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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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87

Kunstliteratur.

auf hiesigen Ausstellungen so ausgezeichnet vertreten ge-
sehen und deshalb seine an anderen Orten vielgepriesene
Genialität in Zweifel gezogen. Was man hier von
ihm gesehen hat, ist allerdings fast durchweg abscheulich
gewesen, und anfangs waren auch neben jenem Bilde,
von dem sogleich die Rede sein soll, zwei andere zu
sehen, die das über Böcklin gefaßte Urtheil nur allzu
sehr rechtfertigen. Das eine stellte die Muse der Ge-
schichte auf einer weißen Wolke sitzend dar. Es war,
gelinde gesagt, eine archäologische Schrulle. Böcklin

— derzeit in Florenz —> wollte einmal wie die Flo-
rentiner des Quattrocento malen. Aber er versah stch
gründlich in seinem Botticelli, oder wen er sonst zum
Muster genommen haben mag, und machte aus der
herben, strengen Jungsrau eine Karrikatur. Das zweite

— eine antik gekleidete Frau wandelt in einer wild-
romantischen italienischen Landschaft — war vollends
gar nichts werth. Flüchtig nnd unsolide gemalt, sollte
das Bild offenbar nur dazu dienen, in irgend einer
Ecke die Signatur Böcklin's auszunehmen und unter
diesem berühmten Zeichen sein Glück auf dem Kunst-
markt machen. Dvch — ich wollte von seinem dritten
Bilde, von der prächtigen „Meeresidylle" sprechen, welche
uns wenigstens in malerischer Hinsicht den Böcklin von
srüher in's Gedächtniß ruft. Bizarr genug ist auch hier
das Sujet, dessen Schilderung bereits in einem Wiener
Kunstberichte (Chronik 1875, Sp. 554) gegeben wurde.
Aber die koloristischen Vorzüge dieses sesselnden Bildes
sind außerordentlich. Ueber das Raffinement in der
Komposition, in der Zusammenstellung der schneidenden
Kontraste ist in der modernen Kunst, wo alles drunter
und drüber geht, kaum ein Wort mehr zu verlieren.

Zwei Sammlungen vortrefflicher Oelskizzen von
H. Eschke und O. Eschke, Vater nnd Sohn, sind
gleichfalls noch aus dem Material der gegenwärtigen
Ausstellung hervorzuheben. Der Vater hat eine Reise
nach Norwegen gemacht und der dortigen originellen
Natur ihre Reize abgelauscht. Eschke ist vorzugsweise
als tüchtiger Marinemaler bekannt, und da ist es er-
klärlich, daß er meist die Küste entlang oder am Ufer
der Flüsse gewandert ist. Eschke ist ein ausgezeichneter
Kolorist. Diese seine Fähigkeit ist auch auf seinen Sohn
übergegangen. Nur konnte dieser, der gelegentlich der
Venusdurchgangseppedition eine Reise von Southampton
nach Chesoo (China) gemacht hat, sein koloristisches Ta-
lent unter dem tropischen Himmel ausgiebiger verwerthen.
Er bringt uns nicht die alten Geschichten, an denen
wir uns längst bei Hildebrandt und seinen Nachtretern
satt gesehen haben, er hat weniger ausgebeutete Gegenden
besucht und darum für seinen Theil eine reichere Ernte
heimgebracht. Möge eine günstigere Zeit dem jungen
Künßler die Gelegenheit bieten, einige seiner werthvollen
und mteressanten Skizzen auszuführen! V. U.

88

Lnnstliieratur.

Albcrt Jlg, Studien aus dem Gebiete des kunstge-

werblichen Unterrichtes in Jtalien. Wien,

K.K.Hos- und Staatsdruckerei 1875. 8. IV u. 69 S.

Der Verfasser erhielt bei Gelegenheit einer Studien-
reise in Oberitalien von dem österreichischen Handels-
minister den Austrag, einige dortige Gewerbeschulen zu
besuchen und über ihre Verhältnisse zu berichten. Das
vorliegende Buch giebt diesen zunächst für den Minister
bestimmten und nun auf dessen Anordnung veröffent-
lichten Bericht.

Jn klaren treffenden Zügen entwirft der Verfasser
ein Bild der vorhandenen Zustände, schildert ihre hi-
storische Entstehung und giebt seine wohlerwogenen, durch-
aus objektiv gehaltenen kritischen Beobachtungen, aus
welchen sich Jeder manchen lehrreichen Wink für die hei-
mischen Verhältnisse herauslesen kann. Sein erster Besuch
galt der „Zeichenschule für Glasindustrie in Murano
bei Venedig", der zweite führte ihn in „die Schule für
Spitzenindustrie zu Burano bei Venedig", der dritte in
die „Knnstgewerbeschule in Venedig", welchen ebenso
viele Abschnitte des Buches entsprechen. Besonders be-
herzigens- und in dem Hauptpunkt auch wohl nach-
ahmenswerth ist das Kapitel: „Das bolognesische Schul-
wesen in seinen Beziehungen zum gewerblichen Unter-
richte": in der dortigen Elementarschule ist neben dem
gewöhnlichen Unterrichte im Lesen, Schreiben und Rechnen
„sogleich vom ersten Jahre an auch die Beschäftigung
des Kindes mit dem Zeichnen eingeführt, und zwar in
sehr richtiger Weise verbunden mit dem Anschauungs-
unterricht, dem Legen und Verbinden von Strohstreifen,
Flechtwerk u. dgl., wie Letzteres auch in unseren Kinder-
schulen vorgeschrieben ist." Die Leitung ist einem tüch-
tigen Professor anvertraut. Den letzten Abschnitt bildet
der Bericht über „die Holzschnitzereischule in Florenz".
Eine eingehende Beurtheilung des interessanten sachlichen
Theiles des Berichtes müssen wir Fachblättern des Kunst-
gewerbes überlassen. Hier wollen wir nur einen Grund-
gedanken hervorheben, der sich als Ergebniß der Beob-
achtung übereinstimmend durch das ganze Buch hindurch-
zieht und von allgemeinem Jnteresse ist. Er betrifst den so
sehr verschiedenen Charakter der italienischen Unterrichts-
bestrebungen aus dem Gebiete der Kunstindustrie von dem
der nordalpinischen, der seinen naturgemäßen Grund in
dem verschiedenartigen Boden hat, welchem sie entwachsen.
Dort die fast ununterbrochene Kunsttradition, so daß
das Zurückgreifen zur Renaissanee nur eine „Renaissance
der Renaissance" ist, während es hier einer Neuein-
sührung gleichkommt. Dem entsprechend dort eine zu
rasche und daher auf falsche Bahnen gerathende prak-
tische Verwerthung, hier ein Ausgehen von der Theorie,
welche, so lange ste nicht übertrieben und einseitig wird,
vor Abwegen bewahren kann. Der Italiener hat den
 
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