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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Wolf, August: Kopien venezianischer Meisterwerke in der Schack'schen Galerie zu München, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0172

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331

Kopien venezianischer Meisterwerke in der Schack'schen Galerie zu München.

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Dem Pordenone wird ein lebensgroßer reizender
weiblicher Kopf in der Akademie zugeschrieben, der, von
unendlich feiner Zeichnung und prachtvoll blühendem
Kolorit, zunächst an Palma vecchio erinnert. Außer dem
Kopfe ist nur ein Stück Büste zu sehen. Die Schöne
trägt eine Mütze von schwarzem Sammet mit etwas
Goldstickerei. Der schöne volle Hals trennt sich fast
direkt vom schwarzen Kleide. Der Ansatz eines weiten
Pusfärmels ist noch zu sehen. Das Bild scheint der
Rest eines größeren Porträts zu sein.

Jn derselben Galerie, ebensalls aus der Galerie
Contarini dorthin übergegangen, befindet sich die schöne
Madonna von Giov. B ellini. Sie hält das Kind vor
sich auf einer Balustrade. Das Kind steht, die Ma-
donna ist durch viese Balustrade unter dem Gürtel ab-
geschnitten. Den Hintergrund bildet ein ausgehängter
grüner Damaststreifen, der rechts und links Luft sehen
läßt, mit je einem langgestreckten Bäumchen. Die Ma-
donna ist von wahrhaft königlichem, unendlich ernstem
Ausdrucke. Leider ist das Bild sehr stark übermalt,
eigentlich keine Stelle unberührt. Etwas unter Lebens-
größe; Brustbild. Die Kopie in gleicher Größe.

Meinem Wunsche gemäß gestattete mir mein hoch-
herziger Gönner, Tizian's Mavonna der Familie
Pesaro zu kopiren. Das 18' hohe Bild stellt die Ma-
donna auf dem Throne dar, umgeben von den Heiligen
Franciscns, Antonins und Petrus. Zu ihren Füßen
knieen die Mitglieder der Familie Pesaro, unter diesen
links ein aus dem Türkenkriege siegreich zurückkehrender
Gewappneter, der zwei gefesselte Türken herbeischleppt.
Die Siegesfahne hält er hoch erhoben. Oben in den
Wolken zwei Engelchen mit dem Kreuze Christi. Jn
schlechtestem Refleplichte und zerstreutem Oberlichte ist
das Bild kaum zu sehen. Zudem waren mir nur die
Nachmittagsstunden zur Arbeit sreigegeben. Ich begann
diese große Arbeit im Frühlinge und beendete sie Ende
August 1872. Zwei Fuß ist die Kopie kleiner als das
Original (was aber kaum bemerkbar ist), also 16' hoch
und 8' breit. Dies Bild kopirte ich, obgleich ich un-
endlich mich zu plagen hatte wegen des abscheulichen
Lichtmangels, mit stets srisch bleibendem Jnteresse. Jeden
Tag mußte meine Leinwand, mein Gerüste von füns
Männern herbeigeschleppt und hinweggetragen werden
in die nahgelegene Kapelle di San Pietro. Eine hohe
Leiter mußte ich des Tages unzählige Male auf- und
niedersteigen. Nichtsdestoweniger war ein Vergleichen
nicht möglich, weil die Kopie nie in ähnliches Licht ge-
bracht werden konnte. Die Fähigkeit des Kopisten ist
gewöhnlich stark beeinträchtigt bei so schwer zu sehenden
Bildern. Man hatte mir von allen Seiten abgerathen,
die Arbeit zu unternehmeu, als ein Ding der reinen
Unmöglichkeit. Dazu kam ein schlechter sehr regnerischer
Sommer, der oft auch nach allen Zurüstungen die

Arbeit unmöglich machte, wegen aufziehender Wolken
Die zwei großen Fenster im Querschiff der Kirche mußten
mit Oelpapier verklebt werden wegen der einfallenden
Sonne. Zweimal zerstörte ein Gewitter diese weqen
der bedeutenden Höhe schwierige Arbeit. Aehnliche Miß-
Helligkeiten und Zeitverluste, welche allen guten Humor
vernichten, hatte ich unzäblige zu überwinden.

Endlich nach langer Mühe und Arbeit konnte ich
die Kopie am 30. August nach München abschicken.
Das Bild wurde nie photographirt, weil das Licht es
nie erlaubt. Napa photographirte meine Kopie in außer-
gewöhnlicher Größe und verkauft die Photographien
aller Welt als nach dem Originale. Die Photographie
ist aus zwei Stücken zusammengesetzt. Sämmtliche
Stiche nach dem Bilde sind in den Charakteren gänzlich
verfehlt; die Fehler haben darin ihren Grund, daß der
Stecher stets zu bequem war, auf eine hohe Leiter zu
steigen. Die Kopie bekam in München eine altarähn-
liche Umrahmung.

An den Vormittagen malte ich in derselben Zeit
in der Akademie an der Kopie eines Porträts von Ti-
zian. Es stellt den Geschichtsschreiber Jacopo Soranzo
sitzend dar, mit herabhängender Hand; ein schwarzes
Barett bedeckt das edle Haupt voll silberweißen Haars
und ebensolchem Bart. Soranzo trägt ein rothes Se-
natorengewand. Jm Grunde befindet sich die gefälschte
Aufschrist Jacopo Soranzo. Das Bild ist durch Restau-
ration sehr verdorben.

Es folgte dann das Porträt des Antonio Capello
von Tizian: fatal zu sehen und in schlechtestem Lichte.
Prachtvoller alter Mann, kurz geschoren, mit weißem
Barte und Senatorengewand; die Rechte scheint gesti-
kulirend aus dem Bilde herauszuragen. Kniestück. Die
Kopie wurde in gleicher Größe gefertigt. Dieses Por-
trät, sowie das vorhergehende sind nie photographirt.

Ein schönes Bild von Bonisazio sollte ich ko-
piren, das . nicht allzu groß sei. Jch wählte die
schöne Madonna im langen Koridore der Akademie.
Sie sitzt mit dem Kinde, zu welchem der kleine Johannes
kommt, unter einem großen Baum'e, unter welchem eine
grüne Draperie aufgehängt ist und ihr als Hintergrund
dient. Links sind zwei Apostel mit der Lektüre eines
großen Buches beschästigt. Rechts zwei jugendliche hei-
lige Frauen, ebensalls mit Büchern. Reizend besonders
diejenige im grünen Sammetgewande. Ein seltener Fall
in der älteren venezianischen Malerei ist hier das Vor-
kommen des Sammets, der sonst ausgeschlossen ist. Hinter-
grund entzückende Landschast mit Thal, Fluß und Mühle
und sernen Bergen. Goldige Abendluft. Ganze, halb-
lebensgroße Figuren. Das Original ist sehr verdorben.
Die Kopie in gleicher Größe etwa 4' lang und
hoch. Photographien, ebenfalls nach meiner Kopie,
sind bei Ponti zu haben. Eine große Arbeit wartete
 
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