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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Von der kunstgewerblichen Austellung zu Frankfurt
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Von der kunstgerverblichen Ausstellung in Arankfurt.

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werbe, welche doch systematisch angelegt sind, ebensalls
nicht vollständig. Es ist eben nicht zu jeder Zeit Alles
zu haben. Solche Leih-Ausstellungen bieten aber den
großen Vortheil, einzelne wichtige und werthvolle Gegen-
stände aus Privatbesitz weiteren Kreisen zur Kenntniß
zu Lringen und somit sür das Allgemeine nntzbringend
zu machen. Einige auf das Detail näher eingehende
Bemerkungen werden daher willkommen sein.

Am meisten aussallend und anziehend, gleichsam den
Mittelpnnkt des Ganzen bildend, war der große Schrank
mit den Arbeiten in Silber in der Rotnnde, eine
Sammlung von ältern in Silber getriebenen Gesäßen,
wie sie reicher nnd großartiger wohl nur selten bei-
sammen gesunden wird. Es waren meist deutsche,
zum großen Theil Nürnberger und Augsburger Arbeiten
aus der Zert vom sünszehnten bis achtzehnten Jahr-
hundert, darunter einzelne Gegenftände von hohem
künstlerischem Werthe. Die Meister der einzelnen Stücke
zn bestimmen, ist nach dem jetzigen Stande unseres
Wissens leider noch nicht möglich. Gerade nach dieser
Richtung hin konnten hier interessante Studien gemacht
werden, denn die Sammlnng bot dafür ein reiches, sehr
willkommenes Material.

Der Hauptmeister der Nürnberger und wohl aller
deutschen Goldschmiede, der berühmte Wenzel Ia-
mitzer war nur durch einen Pokal im Besitze des deut-
schen Kaisers, publicirt in Ortwein's deutscher Renais-
sance, vertreten. Vielleicht ein Werk desselben Meisters
,st auch der große Pokal (Nr. 1643) vom Jahre 1571
im Besitz des Herzogs von Anhalt-Dessau. Die Kom-
position des Ganzen und aller einzelnen Theile ist ganz
in der Art und Weise Jamitzer's; doch ist die Aus-
sührung ein wenig roh (also vielleicht eine weniger
sorgfältig überwachte Arbeit seines Ateliers) und die
eingeschlagne Marke D T ist nicht Jamitzer's Zeichen.
Doch ist es noch zweifelhast, ob diese Marke das Zeichen
des Meisters, der das Stück gefertigt oder nicht viel-
mehr dasjenige des Vorstehers der Innung ist, dem die
Arbeit zur Prüsnng vorgelegt werden mußte, bevor sie
an den Besteller abgegeben werden dnrste. Dieser Po-
kal ist auch noch wegen der Veranlassung zu seiner
Entstehung interessant. Fürst Joachim Ernst von An-
Halt hat diese „^Välstnnrd" nämlich, wie die Jnschrist
besagt, im Jahre 1571 dem Landgrafen Wilhelm von
Hessen als „Lehrgeld" gegeben, weil der Letztere dem
Erstern das Pruniren, wahrscheinlich ein Kartenspiel,
gelehrt hatte. Und dieses Spiel ist auf der Kupa des
Pokals in Relies dargestellt. Ein kleiner Pokal (Nr. 1634)
im Besitz des Grafen Eltz dagegen, welcher, wie der
Katalog angiebt, dem W. Iamitzer zugeschrieben wird,
ist ohne Zweisel nicht von ihm, sondern höchst wahr-
scheinlich von Panl Flyndt, Jamitzer's talentvollstem
Schüler, der seinen eigenen Weg gegangen ist und die

Kunstweise seines Meisters nach einer Richtung hin
vervollkommnet hat. Das dekorativ wirksamste Stück
war der zweite große Pokal*) im Besitz des deutschen
Kaisers, an welchem die gothische Buckelung mit reichen
Renaissance-Ornamenten feinster Durchsührung zu einem
harmonischen Ganzen verbunden ist. Sehr zu be-
dauern ist, daß Baron Rothschild in Frankfurt seinen
über alle Vorstellung reichen Schatz von kunstvollen
ältern Silber-Arbeiten kostbarster Art der Ausstellung
vorenthalten hat. Er würde eine reiche Quelle edel-
sten Genusses und sruchtbringender Studien gewesen
sein. Möchte der kunstsinnige Besitzer sich doch später
einmal entschließen, seine Schätze auch einem größern
Kreise zugänglich zu machen!

Neben dem großen Silberschranke befand sich ein
kleinerer, vessen Inhalt dem des großen sich anschloß,
und ein kleiner Schrank mit Prachtwaffen verschiedenster
Art, därunter besonders ein Degen mit goldenem, reich-
emaillirtem Grifs nnd gleicher Spitze, aus dem Museum
zu Cassel, der seiner feinen hochvollendeten Arbeit wegen
die Aufmerksamkeit aller Besucher aus sich zog. Man hat
ihn früher, da man alle bessern Arbeiten der Art den
Jtalienern oder Franzosen zuschrieb, sür französische
Arbeit gehalten. Doch ist er unzweifelhast deutsche
Arbeit, aus Augsburg oder München.

An die Silber-Arbeiten schließt sich ber Pracht-
Sattel des Grafen Erbach-Erbach, dessen in Eisen ge-
triebene Reliefs mit figürlichen Darstellungen (Reiter-
kampsen) von hoher Vollendung und seltener Feinheit
sind. Im Uebrigen waren Arbeiten in Schmiedeeisen
nicht so reich vertreten, als man in Frankfurt, wo man
auf den Straßen an ältern Häusern noch manches vor-
tresfliche Stück bemerkt, erwarten sollte, was wohl darin
seinen Grnnd haben mag, daß die Sammler für Ar-
beiten aus Schmiede-Eisen, wenn sie solche nicht
baulich verwenden können, meist wenig Interesse haben.
Einige in Eisen geschnittene Arbeiten im Besitz des
Herrn Spitzer in Paris und eine Statuette wurden
viel bewundert. Herr Spitzer besitzt überhaupt eine
reiche Sammlung von Gegenständen allerersten Ranges.
Es ist bewundernswerth, daß es auch in unsern Tagen,
bei so großer Konkurrenz unter den Sammlern, noch
möglich ist, so viel des Allervortrefflichsten an Arbeiten
in Silber, Eisen, Holz, Email rc. zusammenzubringen.

Unter den Arbeiten in Zinn war der Nürnberger
Meister Caspar Endterlein sehr gut vertreten. Aber
auch von andern Meistern, deren Namen uns nicht be-
kannt sind, sah man Vortreffliches.

Arbeiten in Kupfer und Messing waren aus-
sallend selten. Von großen Kronleuchtern in Messing
entsinne ich mich nur einen gesehen zu haben.

*) Eme Wiederholung desselben besitzt Baron Rothschild
in Frankfurt.
 
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