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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 10
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Scheffler, Karl: Liebermann-Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0428

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Jahrhundert, in deren Malerei so gar keine Pose und doch
so viel Leidenschaft ist. Wieder zeigt es sich, wie sehr die
Welt des Künstlers ein Stück unserer eigenen Welt geworden
ist, wie sehr er uns unmerklich gezwungen hat, mit seinen
Augen gewisse Erscheinungen des Alttages zu sehen. Lieber-
mann selbst erscheint angesichts dieses großartigen Lebens-
werkes wie ein Werkzeug, wie ein Diener seines autonom
wirkenden Talents, wie ein Auserwählter, dem der Geist der
Kunst sechzig Jahre lang die Hand geführt hat. Wenn der
achtzigjährige Künstler die Ausstellungsräume durchschreitet,
so muß eigentlich ein großes Verwundern über ihn kommen.
Das Lebenswerk löst sich vom Individuum ab und wird in
einer seltsamen Weise objektiv, es ist — sozusagen — wirk-
licher als der Mensch Liebermann selbst.

Was in den Räumen der Akademie überwältigend herrscht,
ist das Ethos des Unpathetischen. Was zündet, ist die aus-
drucksreiche Kraft des Pinselschlags. Was beglückt, ist das
jubelnde Leben von Farbe und Tonwert. Liebermann ist sehr
klug und hat viel Kluges, Neues und Klärendes gesagt; was

sein Pinsel aber ausgesprochen hat, instinktsicher die Farben
von der Palette nehmend und sie auf der Leinwand neben-
einandersetzend, ist klüger, tiefsinniger, schlagender, er-
greifender als alles, was der Künstler je gedacht und ge-
sprochen hat. In der Kunst ist eine Kraft am Werk, die eine
Naturkraft ist und die sich des Talents bedient, um in Er-
scheinung treten zu können. Sie meinen wir, in einem fast
religiösen Sinne, wenn wir das Talent ehren, das Lieber-
mann heißt.

Im einzelnen über die Ausstellung zu sprechen, erübrigt
sich an dieser Stelle. Es möge die Feststelluug genügen, daß
die Bilder ausgezeichnet gehängt worden sind und gut zur
Geltung kommen. Für die Akademie ist diese Ehrung ihres
Präsidenten eine Tat, die unvergessen und allen Besuchern un-
vergeßlich bleiben wird.

Über die beiden andern Ausstellungen wird im nächsten
Heft berichtet werden, da sie beim Abschluß dieses Heftes
noch nicht fertig waren.

K. Sch.

MAX LIEBERMANN, STUDIE ZUR „SCHUSTERWERKSTATT". 1880

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