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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Berggruen, Oscar: Die Jahres-Ausstellung im Wiener Künstlerhause, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0271

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Die Jahres-Ausstellung im Wiener Künstlerhause.

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material des Hofes, die luftigen Muscharabiehs, jene
gitterartig dnrchbrochenen phantastischen Holzsenster der
alt-arabischen Häuser, welche leider immer mehr durch
schnödes Glas verdrängt werden; die zierliche sarben-
reiche, maurische Architektur; die malerisch gekleideten
Araber und das behäbig dreinschauende Eselchen, das
nationale Vehikel des Orients, welches in Kairo auch
immer mehr dem europäischen Wagen weichen muß —
alle diese Elemente geben ein gar reizvolles Bild, in
welches sich auch jener gern vertiest, dem es nicht zugleich
eine angenehme Rückerinnerung gewährt. Ein älteres
Bild von Jsabey, eine Straßenscene in einer der so viel-
sach interessanten Städte der Provence, wirkt durch die
pittoreske Architektur aus der Zeit Heinrich's IV. und
durch die figurenreiche Stassage, welche die Begrüßung
vornehmer Persönlichkeiten vor einer altsranzösischen
llotellkriö darstellt; im Ganzen aber ist das effektvoll
kolorirte Bild ziemlich theatralisch und erinnert an die
pomphaften Schilderungen ähnlicher Begegnungen in den
bändereichen Romanen des Vater Dumas.

Eugen Blaas hat aus Venedig vier Genrebilder
eingesendet, unter denen die Salonscene „Rnxn8 in
Inllnln" und das Karnevalsbild „Beim Maskenverleiher"
mit viel Leben und Humor behandelt sind; die geschickte
Art, in welcher der Künstler krästige, ungebrochene
Farbentöne wirksam neben einander setzt und seine Fi-
guren plastisch heransarbeitet, verdient alles Lob. Karl
Probst hat in seinem „Marinemaler" ein mit nieder-
ländischer Feinheit und Sauberkeit gemaltes, von eminen-
tem Farbensinn und Stilgesühl zeugendes Genrebild
geschaffen; der junge Künstler ist auf dem besten Wege
zu einer bedeutenden Stellung in der Wieuer Künstler-
schaft. Ein glücklicher Wurs ist auch das „Schärflein
der Wittwe" von Gustav Kuntz, einem jungen Künstler,
der ebenfalls zu unseren aufstrebenden, viel versprechen-
den Talenten gezählt werden muß. Das Genrebild
„Am Klavier" von Franz S. Ruß ist, trotz des fein
gestimmten Kolorits und der geschickten Technik, höchst
unerguicklich. Es stellt eine junge „Wagnerianerin" dar,
welche hinter Richard Wagner's sämmtlichen Werken
verschanzt einem Affen aus den „Meistersingern" vor-
spielt; dieser seltsame Kunstrichter giebt sein Votum sym-
bolisch ab, indem er sich die Ohren zuhält. Ob das
Bild als Plaidoyer für oder gegen Richard Wagner
anzusehen sei, wurde von zahlreichen Besuchern der
Ausstellung lebhaft besprochen; in jedem Falle ist das
Motiv äußerst geschmack- und geistlos. Mit Streit-
fragen über die obersten ästhetischen Grundprinzipien
der Tonkunst darf ein Künstler nicht aus den — Asfen
kommen. Mit der „Schachpartie" hat die Gräfin Elffe
Nemes-Ransonnet viel Geschmack und Talent be-
kundet; ihr techuisches Können aber ist ihren Jnten-
tionen noch nicht gewachsen, und dieser Umstand hätte

sie abhalten sollen, sich an ein Rococo-Bild zu machen,
welches effektvolle Wiedergabe glänzender Aeußerlichkeiten
erheischt. Friedrich Friedländer's „Alte Frau" und
„Jnvaliden in der Kirche" haben den ansprechenden,
gemüthlichen, etwas hausbackenen Zug, welcher den Ar-
beiten dieses Künstlers namentlich in letzter Zeit inne-
wohnt; die Art seines Vortrages und seiner Technik
weist aus eine jetzt schon halb vergangene Zeit der
Wiener Kunst zurück.

Von auswärtigen Künstlern vertreten das Genre
Wilhelm Dietz in München mit einer in der Art
Meissonier's treffkich gemalten Scene „Bei der Marke-
tenderin", dann Anton Seitz in München mit zwei
Bildern: „Wirthshaus-Scene" und „Die letzten Nach-
richten", deren hübsche, humoristische Erfindung sehr
anspricht. Kray, derzeit in Venedig, hat eine „Loreley"
eingesendet, die in der Komposition vor den zahllosen
Darstellungen dieses abgebrauchten Vorwurfes wenig
voraus hat, aber durck die hübsche Beleuchtung und
tadellose Modellirung des reizenden Körpers der Nipe
besticht. Von Gustav Müller, derzeit in Rom, be-
merken wir eine mit Humor erfundene und slott gemalte
„Scene aus dem Jagdleben in der Campagna". Domenico
Jnduno in Mailand, ein ständiger Gast unserer Aus-
stellungen, ist durch eine geistreiche, leider in gewohnter
Art zu skizzenhaft behandelte „Leihhaus-Scene" vertreten.
Von älteren französischen Bildern sinden wir ein elegan-
tes Rococo-Konversationsstück Fichel's, dann den mit
koketter, süßlicher Grazie gemalten, aber geistig be-
deutungslosen „Decamerone" von Devedeup und ein
graziöses, aber ziemlich afsektirtes und im landschaftlichen
Theile flüchtig behandeltes Bild von Gustav Brion."
„Im Frühling".

Schließlich dürfen wir nicht unerwähnt lassen, daß
auch das Stillleben mit einigen guten Arbeiten vertreten
ist. Hugo Charlemont's „Jnterieur aus Makart's
Atelier" leistet Alles, was man von der Wiedergabe
eines solchen Thema's fordert; gar mancher Liebhaber
der bei uns immer mehr in die Move kommenden „alten
Zimmer" mag neiderfüllt die Herrlichkeiten alle betrach-
ten, welche Makart bekanntlich in verschwenderischer
Fülle gesammelt und aus höchst geniale Weise in seinem
Atelier dekorativ ausgenützt hat. Das „Stillleben mit
Pfan" desselben Künstlers ist ein originell concipirtes,
die herkömmlichen Motive des „Stilllebens" weit über-
bietendes Prachtstück, welches durch den feinen Geschmack
in der Darstellung ebenso besticht wie durch die blendende
technische Virtuosität. Jn den banalen Uegionen der
Teller, Theetassen, Servietten, Becher, Hummern, Früchte
und Weinflaschen bewegen sich die „Stillleben" von
Camilla Friedländer, Map Schödl und August
Groß in Wien, dann von Josef Wilms m Düssel-
dorf und Friedrich Heimerdinger in Hamburg; sie
 
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