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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Rosenberg, Adolf: Die Berliner Nationalgalerie, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0236

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459

Die Verliner Nationalgalerie.

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31,04 M. Die Länge des ganzen Gebäudekomplexes
mit Freitreppe und Apsis beträgt 96 M. Davon
kommen ca. 40 M. Länge auf Freitreppe und Treppen-
haus, so daß diese beiden Anlagen mehr als zwei Fünftel
des Ganzen der Nationalgalerie gewidmeten Raumes
einnehmen. Angesichts dieser Verwendung des zuge-
messenen Raumes kann man sich eines leisen Zweifels
nicht erwehren, ob denn der Erbauer — das Vestibül
und das Treppenhaus ist das Werk Strack's — immer
den Hauptzweck des Gebäudes vor Augen gehabt hat.

Das Erdgeschoß wird der Länge nach durch eine
etwa füns Fuß vicke Wand durchschnitten, welche genau
in der Mittelaxe des Gebäudes liegt. Zur Nechten
und Linken dieser Wand liegen je vier seitlich beleuchtete
Kompartimente, von denen die links gelegenen die wenigen
Skulpturen — es sind erst dreizehn vorhanden — auf-
genommen haben, während die rechts befindlichen Zimmer
mit Gemälden gesüllt sind. Die Apsis umschließt sünf
fächerartige Kabinete, welche gleichfalls Gemälde ent-
halten. Für die Beleuchtung der Gemäldeabtheilungen
sind die von dem verftorbenen Prof. Ed. Magnus aus-
gestellten Prinzipien niit großem Glück verwerthet worden.
Wenigstens in dieser Hmsicht darf der Erbauer der
Nationalgalerie aus volle Anerkennung Anspruch machen.

Aus dem Treppenhause gelangt man zunächst in
eine sehr schmale Querhalle, welche znr Zeit noch leer
ist und bei ihrer geringen Breite wohl kaum zur Auf-
stellung von Skulpturen verwerthet werden kann. Ueber
der Eingangsthür in diese Querhalle ist ein leicht be-
maltes Stuckrelief von Hartzer angebracht, welches
die Kunst als Gesammtbegriff von drei Genien —
Malerei, Plastik und Architektur — umgeben darstellt.
Das Relief ist geschickt in den Thürbogen hineinkom-
ponirt und zeichnet sich durch eine frische naturalistische
Behandlung der Formen aus. Leider wird diese er-
freuliche Wirkung durch die nnverständige Bemalung
zum großen Theil wieder aufgehoben.

Das System der Dekoration in gebrochenen Farben
(den sog. Milchkasseesarben) ist mit dem Namen Strack
unzertrennlich verbunden. Es ist dies einer der un-
seligsten Jrrthümer, in welche dieser einslußreiche Architekt
verfallen ist. Leider hat er dieses sein System nirgends
mit solcher Konseguenz durchgeführt/ wie bei dem Neubau
der Nationalgalerie. Mit ängstlicher Sorgsalt hat
er fast alle ungebrochenen Farben vermieden. Hellgrau,
graugrün, olivengrau, hellchokoladensarben — das sind
die Farben, welche für die Wahl Ler Tapeten und den
Anstrich der Säle und Korridore maßgebend gewesen
sind. Unter dem Umstande, daß der leitende Architekt
eines jeden Farbensinnes entbehrt, haben die Maler
leiden müssen. Sie wurden von dem Architekten ge-
nöthigt, die Farbengebung ihrer Fresken dem allgemeinen
gräulichen Tone anzupassen. Nur ein Maler hat dem

Architekten gegenüber das Gewicht seiner Persönlichkeit
entgegengestellt und es durchgesetzt, seine Gemälde farbig
und nicht grau auszusühren.

Die vorerwähnte Querhalle ruht auf 12 Säulen
aus schwarzem belgischen Marmor (lllsu llslAs), deren
Kapitäle und Basen aus vergoldetem Zinkguß be-
stehen. Die Säulenschafte sind nicht monolith, sondern
aus drei Stücken zusammengesetzt. Die Fugen, wo die
einzelnen Stücke zusammentressen, sind durch schmale
Ninge, wieder aus vergoldetem Zinkguß, markirt. Wenn-
gleich die. Kohärenz, die einheitliche Erscheinung und
die aus ihr resultirende Stabilitäl der ästhetische und
statische Grundgedanke der Säule ist, so will ich nicht
einmal die Nichtachtung dieser Grundsätze allzu hart tadeln.
Das spätere römische Alterthum hat gewiß auch der-
gleichen Auswüchse gezeitigt, auf welche man sich be-
rufen könnte. Jch urtheile hier nur vom Standpunkte
des guten Geschmacks, welcher eine Verbindung des
edlen Marmors mit Zinkguß auf das Entschiedenste ver-
urtheilt. Jm Kuppelsaale des Obergeschosses ist in
dieser Hinsicht noch schwerer gefehlt worden. Da wachsen
acht prächtige Säulenmonolithe von grünem belgischen
Marmor aus hohen durchbrochenen Blumenkelchen von
vergoldetem Zinkguß heraus.

Die Wände der Querhalle sind mit gelbem Stucco
lustro bekleidet. Die Deckenwölbung — ein System
von Tonnengewölben, getrennt dnrch Gurtbögen, welche
auf den Säulen aussitzen — ist mit Rosa und Gold
del'orirt, zwei Farbenmischungen, welche im Abc-Buch der
Dekorationsmalerei als Todfeinde verzeichnet sind. Die
Bogenfelder an der Thürwand sind mit sarbigen Ge-
mälden, die Kappen und ihre Mittelselder mit Grau in
Grau ausgeführten Darstellungen von E. Ewald aus-
gemalt. Der Stoss dieses im Ganzen aus 19 Kompo-
sitionen bestehenden Cyklus ist der Nibelungensage ent-
lehnt. Den Zusammenhang zwischen ihr und einem
der Kunst gewidmeten Gebäude wird schwerlich Jemand
auffinden können. Wir werden mithin annehmen müssen,
daß die Querhalle, welche nicht zur Aufbewahrung von
Kunstwerken üenutzt werden kann, nur zu dem Zwecke
erbaut worden ist, eiuem Maler Gelegenheit zur Ent-
saltung seiner Kunst zu geben. E. Ewald ist ein Schüler
von Stesfeck und Couture. Er hat sieben Jahre in
Paris gelebt; aber diese sieben Jahre scheinen sür ihn
sehr mager gewesen zu sein, wenn man nach seiner
Formengebung urtheilen dars. Kriemhild und Brunhild
sehen wie ausgehungerte Megären aus, und Siegfried,
Hagen und Gunther sind direkte Abkömmlinge der Aegi-
neten. Diesen dürren muskulösen Gestalten entspricht
das trock'ene, lederfarbige Kolorit und die starre, fast
gothische Komposition. Phantasie und Geschmack haben
bei der Erfindung dieser Darstellungen nicht mitgewirkt.
Wenn man die Kriemhild betrachtet, welche aus ihrem
 
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