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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 12
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Rothenstein, John: William Rothenstein als Porträtzeichner
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0481

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In ihnen offenbart sich klar sein ganzer Ernst,
seine leidenschaftliche Wahrheitsliebe, die zarte
und dabei durchdachte Stärke seiner Linienführung,
die Meisterschaft in der Handhabung seines Mate-
rials. Zu Zeiten, wo sein Schaffen nicht die volle Höhe
erreicht, könnte man ihm vielleicht eine Tendenz
vorwerfen, in den einfachen Ernst des vor ihm
Sitzenden eine Würde zu legen, die in Wirklich-
keit nicht vorhanden ist; in seinen besten Perioden
aber ist seine Auffassung gerade durch die Wahr-
haftigkeit seiner Wiedergabe überzeugend.

Rötel und Schwarzstift waren die von ihm be-
vorzugten Techniken, teils wurden sie getrennt,
teils zusammen verwendet, die Glanzlichter sind
meist mit weißer Kreide aufgesetzt, bei seinen
spätesten Zeichnungen kommt auch in sparsamer
Weise der Pastellstift zu seinem Recht. In dem
Zeitraum zwischen 1889 und 1925 hat er über
neunhundert solcher Porträts geschaffen, wenn man
etwa einhundertundfünfzig Lithographien dazu-
rechnet. Auf gelegentliche Veröffentlichungen in
Buch- oder Mappenform haben wir schon hinge-
wiesen.

Uberblickt man die Reihe der von ihm Por-
trätierten, so ist man von ihrem repräsentativen Cha-

rakter überrascht, ja, die Reichhaltigkeit seiner
Porträtreihe hat sogar zu einem Vergleich mit
Watts herausgefordert.

Rothenstein hat niemals bewußt danach gestrebt,
einen Extrakt seiner Zeit zu geben. Während eines
Zeitraums von fast vierzig Jahren hat er mit nie
versagender Energie die Züge seiner Freunde und
aller derer auf dem Papier festgehalten, deren Werke,
Charaktere oder äußere Erscheinung ihn zur Pro-
duktion reizten. Sein eigentümlich eindringlicher
Blick, sein scharfer Intellekt zwangen ihn geradezu,
der Darstellung der erlesensten Geister seiner Zeit
sein Leben und seine Kräfte zu widmen; aber Be-
rühmtheiten, wenn sie nur den äußeren, rau-
schenden Publikumserfolg hatten, ließen ihn kalt,
denn die innere Vornehmheit war das Maßgebende
für ihn — mochte ihr äußeres Kleid noch so un-
scheinbar sein, das erschien ihm nicht als Nach-
teil — ja, vielleicht galt es ihm als Vorzug. Fast
ist man versucht, William Rothensteins strenges
Sichfernhalten von allem, was in seinem Beruf die
geschäftliche Seite streifte, snobbistisch zu nennen.
Er verschmähte es nicht, der privaten Unbedeutend-
heit geduldig seine Kunst zu leihen, öffentlicher Unbe-
deutendheit gegenüber blieb er hart wie ein Diamant.

ADOLF SCHRÖDTER, VIGNETTE. RADIERUNG

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