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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Rosenberg, Adolf: Die Berliner Nationalgalerie, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0261

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509

Die Berliner Nationalgalerie,

510

Mit hellgrün, hellgrau, hellrosa, hellbraun, hellchoko-
ladenfarbig ist nichts Vernünftiges anzufangen.

Zu dieser trostlosen „polychromischen" Behandlung
bildet der übrige malerische Schmuck der Kuppel, welcher
von A. v. Hehden herrührt, den denkbar schroffsten
Gegensatz. Jch will sogleich hinzusetzen, daß die Ma-
lereien v. Heyden's alle übrigen künstlerischen Leistungen
in der Nationalgalerie weitaus in den Schatten stellen,
und daß sie — für sich betrachtet — als sehr hervor-
ragende Schöpfungen der monumentalen Malerei über-
haupt zu bezeichnen sind. Die Bogenfelder über den
Thüren symbolisiren zwar auch die vier Künste, aber
in realen, geschichtlichen Vorgängen, klar und faßlich,
ohne allegorische Düftelei. Das Bogenfeld über der
Eingangsthür ist der Baukunst gewidmet: Kaiser Hein-
rich II. legt unter religiösen Ceremonien den Grund-
stein zum Dome von Bamberg. Ileber der Thür zur
Linken des Eintretenden malt Dürer das Porträt des
Kaisers Maximilian. Hinter dem Stuhle des Kaisers
steht ein Page, dem auf der anderen Seite des Kaisers
lustiger Rath, Kunz v. d. Rosen, entspricht. Ueber der
Thür zu den Corneliussälen ist der Sängerkrieg auf
der Wartburg dargestellt. Heinrich von Ofterdingen
singt zur Harse vor dem Throne, auf welchem Landgraf
Hermann und seine Gemahlin sitzen. Jhm gegenüber
sieht man die Preisrichter Klingsor und Wolsram von
Eschenbach. Jm vierten Bogenfelde endlich tresfen wir
den Meister Adam Kraft in seiner Werkstatt. Er zeigt
zwei Angehörigen des Hauses Röbuk das im Auftrage
dieser Familie begonnene Grabmal. Die Figuren heben
sich, in zwei Drittel Lebensgröße, von schwarzem
Grunde ab.

Innerhalb des Kuppelgewölbes zieht sich in lebens-
großen sarbigen Figuren auf Goldgrund ein Fries hin,
welcher den „Reigen des Thierkreises" darstellt. Selten
hat Jemand trockene, allegorische Symbole so durch-
geistigt und zugleich mit so blühendem, realem Leben
erfüllt wie A. v. Heyden. Eine reizvolle, poetische Er-
findung hat die zwölf Zeichen des Thierkreises zu einem
phantastischen Reigen vereinigt, welcher den Kreislauf
des Jahres durch einen bunten, fröhlichen Festzug ver-
sinnlicht. Wir geben den Jnhalt dieser geistvollen Kom-
position nach den Angaben des Katalogs. Im Schmuck
des winterlichen Fichtenkranzes und mit dem Lotos als
Symbol des Universums in der Hand, erösfnet eine ver-
schleierte weibliche Gestalt, das Neujahr, den Zug. Sie
birgt die Gaben des kommenden Jahres in ihrer Hülle,
welche sich leicht zu lüften beginnt, während Hoffnung
und Wunsch, als Engelkinder gebildet, sich halbversteckt
an sie schmiegen und ein jugendlicher Genius, Lenzes-
ahnung, mit der Leier vorausfliegt, Hirten und Dudelsack-
pfeifer, die Begleiter der Jahreswende im Süden, bringen
den Widder, das Sternbild des Januar. Umtanzt von

Faschingsgeistern mit Schellenkappe und Maske und im
Geleit eines Knaben, der das Heerdfeuer des Hauses
trägt, folgt das germanische Sinnbild der Sonne, der
Stier (Februar), von einer Bacchantin und einem jugend-
lichen Priester gefesselt. Als Herolde des MLrz ziehen
die Zwillinge Kastor und Pollux auf weißen Rossen
vorüber, deren Wechselleben in Ober- und Unterwelt
die Tag- und Nachtgleiche versinnlicht. Als Genossen
der reisigen Iünglinge treten drei Krieger auf, Ritter
mit Helm und Krebs (dem altdeutschen Ausdruck sür
Brustharnisch), welche den Monat April andeuten, hinter
der Siegesgöttin herjagend, die auf dem Wagen der in
den Farben der nenerblühten Erde prangenden Kybele
von Löwen, dem Sternbild des Mai, gezogen dahin-
fährt. Der Iuni, der Monat der vollen Sommerpracht,
steht unter dem Sternbilde der Jungfrau, die, als rosen-
bekränzte Psyche mit dem räthselhasten Gefäß in der
Hand von Liebesgöttern umgaukelt, dahinschwebt; vor
ihr die Matrone Justitia mit der Waage, dem Symbol
des Juli, in Händen, von zwei Liktoren als Herolden
der Gerechtigkeit geleitet, während seitwärts ein Knabe
mit einer Sichel die beginnende Erntezeit andeutet. Die
sengende Hitze des August niit ihren quälenden Folgen
ist durch einen Skorpion symbolisirt, welcher, vom
Sonnenhelden Georg auf weißem Wolkenrosse verfolgt,
der Natnrschönheit, einem Weibe auf dem Rücken eines
Kentauren, nachstellt. Dieser, als Schütz zugleich das
Symbol des September, jagt mit dem Sohne des
Südens den Steinbock, das Zeichen des Oktobers, des
weinspendenden Monats, welcher das von Genien herbei-
geschleppte Obst und die Trauben reift. An ihrem
Safte labt sich eine mit Becher und Thyrsosstab ein-
hertanzende Bacchantin. Auf dem Rücken des Wasser-
mannes (November) sitzt ein nacktes Weib, die entlaubte
Natur darstellenv, und greist nach den Perlen, dem
Symbol der Regentropfen, während ein Meerweib ab-
seits mit seinem Säugling spielt. Der December wird
durch das Thierbilv der Fische bezeichnet. Ein Delphin
trägt den Sänger Arion; ihm folgt der Weihnachts-
genius mit dem Christbaum. —- A. v. Heyden hat in
Berliner Wachsfarbe gemalt. Er hat mit Energie an
seinen koloristischen Prinzipien festgehalten, während die
anderen an der Nationalgalerie beschäftigt gewesenen
Maler sich den farbenfeindlichen Tendenzen des leitenden
Architekten untergeordnet haben.

Aus diesem Kuppelsaal gelangt man in den ersten
der zur Aufbewahrung der Cornelius'schen Kartons be-
stimmten Säle. Beide Säle sind durch Zenithlicht er-
hellt. So sehr man das Oberlicht — und mit Recht
— bei Gemäldekabineten perhorrescirt, so wird man
schwerlich zur Beleuchtung riesiger Kartons seitliches
Licht verwerthen können. Selbstverständlich erhöht das
kalte, gleichgiltige Oberlicht den trüben Eindrnck, den
 
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