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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 9
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Harms, Ernst: Der malende Strindberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0369

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AUGUST STRINDBERG, SONNENUNTERGANG. 1902-1903

FRAU HARRIET BOSSE

sein, wie auch Prof. Lamm, der schwedische Strind-
berg-Forscher, bestätigt, von nun an regelrecht ab.
In der Autobiographie spricht Strindberg nur äußer-
lich von dieser Malertätigkeit: „Er male, um sich
zu ,idiotisieren' oder (in der unproduktiven Tele-
graphistenzeit) wenn er vom Bureau loskam." Man
ist hier auf Mündliches aus dem Familien- und
Freundeskreise, sowie auf spärliche Briefäußerungen
angewiesen, über die ich einiges Mündliche Martin
Lamm verdanke.

Schrieb er früher schon einmal, daß „nichts
so wie Malen ihm alle Gefühle und Gedanken
aufsöge", so wird dem zur Sprachgestaltung ge-
wiß Begabten Farbe nun Ausdrucksmittel, wo ihm

im seelischen Kampfe und innerer Erschütterung
das Wort selbst versagt. Seelenerlebnisse, die ihm
nicht aussprechbar sind, bringt er nun im Bilde
zur Niederschrift. Was er aber so aus dem ihm
nicht „verlautbaren" Seeleninnern zutage bringt,
ist eine eigenartige sinnbildliche Malerei. Scheinen
die Stücke dieser Epoche bis zur Jahrhundertwende
im Motiv Produkte naturalistischen Impressionismus
zu sein, so sind sie in Wirklichkeit nichts anderes
als im äußeren Naturwalten gesehene Erlebnisse des
eigenen dramatischen Seelenschicksals, symbolisch
„verschwiegen" (Goethe) zur Gestaltung gebracht.
Seelensturm, der über die Wogen des Blutes tobt,
findet Ausdruck in den vielfachen Stücken des
Sturms auf dem Meer, Einsamkeitsempfindungen
sind als einsamer Baum, verlassenes Seezeichen
gestaltet. Nicht erklimmbar steiles Ufer, Herbst,
Dämmerung, Nacht, grell hervorbrechendes Licht
und jene aus dem „Inferno"-Erlebniskreis stam-
mende, ihn auf einer Meerreise verfolgende Woge,
sind die hauptsächlichsten Motive dieses Natur-
symbolismus, der wohl Reste nordischen Mytho-
logie-Erlebens zum Untergrunde hat. Nur in ein-
zelnen Stücken, wie dem Kreuz am Uferfels oder
dem dem Irrenden in der Sturmnacht auf See er-
scheinende Golgatha, tritt der eigentlich sinnbildliche
Charakter unverhüllt hervor. Auch die Technik
ändert sich mit dieser neuen Inhaltlichkeit. Der
realistische Wahrhaftigkeitszug der Strindberg-Na-
tur versagt ihm nunmehr, weiter so manieristisch
wie bisher zu malen: der Pinsel ist ein zu diffiziles
Instrument für ein Erleben, das die ihm unaus-
sprechlichen Erschütterungen buchstäblich in Farbe
aus- und einpressen will. Er greift zur Spachtel und
zum Fingerauftrag. Ja auch die Farbengebung selbst
wird Ausdruck jener Sinnbildlichkeit. Trotz seines
ausgeprägten Sinns für Farbigkeit ist das Kolorit
stets braun oder grauschwarz überdunkelt ob des
düsteren Seeleninhaltes und die innere Zerrissenheit
ist in oft greller hell-dunkel-Dramatik ausgeprägt.
War zweifellos der Drang nach innerer Befreiung
der eigentliche Anlaß dieser ganzen Malerei, so
hat er gerade damals, gegen die frühere Absicht,
auch Bilder zum Verkauf gemalt, um „sein Leben
zu retten", wie er 189z an Ola Hansen schreibt,
und in Stockholm ganze Kollektiv-Ausstellungen
veranstaltet; Graf Tavaststjerna mußte sogar Bilder-
händler für ihn spielen.

Die Klärung und Aufhellung des Strindberg-

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