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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 6
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0260

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dieser Gelegenheit die einzelnen Bilder durchzusprechen
und den Schwankungen der Qualität im besonderen zu fol-
gen. Vieles ist den Lesern dieser Hefte schon aus Abbil-
dungen und Besprechungen bekannt; anderes war neu und
darum nur um so willkommener. Manches war schwach,
einiges zweifelhaft; im ganzen war der Eindruck aber hier
und dort beglückend. Selbst in Paris sieht man ähnlich bedeu-
tende Ausstellungen nicht oft.

Am meisten zu denken gab der Umstand, daß diese Aus-
stellungen von französischen Impressionistenbildern ein großer
Erfolg waren. Die Besucher drängten sich, es wurden die Aus-
stellungen wie Ereignisse empfunden. Über die Psychologie
dieses Erfolges ließe sich manches sagen, gewisse Schlußfolge-
rungen drängen sich auf. Fragt sich nur, ob diese Schlußfolge-
rungen von denen, die es zunächst angeht, gezogen werden.
Die wichtigste Lehre für junge Maler ist, daß es verhältnis-
mäßig leicht ist, aus dem Kopf, mit der abstrakten Phan-
tasie , irgend etwas zu gestalten, das im Augenblick nach
etwas aussieht und tiefer erscheint, als es ist, daß die Probe
der Begabung aber erst vor der Natur und im Gestalten
nach der Natur gemacht wird. Es darf nicht gefordert wer-
den, daß die Lebenden so viel Talent haben wie Manet,
Renoir, Cezanne oder van Gogh; aber es ist entscheidend,
ob sie dieselbe Art von malerischer Phantasie haben. Nur
die Phantasie, der das Sehen zum Schauen wird, die vom
Erlebnis des Auges ausgeht, bringt Meisterwerke hervor.
Das haben die Ausstellungen bei Thannhauser und Perls
wieder bestätigt; und der Erfolg läßt hoffen, daß diese Wahr-
heit sich endlich wieder Bahn bricht nach einer Epoche
kranker Abstraktion.

Eine Bestätigung gab die große, sorgfältig und gut ge-
machte Kokoschka-Ausstellung bei Paul Cassirer. Es ließ
sich die Entwicklung Kokoschkas gut verfolgen. In einer
wienerisch-prärafFaelitischen Manier hat er geistreich, aber
etwas spitz und süßlich begonnen. Dann sind ihm in einer
Manier, die an Greco und Münch denken läßt, seine besten,
ähnlichsten und ausdrucksvollsten Bildnisse gelungen; die
neueren Arbeiten dagegen befriedigen nicht. Sie möch-
ten malerisch und koloristisch sein. Doch beherrscht Ko-
koschka weder die Farbe noch den Ton; er bleibt immer
Zeichner. Die wichtigsten neuen Bilder sind ein großer
Löwe, ein Kater, eine Rehgruppe, ein Mandrill, ein Frauen-
bildnis und ein dekorativer Akt. In allen diesen Bildern
sind gute, sogar sehr gute Stellen, im ganzen aber fehlt
die Beherrschung und Gestaltung. Kokoschka kennt nicht
das Geheimnis, wie die entscheidenden künstlerischen Wir-
kungen erzielt werden, dem aufs Bedeutende zielenden
Willen fehlt der Sinn für die Organisation der Mittel. Die
Ursache aber ist zu großen Teilen, daß die Natur nicht ge-
nügend befragt wird; es soll alles aus dem Inneren kom-
men — mit dem Effekt, daß der Gesamteindruck des großen
Saales an den Glaspalast denken ließ. Vor der Cezanne-
Wand bei Thannhauser dachte man nicht an Cezanne, son-
dern an das gewaltig brausende Leben; die Gesamtheit der
Bilder Kokoschkas wirkte nur wie ein Beitrag zur Biographie
des Malers. Und diese Biographie ist nicht sehr interessant.
Groß persönlich wirkt letzten Endes nur, wer sich dem Ob-
jektiven hingibt; Kokoschka aber glaubt, alles Objektive sei
nur da, um Speise für seine reizbaren Empfindungen zu sein.

Wir sind am größten, wo wir am meisten Werkzeug sind;
Kokoschka drängt sich zu herrisch mit seinem Ich vor. Darum
denkt der Betrachter vor seinem riesigen Löwen, daß Ober-
länder diese Art von Charakteristik auf fünfzig Quadratzenti-
metern mit dem Zeichenstift wirkungsvoller ausgedrückt hat,
daß Sievogt ein Sujet wie den Kater anspruchsloser, aber viel
besser malt, daß der Akt in der romantisch dekorativen Land-
schaft oder das Bildnis der auf dem Boden sitzenden Dame
(hinter der ein mit wenigen Strichen schlagend gegebener Hund
späht) palettenhaft bleibt, und daß der Mandrill, daß die Rehe
nur Werke einer kühn sich gebärdenden Verlegenheit sind.
Kokoschka hat zweifellos Talent. Sein Unglück — bei äußerem
Erfolg — ist, daß er um jeden Preis originell sein will und dar-
über die wahre Originalität preisgibt. K. Sch.

MAGDEBURG

In Magdeburg wird eifrig gearbeitet an den Bauten für
die Deutsche Theaterausstellung, die bereits im Mai dieses
Jahres ihre Tore öffnen soll. Auf der Elbinsel, die sich
einer der größten und ältesten öffentlichen Parkanlagen
Europas rühmt, standen, im Halbkreisbogen auf einen See
sich öffnend, die Hallen einer früheren Ausstellung, die im
Inneren umgestaltet und an ihrer bisherigen Rückseite er-
weitert werden, um ihre neue Front einem großen Hofe zu-
zuwenden, der den Mittelpunkt der Theaterausstellung bilden
soll. Deffke hat hier bereits vor Jahresfrist zu bauen be-
gonnen, bis die Arbeiten eingestellt wurden, da sich die
Notwendigkeit ergab, den Zeitpunkt der Ausstellung zu ver-
schieben. In diesem Jahre hat man Albinmüller aus Darm-
stadt berufen und ihm die Bauleitung übertragen. In den
Mittelpunkt der bestehenden Anlage setzt er ein hohes Ge-
bäude, das eine Versuchsbühne aufnehmen soll, an die Ein-
gangsseite einen sechzig Meter hohen Turm, der von einer
hohen Laterne aus Glas bekrönt werden soll. Die Laterne
wird abends von innen farbig erleuchtet sein und als weit-
hin sichtbares Wahrzeichen dienen. In ihrem Inneren soll
ein kleines Aussichts-Restaurant Platz finden. Das Haupt-
gebäude aber wird die große Elbhalle sein, die den Aus-
stellungshof abschließt. Ihr Erbauer ist der Magdeburger
Stadtbaurat Göderitz. Ihre Seitenfronten werden durch hohe,
schwere Pfeiler aus dunklen Klinkern gegliedert, zwischen
denen Glaswände emporsteigen. Der Hallenbau ist dem Hof
quer vorgelagert, sein eigentlicher Eingang liegt also seitlich
und außerhalb des Ausstellungshofes, außerdem wird er von
diesem in Zukunft durch eine Hauptverkehrsstraße getrennt
sein, die im Zusammenhang mit der Stadterweiterung am
Elbufer geplant ist.

Die Beschreibung läßt erkennen, daß die Anlage zu grund-
sätzlichen Bedenken allerlei Anlaß gibt. Man vermißt die
Einheitlichkeit der Planung. Auch scheint es bedauerlich,
daß die natürliche Schönheit der Lage an dem Seeufer nur
den rückwärtigen Restaurationsgebäuden zugute kommt.
Eine erste Besichtigung der Gebäude weckte nicht den
Eindruck, daß von den möglichen Lösungen einer bedeuten-
den Bauaufgabe hier die beste gefunden worden sei. Auch
wurden die Bedenken nicht zerstreut, die sich natürlicher-
weise dagegen erheben, daß eine repräsentative Deutsche
Theaterausstellung in einer Stadt errichtet wird, die selbst
einer künstlerischen Tradition bar ist. G.

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