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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 12.1914

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Heft 1
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Scheffler, Karl: Architektonische Monstra
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https://doi.org/10.11588/diglit.4753#0088

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DAS NEUE RATHAUS IN HANNOVER

ARCHITEKTONISCHE MONSTRA

I
EIN KOMMUNAL PALAS1

In dieser Zeitschrift gilt im allgemeinen der Grundsatz,
nur über das Gute in der Kunst zu sprechen und das
Schlechte wortlos seinen kurzen Schicksalen zu über-
lassen. Aber es giebt Beispiele des Schlechten, die
symptomatische Bedeutung haben, die so krass auf die
Verderbtheit des Zeitgeschmacks weisen, dass auf sie
hinzuzeigen zur Pflicht wird.

Ein solches Beispiel des Schlechten ist der neue
Rathausbau, den sich die Stadtverwaltung von Hannover
hat errichten lassen. Anlass dieses Bauwerk kennen
zu lernen war der Wunsch das neue Wandbild Hod-
lers zu sehen.* Der Eindruck dieses interessanten,
mit lebendiger Alemannenkraft überstilisierten Bildes
trat dann aber zurück — um so mehr, als es in einem zu
kleinen Raum und an einer Wand, wo es der Herein-
tretende nicht sehen kann, nicht voll zur Wirkung
kommt — vor den Gefühlen, die sich angesichts der
gehäuften Parvenüpracht der Aussen- und Innen-

* Kunst u. Künstler, Jahrg. XI. S. 524.

architektur einstellen. Man muss ja wohl annehmen,
dass die Stadtvertreter Hannovers dieses Haus schön
finden, denn sonst hätten sie nicht Millionen dafür be-
willigt. Da diese Männer nun die bürgerliche Kultur
unserer Zeit in vielen Punkten repräsentieren, so erhält
dieser Bau etwas wie eine symbolische Bedeutung. Der
Leser kann sich diesen Kommunalpalast nicht leicht zu
arg vorstellen. Die Abbildung, eine Aufnahme von der
günstigsten Seite, giebt nicht entfernt eine Vorstellung
davon, bis zu welchem Grade die Architektur in diesem
Bauwerk entartet erscheint. Die Schmuckmotive sind
überall in einer so unfähigen und anmassenden Weise
gehäuft, sind formal so schülerhaft gebildet, so sinnlos
den mit professionsmässigem Akademismus zusammen-
gefügten Baugliedern verbunden und so renommistisch
für die Wirkung auf Ignoranten berechnet, dass man den
Gesamteindruck der riesigen, aus edlem Stein gefügten
Gebäudes unanständig nennen muss. Und das Innere
entspricht durchaus dem Äusseren. In allen Höfen,

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