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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Jakob Alt's Aquarelle
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Jakob Alt's Aquarelle.

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der Darstellung, namentlich was bei Künstlern nicht
immer zu tresfen ist, die Perspektive.

Unter dem Ausgestellten fanden wir aus der ältesten
Zeit (1817) ideale Landschasten in Gouache, welche noch
halb die klassische Strenge der Zeit an sich tragen. Die
Bäume, in schönen, aber monoton gesormten Partieen
mit nberzierlichem Astwerk, stehen in wohlgeordneten
Gruppen neben einander und umschließen die recht kühl-
poetischen Staffagen. Jn der Ausführung herrscht eine
fast ängstliche Sorgfalt, die Farbe ist gesucht und nüch-
tern. Diese Bescheidenheit des Vortrages schwindet aber
schon bei Alt's ersten Versnchen in Aquarell nach Natur-
motiven, welche zunächst der Umgebung Wiens entlehnt
wurden. Der Pinsel sucht zwar noch nach den Tönen,
aber rasch macht sich das Auge mit allen Nüancen des
Kolorits vertrant, und schon aus den nächstfolgenden
(zwanziger) Jahren finden wir in den Ansichten aus
dem Salzkammergute den Pinsel mit einer Sicherheit
arbeiten, als ob Jahrzehnte von Stuvien dazwischen
gelegen hätten. Jäkob Alt hat es — und dies ist auch
aus seine Söhne, vornehmlich aus Rndolf, überge-
gangen, — wie selten ein Aquarellist verstanden, die
Töne ^riina. hinzusetzen und beinahe ohne Lasuren mit
dem immerhin spröden Mittel der Wasserfarbe Essekte
zu erzielen, die denen der Oeltechnik kaum nachstehen.
Seine Bilver gleichen minntiös durchgesührten Mosaiken,
in denen Ton an Ton sitzt; daher die Klarheit und
Transparenz der Farbe und die sichere korrekte Zeich-
nung. Diese Vorzüge treten natürlich bei solchen Mo-
tiven am ansfalligsten hervor, in denen die Durchsichtig-
keit der Luft und Pracht der Farbe von vorn herein ge-
geben sind, in südländischen Ansichten. Schon aus dem
Jahre 1833 sinden wir von Bozen, Verona, den ita-
lienischen Seen nnd der malerischen Lagnnenstadt herr-
liche Blätter; eine reichere Anzahl datirt jedoch aus dem
Jahre 1835, in welcher Zeit der Künstler seine Studien-
fahrt weiter hinab, nach Rom, Neapel, Sorrent rc. aus-
dehnte. Es fällt die Wahl schwer, aus der Füllo des
Gebotenen Einzelnes herauszuheben; hat doch jedes
Blatt den Reiz, unmittelbar vor der Natur gemacht zu
sein; man genießt bei dem Anblick gleichsam den Duft
der lachenden Motive, die uns in unvergleichlicher Wahr-
heit auf das Papier gezaubert erscheinen. — Wir stehen
am Monte Pincio und lassen unsere Blicke über das
Häusermeer des modernen Rom dahingleiten; das Blei-
dach des Pantheon ragt aus dem Dachgewimmel, die
Säule des Marc Aurel, die Spitze des Kapitols; welche
Masse von Linien und wie viel Farbenstriche! Alt
schreckte nie vor der Komplicirtheit eines Motivs zurück;
je reicher und mannigfacher das Formengewühl, desto
anmnthiger schreibt sein Stift, desto sicherer legt sein
Pinsel die Farbe. Nnd wir wandern an's andere Ende
der Stadt und schanen von dem einsamen, nunmehr ganz

verwilderten Garten des Klosters Sant' Onosrio im >
Schatten der Tasso-Eiche das Tiberufer entlang wieder
herüber nach den sieben Hügeln. ' Jn einer Reihe von
trefflichen Ansichten sührt uns dann der Künstler von
diesen Panorama-Punkten nach dem Jnnern der Stadt.
Wir begegnen herrlichen Motiven von Tivoli, sehen die
Villa des Mäcenas, den Vestatempel auf stolzer Höhe
und die schäumenden Kaskaden.

So recht in die südliche Gluth getaucht und mit
wahrer Virtuosität in der Farbe modellirt sind aber
dann die Ansichten des unvergleichlichen Capri, des ma-
lerischen Sorrent und des Klosters von Amalfi. Es mag
endlich eine Totalansicht von Sorrent als die Perle von
allen speciell erwähnt sein. Die Häusergruppen flim-
mern in der Sonnengluth, und das Grün duftet in so
saftiger Frische, als ob wir das Naturbild in der cm-
IN6N3. odLvurn schauen würden. Doch genug von Jta-
lien! -— Jn den nächsten Jahren (bis 1841) finden
wir den Künstler in Ungarn, Steiermark, Kärnthen und
Dalmatien. Herrliche Bilder aus der Tatra und ihren
düsteren, malerischen Gefilben wechseln mit gemalten
Schilderungen ans dem wildromantischen Küstenlande.
Spalatro, Salona, Sebenico, Zara und Ragusa ziehen
in ihren schönsten Motiven an unseren Augen vorüber.
Dann werden wir wieder nach dem rebenumsäumten
Rheingau getragen; im Jahre 1842 sehen wir den
Künstler die reizvollen Bnrgen am deutschen Strom von
Rüdesheim an bis Köln mit seinem Pinsel fixiren. Das
malerische Oberwesel mit seinen mittelalterlichen Thürmen
und Stadtmauern, Caub, die Festnngsinsel St. Goar
mit der „Katze" und „der Maus" ziehen an uns vorbei,
als ob wir auf dem Deck eines Dampfers den stolzen
Strom hinabführen. Dieser Exknrsion schließen sich
reizende Studien aus Aachen, Speier und Nürnberg
an. Wir streifen dann wieder an Motive aus dem
Salzkammergute vom Iahre 1843 und tressen den
Künstler 1844 zunächst im Jnnthal. Die Bilder von
Innsbruck und seiner Umgebung gehörten zu den schönsten
der ganzen Sammlung. Wie verschieden ist die Stim-
mung und der Gesammtton dieser Bilder von den ita-
lienischen Ansichten! Statt der Gluth der Farbe sinden
wir hier tiese SLttigung, die Berge sind plastischer mo-
dellirt, die Luft ist ungefärbt durchsichtig. Alt hat na-
mentlich in einigen Ansichten der Stadt eine Kraft ent-
saltet, wie sie in Aquarellen wohl selten wieder zu finden
ist. Diesen Tiroler Studien schließt sich dann noch
eine Reihe prächtiger Blätter von Verona, dem Lago
maggiore und Turin an.

Die folgenden Jahre gehören wieder den Alpen.
Der Künstler nimmt für die Kreise seiner Wanderungen
allmählich kleinere Radien, und zuletzt ist es wieder Wien
und seine reizvolle Umgebung, das seinen unermüdlichen
Pinsel beschäftigt.
 
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