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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 11
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0469

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ihn.

lassen. In die Trauer um seinen Heimgang mischt sich ein
gutes Lächeln, das unendlich schmeichelhaft für seine Mensch-
lichkeit ist.

Uber seine Stellung zur Kunst braucht hier nicht im
einzelnen gesprochen zu werden. Elias war uns ein wert-
voller Mitarbeiter, der dankbar war, wofür wir ihm Dank
schulden: daß wir ihn der bildenden Kunst zurückgewon-
nen hatten, als ihn literarische Interessen ganz in Anspruch
zu nehmen drohten. Sein Name steht für uns in einer
Reihe mit den Namen Heilbur, Lichtwark, Tschudi u. a. So-
lange wir unsere eigene Arbeit achten, können wir nicht auf-
hören, Julius Elias zu ehren.

Käthe Kollwitz, die am 8. Juli das sechzigste Jahr
vollendete, hat sich zu einer Zeichnerin des Sozialen
gemacht, geleitet durch ein Mitleid mit den Armen und
Elenden. Zur Radierung ist sie durch ihren Lehrer StauiFer-
Bern und durch Max Klingers Beispiel gekommen. Millet
hat auf sie gewirkt, vor allem sein Pathos; doch ist ihr
Modell nicht der Bauer, sondern der Großstadtproletarier.
Ihr Gedankenkreis berührt sich mit dem Zolas und Ger-
hart Hauptmanns, dem Dichter der „Weber". Die von den
Sammlern eifrig begehrten Radierungen stellen Revolutions-
szenen dar („Carmagnole"), Phantasien über den „Bauern-
krieg", Szenen von Leiden und Armut, Hunger und Tod,
das Elend von Mutter und Kind. Den besten Blättern ist
eine gewisse heftige Stoßkraft eigen. Als Radiererin hat
Käthe Kollwitz alle technischen Verfahren benutzt, um ihren
Blättern reiche malerische Wirkungen, srarke Kontraste von
Hell und Dunkel, und dann auch wieder eine fast karriere-
artige Weichheit und Verschwommenheit, die dem Emp-
findungsleben der Künstlerin entspricht, zu sichern.

Ihr Name wird oft und mit Recht neben den Namen
von Dora Hitz und Maria Slavona genannt. Auch Hedwig
Weiß gehört dem kleinen Kreis begabter Frauen an. Doch
ist Käthe Kollwitz die glücklichste von allen, wenn äußerer
Erfolg Glück ist. Sie hat Popularität erlangt durch das
Menschliche, das sich in ihrer Kunst einfach und unproble-
matisch abspiegelt.

Um ihren Geburtstag zu feiern, hat das Berliner Kupfer-
stichkabinett eine schöne Ausstellung ihrer graphischen
Blätter veranstaltet. Auch die Dresdener Kunsthandlung
Emil Richter hat ihr eine umfassende Ausstellung gewidmet.

Das Bildnis Thomas, das wir in diesem Heft abbilden
und das seine Mutter darstellt, ist im Besitz des in New York
lebenden Kapellmeisters Josef Stransky und von diesem an
der Grenze von Kanada aufgefunden worden. Es ist 1871
gemalt, imThomaband der „Klassiker der Kunst" auf Seite XX
des Textes als in Amerika verschollen bezeichnet und nur
nach einer Zeichnung dort wiedergegeben. Thoma selbst
hat dem amerikanischen Besitzer Folgendes geschrieben:

Oberursel b. Frankfurt a. M., Juli 1895.
Sehr geehrter Herr!
Es hat mir sehr leid getan daß ich bei Ihrem Besuche
hier nicht zu Hause war — allerdings da ich leider nicht
englisch kann wäre die Unterhaltung doch ganz schwierig
gewesen. — Das Bild welches Sie vor 20 Jahren in München
gekauft haben ist mir eines meiner liebsten Bilder — sogar

so lieb daß ich es nur ungern und nur meinen damaligen
ungünstig materiellen Verhältnissen wegen zum Verkaufe gab.

Das Bild ist das Bild meiner Mutter mit der ganzen
Umgebung in der sie sich damals in einem kleinen Städt-
chen befand — es ist also kein erfunden arrangirtes Bild —
ich habe es so recht eigentlich für mich selbst gemalt —
seitdem dachte ich auch oft daran wo es wohl hin gerathen
sein könnte.

Nun ist meine Freude aber recht groß da ich das Bild
in so guten Händen weiß — bei einem Besitzer der mir
sogar einen lieben Besuch zugedacht hatte.

Sollten Sie wieder einmal nach Frankfurt kommen so
bitte ich sehr Ihren Besuch doch ja zu wiederholen, wenn
der Sprache wegen die Unterhaltung auch sehr dürftig sein
dürfte, — das Auge hat ja auch eine Sprache — und auch
die Malerei ist ein Ausdrucksmittel durch das die Seelen
sich verständigen und erkennen.

Mit den besten Grüßen

Ihr ergebener

Hans Thoma.

Etienne Moreau-Nelaton ist Ö7jährig in Paris ge-
storben. Als Sammler setzte er die Tradition seines Groß-
vaters Adolphe Moreau, der zu Delacroix in nahen persön-
lichen Beziehungen gestanden hatte, und seiner Mutter
Camille Moreau fort, die als eine der ersten Bilder von
Monet erworben hatte. Moreau-Nelaton war Maler, Kunst-
keramiker, Sammler und Schriftsteller in einer Person. Er
war einer der erfolgreichsten Sammler und einer der her-
vorragendsten Kenner der französischen Malerei des neun-
zehnten Jahthunderts. Vor nunmehr zwanzig Jahren trennte
er sich von seinem Kunstbesitz, um ihn der Öffentlichkeit
zu übergeben. Er schenkte seine Sammlung dem Louvre,
der bisher für die Meisterwerke von Corot, Delacroix,
Daubignv, Manet, Monet — es befindet sich Manets be-
rühmtes Dejeuner sur l'herbe unter ihnen — nur unzu-
reichende Räume im Obergeschoß der kunstgewerblichen
Abteilung gefunden hat. Als Schriftsteller ist Moreau-
Nelaton mit einer Reihe von Bänden hervorgetreten, in
denen er aus Tagebüchern und Briefstellen eine Art von
Selbstbiographien bedeutender Künstler zusammengestellt hat.
Es erschienen solche Bücher, deren dokumentarischer Wert
außerordentlich hoch ist, über Corot, Delacroix, Millet, Jong-
kind, Daubigny und erst vor kurzem als letztes Werk:
Manet raconte par lui meme.

Am 30. August d. J. vollendet Ernst Eitner sein sechs-
zigstes Lebensjahr. Er blickt auf drei Jahrzehnte künstlerischen
Schaffens zurück. Nach Beendigung seiner Studien in Karls-
ruhe, München usw., ließ sich Eitner zunächst in der Um-
gegend von Lübeck, später in Billwärder nieder, um dann,
durch Alfred Lichtwark veranlaßt, nach Hamburg zu kommen
und dauernd in seiner Heimatstadt zu bleiben. Die Ham-
burger Kunsthalle besitzt eine Reihe seiner Bilder, ebenso
fanden seine Gemälde in Hamburger Privatsammlungen viel-
fach Aufnahme.

Museumsverkäufe sind in letzter Zeit häufig und nicht
selten mit Recht in der Öffentlichkeit kritisiert worden. Man

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