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Kunst der Zeit: Zeitschrift der Künstler-Selbsthilfe: Periodica — 1.1929/​1930

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Kubsch, Hugo: Erziehung zur Form
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https://doi.org/10.11588/diglit.55057#0133

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Wilhelm Morgner

Drei Korbflechter (Oel)

daß er etwa aus der Landschaft einen festen Besitz von Formvorstellungen zu
schöpfen vermag. Die Ägypter holten aus ihrer Landschaft ein ganz bestimm-
tes Proportionsgefühl heraus, das ihrer Architektur zugute kam. Für die
Ägypter gab es auch nicht den Zwiespalt zwischen Form und Format, an dem
später die Künstler, von den Griechen bis hinauf in unsere Tage, so oft
gescheitert sind. Die ägyptische Plastik ist monumental noch in den kleinsten
Gebilden, die man mit der Hand umspannen kann. Und warum? Weil die
Ägypter ein ganz ursprüngliches plastisches Formgefühl hatten. Dramatische
Handlungen, ins Plastische übersetzte Affekte, wurden in Reliefplastik
behandelt, die dem Malerischen nähersteht: aus dem Block — Granit und
Basalt waren ihr Lieblingsmaterial — formten sie ihre einfachen, klaren, nicht
in den Raum hinausgreifenden Figuren.
Einem Handwerker kann man solche Dinge leichter näherbringen als
einem ästhetisch überzüchteten Snob; denn der Handwerker — nicht nur der
Steinmetz, auch der Zimmermann, der Tischler usw. — weiß, wie rohes
Material zur Form gewandelt wird. Er wird auch den Weg von der kunst-
losen sachlichen Zweckform zur wirklichen Kunstform leichter finden, weil er
schon aus Beruf ein nachschaffender Mensch ist. Der Übergang vom
schaffenden zum schöpferischen Menschen steht hier nicht zur Diskussion; ob
es überhaupt ein Übergang, ob das Handwerk Stufe zur Kunst ist, soll auch
nicht erörtert werden.
Zu fordern ist nur, daß jeder Mensch sehen lerne, daß er aus dem
Wirrwarr, aus der Vielheit der Welt, die Dinge, die eigentlichen Formen der
Dinge, nach seinem Willen herauszulösen vermag.
Die alten deutschen Meister, etwa die Holzschneider des Mittelalters, waren
Handwerker - Dürer setzte bekanntlich als erster den Fuß ins freie Künstler-

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