilleben ist
diese Lust an Gedankenzuspitzungen. Dargestellt
ist ein Paradiesvogel unter einer Glasglocke. Sle-
vogt hat daraus etwas wie ein Loblied auf das
Kostbare und Seltene überhaupt gemacht. Er hat
andere bijouartig glänzende Gegenstände hinzu-
gefügt und den leblosen Dingen die Romantik sei-
ner Phantasie mitzuteilen verstanden.

Als das Denkmal eines Wollens, das die bei-
den Talentkräfte, die des Malers und Illustrators,
unlöslich vereinigen wollte, steht das Triptychon

„Der verlorene Sohn" mit Recht im Mittel-
punkt der Sammlung Eduard Fuchs'. (Abbildung
Seite 578.) Auf dieses grössere Bild weisen die
Improvisationen — für die das kleinere Format
charakteristisch ist — alle in irgendeiner Weise
zurück. Heute hat dieses Werk bereits etwas
Historisches. Für Slevogt ist es etwa gewesen, was
die „Olympia" für Manet, was die „Netzflicke-
rinnen" für Liebermann waren: ein höchstes
Resultat des noch altmeisterlich gefesselten, aber
auch altmeisterlich befestigten Talents. Es steht
zugleich über und unter den späteren Arbeiten.
Auch Slevogt wiederholt in seiner Entwickelung
das Schicksal aller lebendigen Begabungen un-
serer Jahrzehnte; auch er zeigt — wie Manet
und Monet, wie Liebermann und Trübner es zei-
gen — dass eine bedeutende Einheitlichkeit ge-
sprengt werden musste, damit ein Neuland der
Malerei betreten und erobert werden konnte. Der
altmeisterliche Synthetiker Slevogt musste einer-
seits zum Impressionisten und andererseits zum illu-
strierenden Improvisator werden, er musste sein
Talent nach zwei Seiten zugleich interessieren, um
ein selbständiger moderner Maler werden und zu-
gleich doch auch dem poetischen Drang seiner
reichen Natur genugthun zu können.

MAX SLEVOGT, FRESSENDER LÖWE. I90I

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