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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Vom Christmarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0083

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Vom Christmarkt.

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spruch erwecken soll, sie gestattet dem Künstler kaum freie
Hand in dem nächsten und greisbarsten Beiwerk. Ie leichter
aber ihre Formen, desto schwerer sind die ihr eigenthüm-
lichen blendenden Licklleffekte und ihr Farbenspiel festzu-
halten. Mosengel's Aquarelle verdienen in diefer Hin-
sicht alle Anerkennung, und mit ihrer chromographischen
Reproduktion hat die Verlagshandlung von Gust. Seitz
in Wandsbeck, die ihre Verlagsartikel selbst herstellt
und eine in großem Maßstabe angelegte Farbendruck-
Anstalt eingerichtet hat, den bereits gewonnenen Ruf
auf's Neue bekräftigt. Das ganze Werk soll acht Lie-
ferungen zu sechs Blatt umfassen, deren jede 24 Mark
kostet; einzelne Blätter werden für 5 Mark abgegeben;
das sind Preise, die nur auf einen außergewöhnlich
großen Absatz und in Rücksicht auf den'internationalen
Markt berechnet sein können. Die soeben erschienene
dritte Lieferung enthält: Staubbach, Berninafall, Jung-
frau, Eiger, Rheinfall, Selisberg im Mondlicht. Die-
selbe Verlagshandlung hat in diesem Jahre das schon
früher an dieser Stelle gerühmte große Werk: „Karl
Werner's Nilbilder" mit der sechsten Lieferung abge-
schlossen. Die darin enthaltenen vier Blätter bringen:
Die Ruinen des Tempels von Karnak, Bazar von Gir-
scheh, Nilufer bei Beni-Sueff, Anstcht der Jnsel
Philä. Das erste und das letzte der Blätter wird na-
mentlich den Alterthums- und Geschichtsfreund interes-
siren als zwei der merkwürdigsten Kulturstätten Alt-
eghptens. Das Gesammtwerk ist mit einem ethnogra-
phisch-historischem Tept verfehen, der in dem Naturforscher
A. E. Brehm und dem Aegyptologen Johannes Dü-
michen zwei sachkundige Bearbeiter gefunden hat. —
Von Einzelblättern in Oelfarbendruck, die aus den
Wandsbecker Pressen hervorgingen und die vortreffliche
künstlerische Leitung der Anstalt bekunden, führen wir
Guido Reni's berühmtes liieoo iaomo, ferner das
leider durch die ungenügende Modellirung der Büste
etwas beeinträchtigte Kopfstück der ruhenden Venus von
Tizian und das Mädchen mit der Nelke (Kopfstück,
als Pendant zum vorigen) von Rembrandt an, endlich
ein Viehstück nach De Haas „Der umgestoßene Eimer",
eine auf den ersten Anblick den vollständigen Eindruck
wirklicher Oelmalerei hervorbringende Leistung. Der
Schein pastosen Farbenauftrags in Pinselstrichen wird
durch eine Reliespresfung des Papiers hervorgerufen,
die vorzugsweise bei dem Fell der Kühe frappant und
überzeugend wirkt. Anck sonst ist das Blatt so fein in
dem Gesammtton und in der Charakteristik der die
Köpfe zusammensteckender Wiederkäuer, daß nichts zu
wünschen übrig bleibt, wenn man nicht etwa mit dem
Maler über die Komposition selbst rechten will.

Hildebrandt und kein Ende! Wie dumm doch
das Auge mitunter sein kann! Wenn man in diese
Mitternachtssonne am Nordkap sieht, die der übermüthige

Farbenkünstler mitten über das Bild scheinen und im
Wasser spiegeln läßt, hat man das Gefühl, als müßten
die violetten und gelben Lichtslecke ihren Tanz beginnen,
wie bei einer wirklichen Blendung, bis man sich von dem
bloßen Weiß und bloßen Gelb richtig überzeugt hat.
Und verselbe Phänomenalist versetzt uns im Nu von
den Einöden Norwegens, wo die Sonne nur noch das
Geschäft des Leuchtens, nicht mehr des Erwärmens treibt,
mitten auf den Signorenplatz von Florenz vor den Pa-
lazzo vecchio und läßt den gedämpften Sonnenschein
über die Häuserfa^aden streifen und einen weiten Licht-
teppich aus den Platz breiten, auf dem sich mannigfache
Gruppen geschäftiger und müßiger Menschen angesiedelt
haben. Dann geht's von der Blume der toskanischen
Städte zu der Perle Großbritanniens, dem vielbewun-
derten Edinburgh. Dicht vor uns erhebt sich das wie
ein auf die Erde postirter Thurmhelm in schwerfälliger
Gothik ausschauende Denkmal Walter Scott's, dahinter
in dämmeriger Nebelluft das malerische Schloß, zur
Rechten zieht fich eine Straßenfronte weit hinaus, bis
die letzten Häuser in dem Grau des Himmels verduften;
im Vordergrunde buntes Volkstreiben, Spaziergänger
und geschäftlichpr Verkehr. Ein Blick von der Bastei
von Windsor Castle bringt unser Auge wieder mit der
Abendsonne in Konflikt, wenn auch die weiße Scheibe
sich nur matt hinter dem Wolkenschleier abzeichnet. Aber
prachtvoll ist dieser Ausblick, auf die weite von den Win-
dungen der Themse durchflochtene Hügellandschaft, die
fern in dem Dunst der feuchten Sommerluft zerrinnt.
Noch ein Blick in das zerklüftete Bodethal bei unter-
gehender Sonne, deren letzte Strahlen die braunen Fels-
massen in der Höhe zum Glühen bringen — und wir
haben den Jnhalt der ersten Lieferung eines neuen
Werkes erschöpft, mit welchem die Verlagshandlung von
R. Wagner in Berlin unter Mitwirkung der Anstalten
von R. Steinbock und W. Loeillot den Faden
ihrer vor sünf oder sechs Jahren begonnenen Repro-
duktionen Hildebrandt'scher Aquarelle weiterspinnt. Dies
Mal hat Kaiser Wilhelm das Material zu dem präch-
tigen Unternehmen zur Verfügung gestellt. Es sind
ausschließlich europäische Landschafts- und Städtebilder,
die darin publizirt werden sollen, weshalb die Samm-
lung unter vem Titel „Aus Europa" zusammengefaßt
ist. Das Ganze soll in drei bis vier jährlich auszu-
gebenden Lieferungen zu fünf Blatt im Preise von 60
Mark beschlossen werden. Dieselbe Verlagshandlung
bietet uns noch ein zwar sarbloses aber gleichwohl am
besten an dieser Stelle zu erwähnendes „Skizzenbuch"
des großen Virtuosen der Landschaftsmalerei, geistreich
koncipirte Studien aus dem Natur- und Menschenleben,
Schiffe und Schiffsleute, Markt- und Straßenscenen,
karikirte Charakterköpfe, einzelne Thiere, Bäume und
weite Prospekte mit den wesentlichsten Requisiten des
 
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