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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 6
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0262

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daß er auf seine eigenen meisterhaften Anfänge zurückgriff,
um seine gute Malerei nicht 'zu verlieren, ob er zur eigenen
Freude oder etwa wegen eines Auftrags sein eigenes Frühwerk
kopierte, also damals schon sich selbstkopierte, wissen wir nicht.
Das Lahme, was sonst Kopien eigen ist, sieht man diesem Stück
nicht an, es wirkt frisch und lebendig wie ein Original.

Den Mittelpunkt der Ausstellung, nicht nur in chrono-
logischer, sondern auch in künstlerischer Beziehung, bildet
die Reihe der um 1890 entstandenen Landschaften aus
Seeon und vom Chiemsee, aus der Zeit, da Trübner nach
Überwindung des toten Punktes in seiner Entwicklung durch
erneuten Anschluß an die Natur der große Landschafter
wurde. Diese acht Bilder, von denen nur zwei und nicht
die unbedingt bedeutendsten in Museen sind (Hamburg und
Elberfeld), stellen einen Höhepunkt schlechthin dar. Es ist
schöpferische Kunst der Landschaftsmalerei, die sich durch-
aus neben dem besten Thoma behauptet. Dies ist der
Trübner, den man zu Unrecht ein wenig vergessen hatte.

Gegenüber dem späten Trübner und seinem immer mehr
in die Breite wachsenden Schaffen als Landschafter, dem
„grünen" Trübner, war die Auswahl besonders schwierig. Es

gibt aus den letzten zwei Jahrzehnten seiner Produktion
reichlich viele Nieten, Selbstwiederholungen, belanglose
Varianten, mißglückte Repliken, nicht nur aus der Zeit am
Starnberger See, sondern schon vorher, aus der Zeit von
Amorbach und Hemsbach. Aber kaum ein leeres Bild ist
vorhanden in dieser Ausstellung, fast immer das beste Stück
von mehreren und fast immer die bedeutendsten Leistungen
aus einer Serie, wie etwa der von Stift Neuburg. Und wenn
in zwei Fällen zwei Exemplare eines Bildes aufgehängt sind,
so sieht man sofort, weswegen und erfaßt sowohl die Spann-
weite als auch die Begrenzung dieser magistralen Land-
schaftsmalerei, die in ihrer Fruchtbarkeit und manchmal
auch durch ihre Sorglosigkeit als letztes Wort des Künstlers
die Gesamtvorstellung von seiner Kunst in der Erinnerung
etwas allzu einseitig beeinflußte.

Diese Ausstellung, glänzend gemacht und meisterhaft
gehängt, wird dem ganzen Trübner gerecht, diesem so reichen
und vielseitigen großen Maler. Und jeder Künstler hat den
Anspruch darauf, von der Nachwelt nach dem Besten, was
er geschaffen hat, beurteilt zu werden. Dies ist nicht nur
gefühlsmäßig, sondern auch historisch die beste Ehrung.

BOUDIN-AUSSTELLUNG

l^Vie Galerie Duraud-Ruel hat eine interessante Ausstellung
von Werken Boudins veranstaltet.

Im Jahre 1824 geboren, gehört er zu den kleinen Meistern
des neunzehnten Jahrhunderts, die, obwohl sie ihre ganz aus-
gesprochene Eigenart hatten, von ihren großen Zeitgenossen
in den Schatten gestellt wurden. Jetzt, wo uns der Glanz
jener Sterne erster Ordnung nicht mehr so übermächtig blen-
det, wird es uns möglich, ihren Trabanten eine größere Auf-
merksamkeit zuzuwenden. Zu ihnen gehört Boudin.

Wenn auch nicht Marinemaler im eigentlichen Sinn, so
doch der Maler der am Meer liegenden Landschaften, liegt
seine Stärke in der Wiedergabe des ruhigen Wassers, in dem
sich das Gewirr der Masten spiegelt, der großen, einsamen
Strandflächen, der weiten Himmelswölbungen, über die ein-
zelne Wolken jagen. Dieser Teil seines Schaffens war es,
der die Bewunderung seiner Zeitgenossen in ganz besonderem
Maß erregte. Courbet, dessen Liebenswürdigkeit nicht ge-
rade sprichwörtlich war, kargte nicht mit Ausdrücken seiner
Anerkennung, Corot nannte ihn den „König des Himmels"
und Baudelaire verherrlichte mit lyrischem Schwung diese
sturmgepeitschten Bilder, diese Gewitterstimmungen, deren
Schöpfer den holländischen Meistern würdig an die Seite zu
stellen sei. — Zeitweise auch von Troyon beeinflußt, malte
er eine große Anzahl von Bildern mit weidenden Kühen.

Vergebens wird man bei Boudin nach überraschenden
Farbenwirkungen suchen, eine ausgeglichene Skala, in der
die Töne sich harmonisch aneinanderreihen, herrscht überall,
und das Gleichgewicht wird bewußt erreicht. Seine Technik
ist glatt, die Farbe dick aufgetragen.

Die Jahre 1880 bis 1882 bilden eine reizvolle Epoche
seines Schaffens, in der, wie wir es ebenso bei den hollän-
dischen Malern derselben Zeit finden, der Einfluß der Co-

rotschen Bilder aus Italien auf ihn wirkte. Hierzu gehören
die kleinen Bilder aus Berck, auf denen ein düsterer, grauer,
nördlicher Himmel, der ihm immer besonders gut gelang,
den größten Teil der Leinwand einnimmt, während er den
neutralen Grund des Sandes mit farbig gekleideten Frauen
und Kindern belebt, um unter diesem Vorwand zarte har-
monische Töne, ein Blau und ein Rosa, wie es Guardi liebte,
anzubringen, das er dann und wann auch bis zu den leb-
hafteren Farben einer Fahne steigerte. Später wird der Ein-
fluß Courbets stärker fühlbar, unter dem seine Farbenskala
tiefer, gedämpfter, konzentrierter, seine Technik energischer
wird. In dieser Zeit malt er das rauhe Leben der Fischer,
ihre großen dunklen Barken mit schlappen Segeln, oder auch
nur das Meer, das weite offene Meer, und wenn er auch
darin nicht der Meisterschaft und Kraft Courbets nahekommt,
so weiß er auch hierin energisch seine persönliche Note zu
entwickeln. Gegen Ende seines Lebens kehrte er wieder zu
einer größeren Farbigkeit und Wärme des Ausdrucks zurück,
wobei seine Technik immer leichter und durchsichtiger wurde,
so daß sie oft die Wirkung eines Aquarells erzielte. In jener
Zeit malte er mit Vorliebe im Süden, wo die Farben einen
größeren Glanz haben, und wohin so viele Maler am Ende
ihrer Laufbahn pilgerten, um sich dem Zauber des Mittel-
meerlichts zu ergeben.

Nach dieser Übersicht erscheint uns Boudin als einer
jener Meister zweiter Ordnung, deren Bilder man gern be-
trachtet, auch nachdem man die großen Meister kennt. Ja,
vielleicht genießt und versteht man die Großen besser durch
das Schaffen ihrer Trabanten, denn sicherlich wirken die
ersten Werke Renoirs verständlicher auf uns, nachdem wir
wissen, daß Boudin sein erster Lehrer war.

M. Dormoy.

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