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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Wolf, August: Kopien venezianischer Meisterwerke in der Schack'schen Galerie zu München, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0164

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Z15 Kopien venezianischer Meisterwerke in

Das Altarbild in drei Abtheilungen von Gio-
vanni Bellini in der Sakristei der Frari war meiitz!
zweite, nnendlich schwierige Arbeit, die mich den ganzen
Winter hindurch beschästigte. Die Altartafel empfängt
das wenige Licht nur von einem links cznnsi hinter der-
selben liegenden Fenster und einer weit entfernten, hoch
oben angebrachten, gegenüber an der andern Wand be-
sindlichen halbkreisförmigen Oeffnung. Dieses Licht ist
Reflexlicht und stört außerordentlich. — Der rechts von
dem Bilde befindliche weißgestrichene Pilaster empfängt
das Hauptlicht von dem ersterwähnten Fenster und was
er von seinem Reflep auf das Bild abgiebt, ist desfen
Licht. Auf dem fchmalen Altar saß ich den Winter
hindurch, die drei Tafeln in gleicher Größe kopirend,
dicht in Pelz gehüllt, die steisen Finger mit Handschuhen
versehen, dennoch vor Frost zitternd. Es war ein sehr
strenger Winter. Jch war oft völlig muthlos. — Jm
Mittelbilde fieht man die Madonna anf einem acht-
eckigen Postamente sitzen, unter einer Halbkuppel und
roth ansgekleideter Nische. An den Stnfen des Thrones
stehen zwei kleine reizende musicirende Engelchen. Aus
der Tafel rechts S. Niccolo und ein anderer Heiliger,
links S. Benedetto mit einem Begleiter. Das Mittel-
Lild ist 6 Fnß hoch. — Um das Ganze läuft eine
prächtig geschnitzte Altarfasfnng, deren Architektur sich
im Bilde wiederholt. — Zu dieser in gleicher Größe
angesertigten Kopie ließ Baron Schack auch den Rahmen
kopiren. Trotz 42 Detailzeichnungen der einzelnen
Theile des Altars entstand doch nur eine mißverstandene
Kopie desfelben, obgleich kein Opser von Seiten des
Auftraggebers gescheut ward. Das Bild kann nicht
photographirt werden, ist auch nie gestochen; die einzige
Photographie welche davon existirt ist nach einer ganz
fchlechten Kreidezeichnung gemacht, welche Naya hat an-
fertigen lassen.

Es folgte nnn die Kopie des wunderbaren Bildes
der heiligen Barbara in Sta. Maria formosa von
Palma vecchio. Das Bild ist über 9 Fuß hoch.
Jch kopirte es in gleicher Größe. Das milde, durch
Doppelfenster einfallende kleine Seitenlicht ist für dieses
Gluthbild außerordentlich günstig, weniger für den Ko-
pisten, der nur den glühenden Reflex eines gegenüber-
liegenden Haufes erhält bei anders stehender Bildfläche.
Der weiße Marmorrahmen des Bildes trägt wesentlich
zn der Wirkung desfelben bei. Die Kopie sieht im
vollen Lichte der Galepie in Goldrahmen viel ungün-
stiger aus als in dem fchwachen Lichte der Kirche. Es
ist dies überhaupt das Leiden des Kopisten, daß eine
Arbeit, von der er glaubt, sie fei fertig ausgeführt,
heransgebracht in helleres Licht unfertig aussieht, zumal
da die in Rede stehenden Bilder meiskens genau für
den Ort gcmalt sind, an welchem sie aufgestellt wurden.

Än der Akademie gvnießt ein Bild großen Ruf in

der Schack'schen Galerie zu München. Zpß

Folge seines außergewöhnlichen Motivs und der Be-
nennung mit dem wohlklingenden Namen Giorgione.
Es ist dies der „Seesturm". — Venedig war einmal dem
Untergang nahe. Eine Sturmfluth brach über den Lido
herein und drohte es zu verschlingen. Vasari erzahlt
aussührlich, was sich anf die Legende bezieht. San
Giorgio, S. Pietro, S. Marco und S. Niccolo befreiten
Venedig von den Verderben bringenden Dämonen. Das
wunderbar dramatische Bild stammt mit dem Fischer,
der dem Dogen den Ring bringt, dem Marcuswunder
des Tintoretto nnd vielen andern Meisterwerken aus der
Scuola di San Marco. Ob die Komposition fo außer-
gewöhnlicher Art, wie nichts zweites in der älteren
venezianischen Malerei, oder eine sonstige historische unum-
stößliche Thatsache es zu einem Giorgione machten? —
Es ist vielfach restaurirt, zusammengesetzt, auch sind ein-
zelne Theile dazugemalt. — Die linke Seite mit den vier
Heiligen, die das Besterhaltene auf dem Bilde sind, muß
Jeder, der ParisBordone kennt, für eine Arbeit von
desfen Hand erklären. Ebenfo den Hintergrund und
das am Ufer harrende Volk. — Vasari nennt als den
möglichen Urheber des Bildes Palma vecchio. — Jch
kopirte mit unendlichen Schwierigkeiten das rußige, fast
im Dunkeln hängende Bild ungefähr 5^ breit. — Es
existirt keine Photographie davon. Andere als Umriß-
stiche habe ich nie gesehen.

Ein wunderbares Bild, eines der schönsten Ve-
nedig's, versteckt sich in der kleinen Kirche S. Giovanni
Crisostomo unter einem rothen Seidenvorhang auf dem
Hochaltar. Ein Kopiren dieses einzigen Bildes schien
das ungünstige Licht, welches die Kirche erfüllt, zu ver-
bieten. Doch wurde auch diese Schwierigkeit besiegt.
— Zwei hohe Fenster, seitlich angebracht, wurden mit
geöltem weißem Papier verklebt, ein großes Rundfenster
dem Bilde gegenüber wurde unschädlich gemacht durch
Lichtabschluß, ein Gerüst vor den Altar gebaut, der
Chor der Kirche durch einen großen Vorhang abge-
schlossen, und mir erlaubt, den ganzen Tag, auch wäh-
rend der Funktionen, zu kopiren. Der jugendliche Se-
bastiano del Piombo ist der Meister dieses Bildes,
welches einzig in der Kunstgeschichte dasteht. Man sieht
San Giov. Crisostomo auf dem Lehrstuhle in ein großes
Buch schreibend; ein zweiter alter bärtiger Heiliger
schaut ihm in das Buch. Er sitzt unter einer offenen
Halle mit landschaftlichem Hintergrunde; links von der
genannten Gruppe nähern sich drei weibliche Heilige,
Sta. Catarina, Maddalena und ^ucia, die mittlere von
unvergleichlicher Schönheit des venezianischen Typus.
Von rechts her kommt der fast nackte jugendliche Io-
hannes der Täufer, hinter welchem S. Georg mit der
Lanze sichtbar wird. Farbe und Formenschönheit dieses
Bildes sind so bezaubernd, daß, wer das Bild zum
ersten Mal sieht, wie gebannt ist. Die Kopie wurde
 
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