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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0247

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481

Kunstliteratur,

482

zeichrieten bereits auf die hohe Schönheit dieser Blätter
und vor Allem auf ihre Bedeutsamkeit für das Stu-
dium architektonischer Farbeuanwendung dringeud hiu-
gewiesen wordeu. Die beiden bis dahin erschieueuen
Lieserungem das Innere der Peterskirche, zwei der von
Rafael geschmnckten Stanzen im Vatikan und endlich
die Sala del Collegio im Dogenpalast von Venedig
darstellend, waren somit durchaus Denkmalen der Renais-
sance gewidmet. Das Werk erscheint aber bekanntlich
nicht in chronologischer Folge, sondern in völlig losen
Einzelblättern, welche nach dem Schlusse desselben nach
kunstgeschichtlicher Zeitfolge geordnet werden können. So
greist denn die neueste Lieferung auf einmal weit zurück,
indem sie in der goldschimmernden Capella Palatina
zu Palermo ein Prachtdenkmal unserer Hohenstausen-
herrlichkeit, und in San Giovanni in Fonte von
Ravenna gar ein merkwürdiges frühmittelalterliches
Bauwerk des V. Jahrhunderts vorführt.

Jeder Architektursreund ist namentlich für die
Wiedergabe dieses hochwichtigen und wenig gekannten
Denkmals altchristlicher Kunst, in welchem noch deutliche
Nachklänge altrömischer Tradition auf interessante Weise
merkbar sind, dem Heransgeber zu innigstem Danke ver-
pflichtet, und auch ein tieferes Eingehen daraus mag
deshalb hier wohl am Orte sein, wobei namentlich der
das Blatt begleitende Tept zu Grunde gelegt ist.

Dies Baptisterium oder die Taufkirche der Ortho-
doxen, wie es zum Unterschiede von anderen mit dem
arianischen Bekenntniß zusammenhängenden Kirchen Ra-
venna's genannt wird, wurde vom Erzbischof Neo
425—430 in der üblichen Grundform eines gleichsei-
tigen Achtecks erbaut, dessen Umsassungsmauern zwei
übereinander gestellte Abtheilnngen hilden.

Jn den acht Ecken der unteren Abtheilung stehen
bogentragende Marmorsäulen mit korinthischen Kapitälen;
vier Seiten des Achtecks stnd durch halbkreissörmige
Nischen erweitert, welche mit den vier geraden Wand-
flächen abweckseln. Ueber den Ecksäulen sind Konsolen
ausgekragt, welche acht der Grundsorm entsprechende
Bogen unterstützen, und diese letzteren fassen jedesmal
die drei nnter ihnen befindlichen Bogen zu einer Gruppe
zusammen, während über ihnen Zwickel gewölbt sind,
welche die Grundsorm des Achtecks in die Kreissorm
überführen, und endlich als Fortsetzung dieser Zwickel
ist der ganze Raum mit einer halbkugelförmigen Kuppel
überwölbt.

Leider hat der Fußboden längst seinen ursprüng-
lichen Belag, wahrscheinlich Opns Alepandrinum, ver-
loren. Wegen der Feuchtigkeit mußte er erhöht werven
und so, daß die Säulenbasen mit einem Theil des uu-
teren Schaftes sämmtlich in der Erve stecken. Doch das
alte Taufbecken, ein echtes mit einer Brüstung umgebenes
Marmorbassin sammt dem marmornen Ambo davor, die

Mitte des Bauwerkes einnehmend, ist noch völlig er-
halten.

Was aber dies Denkmal zu einem der wichtigsten
seiner Zeit macht, ist vor Allem sein innerer, hochbe-
deutender, ornamentaler wie figürlicher Gold- und
Farbenschmuck, welchen das interessante Blatt auf's Voll-
endetste wiedergiebt.

Zwar ist die kostbare Marmorincrustation der un-
teren Wände bis auf wenige bedeutsame Reste ver-
schwunden, die Bogenstellung darüber aber hat ihren
kostbaren Schmuck, ein hellgrünes, mit Gold aufgelichtetes
Laub- und Rankenornament, welches aus blauschwarzem
Grunde in den Bogenzwickeln weißgewandete Gestalten
(Aelteste oder Propheten) aus Goldgrund musivisch aus-
geführt umgiebt, vollkommen erhalten.

Die Wandflächen der nun folgenden oberen Ab-
theilung, welche die Fenster enthalten, sind nicht nw-
saicirt, sondern nur mit Stuck bedeckt, der in charak-
teristisch altchristlichem Stile in grauem und röthlichem
Tone mit Heiligengestalten bemalt ist, davon jede nnter
ciner Art von gemaltem Baldachin steht. Die Zwickel
der Bogen aber, welche diese Felder nach oben abschlie-
ßen, prangen wieder mit üppigem, akanthusartigem Laub-
schmuck aus dunkelblauem Grunde in Mosaik, das sich
von hieran über die ganze innere Kuppelwölbung verbreitet.

Zuerst umzieht die Kuppel ein eigenthümlicher
breiter Fries, der wie in pompejanischer Weise goldige
perspektivische Säulenstellungen mit Altären, Sesseln,
Bischofsthronen und Sarkophagen darunter zeigt, darüber
in ihren dnnkelblauen Feldern in kolossaler Größe voll
düsterem Ernst und feierlichster Würde die Gestalten der
zwölf Apostel, abwechselnd mit goldigem Obergewande
und weißer Tunika, oder umgekehrt mit letzterer von
goldigem Stosfe und mit weißer Toga bekleidet, aber
Jeder von ihnen in der Hand eine Krone, wohl die
Krone des Lebens, tragend.

Hoch oben im Gipfel des Kuppelgewölbes erblickt
man endlich über diesem großartigen Gestaltenkreise
das goldschimmernde Rundbild mit der Darstellung der
Taufe Christi im Jordan, dessen in echt antiker Weise
dargestellter Flußgott, mit halbem Leibe aus der Fluth
ragenv, der heiligen Hanvlung zuschaut.

Doch genug der Beschreibung, d-ie nimmer eine
lebendige Vorstellung des merkwürdigen Bauwerkes geben
kann. Man muß die treffliche Wievergabe des Köhler'
schen Aquarells sehen, um die großartige Wirkung dieses
in seiner Art einzigen Raumes zu empfinden, und wie
ergreisend muß diese erst gewesen sein, als noch der un-
gleich tiefer liegende Fußboden von edlem Steinwerk
den Raum höher erscheinen ließ, als anstatt der nüch-
ternen Stallfenster, die heute vorhanden sind, sicherlich
dünne Marmorplatten die Lichtösfnungen füllten, die
nur ein mystisches Dämmern zestatteten, während im
 
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