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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Wolf, August: Kopien venezianischer Meisterwerke in der Schack'schen Galerie zu München
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0204

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Kopien venezianischer Meisterroerke in der Schack'schen Galerie zu München.

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hältmsse der Kapelle, nie nahe kommen konnte, noch
weniger der Mitte des Bildes. Das Original, von be-
zaubernder Durchsührung, hat Bellini in seinem 79.
Lebensjahre gemalt im Jahre 1505. Wie mußte ich
die leichte sichere Hand dieses wunderbaren Greises an-
staunen, der die Ornamente so schön und schwungvoll
mit seinem Pinsel hinmalte! Noch fünf Jahre später
hat er das herrliche Bild in S. Giovanni Crisostomo
gemalt, welches technisch vielleicht noch vollkommener ist.
Wenn ich bei dem von mir kopirten Bilde in S. Zacca-
ria von der herrlichen milden Glut der Farbe gar
nicht sprechen will, so bleibt selbst die Höhe der Auf-
fassung, die Macht der Charaktere so bedeutend, daß
das Bild in keinerlei Weise dem Schönsten, was Florenz
und Rom hervorgebracht, nachsteht. Die Photographie
des ganzen Bildes sowie der Details, die sich bei Ponti
finden, sind nach meiner Kopie.

Mein Aufenthalt in Venedig ging seinem Ende
entgegen, doch sollte vorher noch das große Altarbild
des Paolo Veronese in Sta. Caterina kopirt wer-
den. Jch begann es nach Absendung des Bellini im
Juli 1874 zu kopiren. Auch hier beständig Sonne.
Die Kirche hat nur eine lange Reihe Fenster auf einer
Seite. Diese gehen alle nach Süden. Also auch hier
Zukleben der Fenster und unaufhörliche Reslepe. Nach
halber Beendigung des Bildes ein Kirchensest, folglich
Zurückbringen des großen Bildes auf den Altar und
Fertigmachen in der dunteln Hauptkapelle der Kirche,
für welche das Bild gemalt ist. Jn Rücksichtnahme
auf diesen schlechten Aufstellungsort hat Paolo Veronese
dies Bild sehr dekorativ gemalt. Es gehört innerhalb
der gegebenen dekorativen Behandlung zu dem Schönsten,
was der große Maler hervorgebracht. Ja, es ist viel-
leicht sein reichstes, in der Farbe glückseligstes, berau-
schendstes Bild. Die Madonna sitzt auf einem auf Stufen
befindlichen Marmorthrone, im Profil gesehen. Das
Kind tiegt quer über ihrem Schooße und steckt der auf
den Thronstusen knieenden Sta. Caterina den mysteriösen
Ring an den Finger. Sta. Caterina in hellblauem
reichem Damaste mit etwas Gold läßt sich den goldnen
Mantel von. einem prächtigen jugendlichen Engel tragen.
Hinter ihr ein zweiter, anbetend, die Arme ausbreitend;
ein dritter geleitet ihren Arm zum Kinde, als ob sie
selbst kaum den Muth hätte, sich mit dem Finger zu
nähern. Sie strahlt in Krone und Perlen, noch mehr
in jugendlicher Schönheit und Ueppigkeit. Ganz wunder-
voll qnillt das seidene blonde Haar unter dem leichten,
wehenden Schleier hervor. Jm Ohr leuchtet eiue Perle.
Eine Schaar von Kinderengeln schauen aus der Glorie dem
Vorgange zu. Zwei der schönsten stürzen sich kopfüber
herab und bringen der schönen Heiligen die Märthrerpalme
und die Krone. Hinter der Madonna steigen zwei weiße
kannelirte Säulen in die blaue Luft, die mit rothen

Damasidraperien umwunden sind. Zwischen diesen Säulen
schauen neugierige Engel, schöne junge Mädchenköpfe
hervor. Weiter unten zwei, welche die Laute spielen.
Ganz in der linken Vordergrundecke zwei jugendliche
Engel, welche aus ein und demselben Buche singen.
Beide sitzen auf einer Bank. Der blonde ist in Weiß
und Gold gekleidet; eine ganz wundervolle Gestalt
der braune in Roth und Grün. Sie halten gemein-
schaftlich das Notenheft. Vor ihnen liegt ein Violoncell
am Boden. An den kreisrunden Thronstufen sind reiche
Reliefs, und aus ihnen liegt ein zweites Notenheft. Der
Iubel des frischen Tones in diesem bezaubernden Bilde ist
unbeschreiblich. Wie haben um diese Zeit andere Schulen
in Jtalien gezeichnet! Wie jammervoll haben sie kolo-
rirt! Wie mühten sie sich ab, das Ungeheuerlichste, Ab-
geschmackteste hervorzubringeu, während man in Venedig
noch nichts wußte von Manierismus, die Natur unab-
lässig studirte und ewig Schönes schuf.

Meine Kopie ist in Originalgröße, circa 15^ hoch
und 6—7' breit. Jm December war sie beendet. Der
gegenwärtige Zustand des Bildes ist folgender: unten
etwas Schimmel, an dem Knie der Madonna die blaue
Draperie der Madouna roh übermalt mit hellen blauen
dicken Pinselstrichen. Alles Uebrige dieser Draperie ist
grünlich schmierig lasirt und völlig verdorben mit un-
verständlich hineingemalten Motiven, wie die Kopie zeigt.
Ebenso ist die blaue Luft etwas verdorben, der oben
rechts schwebende sormlose Kinderengel völlig übermalt
und verdorben. Die Wange des schönen, links vorn
sitzenden Engels erlitt gleichfalls eine Restauration.

Es folgte schließlich noch die Kopie eines mäßig
großen Santo Zago, welchen ich für Tizian halte:
Der Engel mit dem jungen Tobias. Während ich am
Paolo Veronese malte, interessirte ich mich immer schon
'für dies in der dunkelsten Ecke der Kirche hängende
Bild. Jch konnte bei demselben nur an eine frühe Ar-
beit Tizian's denken, etwa aus der Zeit des S. Marco
im Vorraume der Sakristei der Salute. — Da nun
der Tizian in S. Marciale, der denselben Gegenstand
repräsentirt wie das Bild in Sta. Caterina, so hoch auf-
gestellt ist, daß sich ein Kopiren von selbst verbot, so
entschloß sich Baron v. Schack, wenn auch ungern, auf
jenes Bild zu verzichten nnd das in Sta. Caterina
kopiren zu lassen.

In den Uffizien zu Florenz befindet sich ein kleines
Bildchen, eine Madonna, Santo Zago genannt, welches
jedoch von keinem Venezianer ist. Genannter Santo
Zago war ein Schüler Tizian's. Der etwas alterthümlich
streng gezeichnete Engel schreitet ziemlich stürmisch durch
eine bergige baumreiche Landschast, den kleinen, etwas
kurzen und dicken Knaben Tobias an der Hand sührend.
Der Kleine schleppt beschwerlich einen großen Fisch nach
sich. Der Engel deutet energisch nach vorwärts mit
 
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