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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Kunstgeschichtliches.

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wendete, erhielt doch Rist den Vorzug zu einem Stipendium
von 500 fl., woraus er 1823 in Gesellschaft seines Bruders,
des Landschaftsmalers Ernst Fries und des Dekorations-
malers Schilbach aus Darmstadt wohlgemuth zu Fuß nach
Venedig und Florenz, und von da mit Vetturino nach Rom
zog, wo sie nach zwei Monaten anlangten. Ueberall füllte
er seine Aiappen mit den herrlichsten Zeichnungen, und man
darf nur bei der alten Garde der Künstler, die von jener
Zeit in Rom noch übrig sind, ansragen, um den Namen
Rist mit Achtung nennen zu hören. Hier verhüllte sich aber
der freundliche Stern, der ihm bisher auf seiner Lebensbahn
voranleuchtete. Jn Ariccia, wo er zeichnete, erkrankte er
am Fieber, und, noch schwer leidend, wurde er von Ernst Fries
zu seinem sterbenden Bruder nach Rom abgeholt, um den-
selben bald bei der Pyramide des Cestius begraben zu müssen.
Der Verlust seines Bruders, mit dem ihn gleiches Streben
wie die innigste Liebe verband, raubte ihm die alte Lust und
Zusriedenheit bei seinen Arbeiten, weßhalb er 1827 Jtalien
verließ, um eine Schwester in Augsburg zu besuchen. Aber
sein leidender Zustand dauerte noch während eines Ausent-
haltes sleißigen Schasfens in München von 1830—40 fort,
und erst bei seiner Rückkehr nach Augsburg erhielt er seine
volle Gesundheit unter der Behandlung seines Arztes Or. Girl
zurück, der, selbst ein seinfühlender Kunstsreund, auf seine
Gemüthsstimmung einzuwirken und ihn zu veranlassen wußte,
wieder Zeichenunterricht zu ertheilen. Rist hatte die Freude,
manchen tresflichen Schüler zu bilden, namentlich eine Tochter
seines Arztes, Frau Helisena Koch-Girl, als eine vortreffliche
Künstlerin entwickelt zu sehen. Später errichtete der Rath der
Stadt sür Rist eigens eine Zeichenschule, in welcher er seinen
Grundsatz durchsührte, daß man gleich mit dem Zeichnen
nach der Natur beginnen müsse. So erlebte er einen Nach-
sommer künstlerischer Thätigkeit und verbrachte seine letzten
Jahre, trotz der Gebrechen des Alters heiter und gesellig im
Kreise seiner Verwandten und Freunde. Noch an seinem
80. Geburtstage, der in der Augsburger Liedertafel, deren
eisriges Mitglied er war, geseiert wurde, sang er mit jugend-
lichem Feuer das von ihm geliebte Rheinweinlied, und Herr-
mann Lingg sendete ihm zu diesem Tage folgende Worte:

„Wen die Götter, heißt es, lieben,

Der stirbt jung.

Doch wem bis ins Alter ist geblieben

Jugendliebe und Begeisterung,

Der ist wohl noch besser angeschrieben."

L. August Leu, Maler in Düsseldorf, ein Sohn des
berühmten Landschastsmalers gleichen Namens, starb daselbst
nach längern Leiden den 10. Mai 1876 im Alter von vier-
undzwanzig Jahren. Er bildete sich bei seinem Vater, bei
Koller in Zürich und in München zum Thier- und Land-
schastsmaler aus und offenbarte in seinen Bildern ein be-
achtenswerthes Talent, welches sich bei sortgesetzten Studien
und längerem Schaffen gewiß schön entfaltet haben würde.

Kunstgeschichtlichts.

Die Ausgrabungen von Olympia. Die Briefe unserer
Landsleute von End'e Mürz bis 21. April bezeugen den er-
solgreichen Fortgang der Arbeiten und den günstigen Gesund-
heitszustand der archäologischen Kolonie in Druva. Man
hat in verschiedenen Strecken an der Südostseite des Tem-
pels die alte Mauer gefunden, welche den Tempelhain ein-
saßte, die Altismauer, deren Aufdeckung sür die Topographie
des ganzen Lokals von Wichtigkeit ist. Vier bis füns Meter
vor der Mauer sand man eine Reihe von Postamenten; 18
noch an Ort und Stelle stehend, andere umgestürzt, die
meisten sind oblong oder quadratisch, rund nur zwei. Näher
der Mauer fanden sich die Bruchstücke älterer größerer Posta-
mente, die wohl zur Aufstellung eherner Viergespanne gedient
haben. Nach Freilegung aller Postamente steht eine reich-
liche Jnschriftenernte in Aussicht. Von Skulpturen fand man
die Fragmente einer Kaiserstatue, neue Pserdefragmente vom
Ostgiebel und unter der Masse vergoldeter Bronze, die den
Boden bedeckt, einige größere werthvollere Stücke, die Krie-
gern, Rossen und Dreifüßen angehören. Der alte Boden
wird jetzt auch an der Südseite des Tempels sreigelegt, wo
die mächtigen Säulentrommeln, wie sie vom Erdstoße hin-

geworsen wurden, neben einander liegen. An der S.-W.-
Ecke des Tempels beginnt vom Unterbau desselben eine ca.
4 Meter breite Mauer, die sich bis jetzt 16 Meter weit nach
Süden verfolgen läßt; eine Mauer, welche, wie die sränkische
Mauer in Athen, aus einer icnglaublichen Menge von Archi-
tekturstücken ausgebaut ist, glücklicherweise ohne Mörtel, so
daß die allmähliche Auslösung dieser Mauer für die Bau-
geschichte von Olympia reiche Ergebnisse verspricht. Seit der
Ankunft von Baurath Adler und I)r. Hirschseld in Olympia
(Sonnabend, 8. April) wurde den Arbeitern eine neue Aus-
gabe gestellt, nämlich die Säuberung des Fußbodens des
Tempels, um auf demselben die Spuren der alten baulichen
Einrichtung zu erforschen. Eine völlige Ausräumung ist in
diesem Frühjahr nicht mehr möglich, doch hat man schon die
Ueberreste der Cellamauer gesundeu, sowie die unteren Theile
der Säulen, welche in der Cella aufgestellt waren; hier ist
auch das alte Marmorpslaster erhalten, dessen Beschasfenheit
über die ursprüngliche Eintheilung und Benutzung des Raums
die lehrreichsten Ergebnisse in Aussicht stellt? Man ist gegen-
wärtig beschästigt, die Vorcelle (Pronaos) des Tempels voll-
ständig auszuräumen und die Schuttmassen zu entfernen,
welche die Südhälfte der Cella noch bedecken. Diese Arbeiten
wurden täglich von 80 Mann ausgeführt, lediglich zur wissen-
schaftlichen Erforschung des Tempelbaues und ohne Hoffnung
auf besondere Funde Um so erfreulicher war es, daß Mitt-
woch, den 19. April, bei Ausräumung des Pronaos dicht
unter der Oberfläche (0,60 tief) eine Metopentafel zum Vor-
schein kam, nach oben gekehrt, so daß der Kopf einer Jung-
frau zuerst sichtbar wurde. Donnerstag Mittag wurde die
Freilegung vollendet und man hatte nun ein Prachtstück der
ersten Campagne vor Augen. Es ist eine Marmortafel,
1,60 hoch, 1,51 breit, ohne oberen Rand, mit niedrigem Unter-
rand. Links eine seierlich stehende, lang bekleidete Jungsrau,
deren rechter Arm herabhängt mit geöffneten Fingern; der
Kopf ist nach rechts gewendet, das wellige Haar mit einer
Haube bedeckt; Ler linke Arm ist nach oben gerichtet. Da-
neben, ihr den Rücken wendend, ganz im Prosil, ein unbe-
kleideter Mann, eine Last tragend; der bärtige Kopf ist nach
vorne gerichtet, so daß er in geschickter Weise zwischen den
Oberarmen sichtbar wird. Jhm gegenüber Herakkes, den
rechten Arm nach vorne streckend, mit drei Aepseln in der
Hand; der linke Arm ist gebrochen. Alles Andere ist vor-
tresflich erhalten, namentlich der Kopf mit Spitzbart, Locken
und Stirnband. Die an der unteren Ecke rechts fehlenden
Stücke sind größtentheils noch gefunden. Das Werk ist nach
Stil und Jnhalt unschätzbar. Die Figur in der Mitte kann
nur Atlas sein, von dem man glaubte, daß sein Kopf unter
den aus Olympia nach Paris gebrachten Bruchstücken sei.
Wegen der Aufräumung des inneren Tempels ist die Aus-
grabung außerhalb desselben langsamer vorgeschritten. Da-
zu kommt, daß zum Osterfeste die Tzakonen in ihre Heimat
abzogen und die Arbeitskräfte um ein Drittel verringert
wurden. Auch die Herstellung der Photographien, die durch
Hrn. Romatdes aus Patras gemacht sind und sehr gelungen
sein sollen (sie werden jetzt in Patras vervielsältigt), ver-
langte viele Arbeitskräste, um die Skulpturwerke aus den
Magazinen und zurück zu bringen. Ebenso war die Her-
stellung der Gipssormen durch Martinelli und Borghini eine
schwierige und mühevolle Aufgabe. Es sind jetzt alle wich-
tigeren Stücke geformt und zur Verpackung bereit; der Trans-
port soll auf dem Alpheios bewerkstelligt werden, denn leider
ist die Fahrstraße noch nicht fertig, auch nicht die Kladeos-
brücke, welche den Schlußpunkt der Straße von Pyrgos nach
Olympia bilden soll. Or. Hirschfeld wird Verpackung und
Transport überwachen. Bei dem Zusammensuchen der zu-
sancmengehörigen Skulpturen ist es gelungen, den Unter-
körper des knieenden Mannes mit dem am 15. December ge-
fundenen Oberkörper als vollkommen zusammenpassend zu
erkennen; dadurch ist eine beinahe vollständige Figur des
Ostgiebels gewonnen, die Figur eines Wagenlenkers, welche
der linken Giebelseite angehört. Als zur Nike gehörig hat
sich das Bruchstück eines Vogels gefunden, das genau an
die linke Seite der Statue paßt. Von Jnschristen sind in
den letzten Wochen besonders solche zu Tage gekommen, die
sich auf römische Zeiten beziehen, drei Mummiusinschristen,
eine Jnschrift auf Claudius Lyson u. a. Man denkt vor-
läufig die Arbeiten bis Ende Mai fortzusetzen. Die Jahr-
hunderte lang so verödete Tempelstätte von Olympia ist
 
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