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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 9
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Harms, Ernst: Der malende Strindberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0370

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Schicksals nach 1900 bringt auch eine neue Ände-
rung seiner Malerei mit sich. Der nach Harmonie
und Lebenszusammenhängen bis nach dem Kos-
mischen hin Suchende malt nun nicht mehr, um
sich von unaussprechbarer Seelenqual zu erlösen.
Die nunmehr entstehenden Bilder haben auf Har-
monie und Schönheitserlebnisse abgestimmte Natur-
schilderungen zum Inhalt. Wohl bildet auch hier
ein Symbolisches den Hintergrund. Aber die immer
wiederkehrenden Motive: stille Buchten, friedliche
Talausblicke, blumige Hänge und blühende Hage,
weite strahlende Seestücke mit hohem, blauem Him-
mel, Sonnenauf- und -Untergänge sagen deutlich,
welcher Seeleninhalt durch sie sprechen soll. Rhyth-
misierende Pflanzendarstellungen reden von seinen
der Goethischen Metamorphosenlehre ähnlichen
Gedanken. Auch die Farben entsprechen dem auf-
gehellten Seelenleben: sie sind leuchtend hell und
oft sogar warm. Die Technik ist in ihren Extra-
vaganzen gemildert. Wie Harriet Bosse mir be-
richtet, hat Strindberg nunmehr nur um auszuruhen
und zur Entspannung gemalt.

* ...
Im Grunde aber ist die Frage, was einen uni-
versalistisch angelegten Geist zu dieser oder jener
Auswirkung drängt, doch nicht nur eine solche,
die innerhalb des Lebensfeldes dieser Persönlichkeit
allein ihre Bedeutung hat. Zweitellos ist der „ma-
lende" Strindberg zunächst nur eine „biographische"
Angelegenheit und ein „psychologischer" Fall. So
gewiß aber die Malerei des Jugendlichen, sich
Suchenden, als eine allgemein menschliche Entwick-
lungstatsache zu verstehen ist, so gewiß ist jener
Natursymbolismus des Ringenden in seiner Art
eine Sonderheit, die sich allein auch nicht aus
jenem in Strindberg zweifellos noch wachen alt-
nordisch-mythologischen Naturerleben, aber auch
nicht als „zeitsymptomatische Erscheinung" be-
greifen läßt. Sind doch diese Malereien nicht Ge-
schöpfe eines sich in ihnen frei auslebenden Ma-
lers, sondern eines vor allem wortschaffenden Gei-

stes, der nur mit dem ihm Unsagbaren ins Bild und
Symbol flüchtet. Ihr Entstehen begreift man deshalb
nur aus dem Strindberg-Schicksal heraus. Es ist
derselbe Lebensabschnitt, in dem die sinnbildlichen
Bilder zu entstehen beginnen, in dem er auch
jene dramatischen Feinmeißeleien der menschlichen
Psyche schafft, die niemand sonst vollbracht hat.
Auch sie haben jene Erfahrungen zum Untergrunde,
die in Gemälden ausgeformt sind. Beide entstam-
men demselben inneren Zustande. Ja man darf
ruhig sagen: hätte Strindberg jene Erschütterung-
Erlebnisse durchs Wort zu gestalten vermocht, er
hätte sie zum mindesten auch „verdichtet" und
nicht nur gemalt. Jene in ihnen nach Gestaltung
drängenden Kräfte, die nach einer mythologisieren-
denVerbildlichungverlangten, durchsWort zu fassen,
war er damals noch nicht gereift. Erst nach 1900 im
„Traumspiel" und „Schwanenweiß" ist es ihm ge-
lungen, diesen durchs dichtende Wort Form zu
geben. Und in der Tat, mit dieser Zeit hört auch
die Malerei auf, innerliche Bedeutung für ihn wie
bisher zu haben. Denn die späteren Bilder sind in
dieser Beziehung nur noch ein Nachklang.

Und dennoch spricht sich durch diesen „ma-
lenden Strindberg" auch etwas aus, was über das
Biographische hinaus zum mindesten die Bedeutung
einer Frage hat. Wenn ein aus solch innerstem
Lebensdrang schaffender Künstler von einem Kunst-
gebiete aus auf ein anderes überzugreifen sich ge-
zwungen fühlt, um ihm innerlich Bedeutsamstes zu
sagen, so scheint greifbar die Antwort auf jene
„Laokoon"-Frage offen zu liegen, die durch die
sich gedanklich mit Kunst Beschäftigenden in ihrer
Tiefe immer noch oder immer erneut der Lösung
harrt: wo ist die Grenze für die künstlerische
Gestaltungskraft zwischen Wort und Bild, Laut
und Farbe und wo ihr eigentlicher geistiger, imma-
nenter Sinn? In diesem Punkte erweist sich der
„malende Strindberg" nicht nur als ein individual-
psychologisches, sondern auch als ein überpersön-
liches Problem.

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