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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Abrest, Paul d': Landschaftsmaler am Mittelmeer
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0197

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Landschaftsmaler am Mittelmeer.

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schen Succurs erhalten. Emile Breton, der bekannte
Landschaftsmaler, wurde durch eine Familienangelegen-
heit nach dem Süden gerufen, und da er sich gezwungen
sieht (ein angenehmer Zwang), aus Rücksicht für seine
Schwester den Winter dort unten zuzubringen, so will er
sich auf das Studium der südlichen Landschasten verlegen.
Man ist gespannt, was der Maler, der bis jetzt seine
Thätigkeit der speciellen Darstellung winterlicher Scenen
znwendete, zu Tage fördern wird, wenn er sich zum
ersten Male an das Gegentheil seiner bisherigen Arbeit
macht. Für einen Künstler, wie d'Alheim, der sein
Terrain auswendig kennt, ist es ein eigenthümlicher
Genuß, den Anstrengungen Schritt für Schritt zu folgen,
die ein an den Norden gewöhnter Maler durchmachen
muß, wenn er die Schwierigkeiten besiegen will, die ihm
das neue Terrain seiner Thätigkeit überall bereitet. Der
Landschaftsmaler im Norden hat eine natürliche Stafselei
in dem nebeligen Horizont, die Lichteffekte konzentriren
sich leichter, und die Berhältmsse ergeben sich beinahe
von selbst. Das ist aber keineswegs der Fall, wenn
man gezwungen ist, wie im Süven, im vollen Lichte
zu arbeiten. Die vorbereitende Arbeit ist bei jedem Bilde
eine sehr bedeutende und verlangt von dem Maler ge-
wissermaßen neue Eigenschasten. Herr Emile Breton ist
übrigens durch die Bielseitlgkeit seiner Begabung nnd
sein elastisches Temperament durchaus der Mann, der
das Beispiel einer solchen Aneignung von neuen Qualitä-
ten geben kann.

Jm Hause des Herrn d'Alheim nicht ist der Mann
allein Künstler. Auch die Gattin des Autors der „Ko-
rallensischer" zählt zur heiligen Phalanx. Unter dem
Pseudonym Jacques Nevers lieferte sie bis jetzt auf
den Ausstellungen nicht unbemerkt gebliebene Frucht-
und Blumenstücke. Diese dem Pslanzenreiche entnom-
menen Darstellungen hatten bei Madame d'Alheim nur
den Zweck, die Hand für die Praxis einer höheren
Kunststufe einzuüben. Sie wendet sich mit einer aus-
gesprochenen Vorliebe dem Porträtfache zu — ein be-
liebter und grüner Zweig für den Augenblick. Den
ersten Versuch in diesem Genre machte Madame d'Al-
heim eben jetzt, und das Modell, welches dabei mit
liebenswürdiger Geduld „sitzt", ist die Schwester des
Malers Breton. Es wäre recht schwer, ein dankbareres
Vorbild zu finden; die feinen Gesichtszüge des Fräulein
Breton, die bestimmten Konturen ihrer ganzen Gestalt,
und der halb schwärmerische, halb neckische Ausdruck
ihrer Physiognomie sind vollständig geeignet, einen
Porträtmaler zu einem Meisterwerke anzuregen. Daß
die nene Porträtistin fofort ein Meisterwerk zu Tage
fördern wird, ist wohl kaum möglich, aber es liegt
in der Ausfassung und Reproduktion der Züge des
Fräulein Breton eine gewisse Gewandtheit, eine Kennt-
niß des „Metier", wie die Franzosen sagen, die voll-

ständig ausreicht, um dieses Porträt im nächsten Salon
vortheilhast hervortreten zu lassen, wo es Lesonders
dadurch auffallen dürste, daß die Malerin sich auf
einen vollständig unabhängigen Boden bewegt und weder
Fräulein Jacquemart noch Carolus Duran als Chef
ihrer Schule erkennt. Das Arbeiten 8vi ^enkris ist
' eine so seltene Eigenschast bei Ansängern, daß sie allein
genügt, um-dergleichen Produkte zu empfehlen. Mme.
d'Alheim wird nie nach der Schablone arbeiten, sie
vertraut ihrer eigenen Jnspiration, die sie namentlich
bei der Behandlung der Accessorien gut bedient. So
z. B. zeichnet sich auf dem Bilde des Fräulein Breton
das Kleid durch eine Faltenlegung aus, die sofort die
kundige Hand einer eleganten geschmackvollen Frau ver-
räth. Anläßlich dieses Porträts hatte ich Gelegenheit,
einer kleinen interessanten Erörterung wegen der Wahl
eines Pseudonyms beizuwohnen. , Wie sollte das Werk
unterzeichnet werden? d'Alheim war ganz dasür, daß
seine Frau natürlich als Madame d'Alheim signire.
Dagegen lebhaste Opposition der Künstlerin; sie sürchtete
die böse Kritik. Wenn man dich kränken will, sagte
sie zu ihrem Gatten, so wird man absichtlich von mir
sehr viel Schlechtes — oder sehr viel Gutes sagen, in
beiden Fällen wäre es unangenehm für dich. Die Lobes-
erhebungen könnten als absichtlich gelten, um mich dir
gegenüber hervorzuheben, und die gegen Madame d'Al-
heim gerichteten Nadelstiche müßten von Herrn d'Alheim,
dem Gatten, empfunden werden. Jch bleibe bei meinem
früheren Pseudonym „Jacques Nevers". Der Poet
Arene und meine Weuigkeit bekämpften auch diese Absicht.
Warum ein männliches Pseudonym bei einer Porträt-
malerin, die mit ihren „Kunden" persönlich verkehren
muß? — Ein Vorschlag, der endlich alle Stimmen ver-
einigte, nnd dem auch die dabei zumeist Jnteressirte bei-
pflichtete, ging dahin, das Bild mit dem Mädchennamen
der Künstlerin zu kontrasigniren. Puschkin — der
Name hat einen vorzüglichen Klang in Frankreich und
bei den Gerüchten über die französisch-russische Allianz. . .
Aber was für einen Vornamen? Keinen männlichen
aus den oben angesührten Gründen — der natürliche
der Künstlerin Alexandrine war zu reichhaltig bei dem
Geschlechtsnamen — Alexandrine Puschkin, das konnte
schwerlich angehen. — So wurde denn beschlossen, den
Gattennamen Jean verweiblicht und in Ieanne verwan-
delt. — Jeanne Puschkin, das klingt und läßt sich
mit Lob wieder sagen! Die Tause wurde mit einem
Gläschen alten Gin, das wir aus die Karriöre der
neuen Porträtmalerin leerten, bekräftigt. Am nächsten
Tage verließ ich mit den angenehmsten Erinnerungen
das liebliche gastliche Künstlerhaus unter den lachenden
Orangenbäumen.

Januar 1876. Paul d'Abrest.
 
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