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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Der Dom zu Mainz
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0292

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571

Der Dom zu Mainz.

572


Herr Cuypers übergeht aus natürlichen Grüuden
die Geschichte der Restauration des Domes während
der Thätigkeit seiner Vorgänger; er charakterisirt kurz
die Sachlage, wie sie zur Zeit seiner Uebernahme der
Dombaumeisterstelle bestand. Der Verfasser erklärt so-
dann seine Auffassung der ihm vorgelegenen Aufgabe
und bringt Nachrichten über die Bauansführungen unter
seiner Leitung. Das in Kürze der Jnhalt des Schristchens.

Jn Bezug auf die baugeschichtliche Skizze über
die Entstehung und den Ausbau des Mainzer Domes
im Lause vieker Jahrhnnderte möchten wir an die auf-
fallende Aehnlichkeit der Chortheile der Niedermünster-
kirche zu Regcnsburg (um 1152 entstanden) mit ein-
zelnen Theilen des Schifsbanes und Ostchores an unserem
Dom erinnern, ferner darauf aufmerksam machen, daß
die Apsis des Ostchores eine fast identische Kopie in der
Chorapfis des Domes zu Bergamo gefunden hat. Zur
Ausklärung über die im 12. Jahrhundert in Mainz
thätigen Baumeister kann vielleicht die Notiz dienen,
daß die Ueberreste des abgerissenen Fischthores, na-
mentlich ein spätromanisches Kapitäl im Alterthums-
museum zu Mainz, auf Worms und Straßburg hin-
weisen. Am Dome ersterer Stadt finden wir die so cha-
rakteristischen Zickzackbögen wieder; im Querschisf des
Münsters zu Straßbnrg ganz ähnliche Kapitäle, wie das
bezeichnete.

Dem Meister der Frühgothik, welcher am Mainzer
Dome die schöne Lettnertreppe, die vorzüglichen neu-
entdeckten Brnchstücke der alten Lettneranlage und wohl
auch die edlen Thüren im westlichen Querschiff aus-
sührte, möchten wir auch die merkwürdigen Giebelblumen
am Westchor zuschreiben; den Meister Heinrich von
Böhmen, den Erbaner der leider zerstörten Liebfrauen-
klrche zu Mainz, denken wir uns auch am Ausbau der
gothischen Seitenschiffkapellen des Domes thätig. Sollte
dieser vielleicht den gothischen Aufbau des Pfarrthurmes
im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts geplant haben?
Sollte er sogar mit dem Oppenheimer Viernngsthurm
und mit dein Südportal des Domes in Worms irgend-
wie ill Beziehnng stehen? Sollte von ihm das Kauf-
haus zu Mainz, die Christophkirche daselbst herrühren?
Er war von 1300 an in Mainz thätig; seine Lieb-
frauenklrche daselbst war ein so bedeutendes und ori-
ginelles Werk, daß man auf eine hervorragende Thätig-
keit dieses Baumeisters am Mittelrhein oder doch auf
seine Beeinflussung dortiger baulicher Verhältnisse
schließen muß.

Doch kehren wir zu unserem Autor zurück. Die
baugeschichtliche Skizze über den Maiuzer Dom, zu
welcher wir einige Notizen beifügten, wird gewiß Jeder-
mann uiit Jnteresse lesen; sie ist mit Wärme und Be-
geisternng sür den majestätischen Ban geschrieben, dessen
Wiederherstellung und Vollendung ihrem Verfasser be-

schieden ist. Sie giebt auf gedrängtem Raum ein zu-
verlässiges Bild von der Entstehungsgeschichte des Domes
nnd erleichtert das Verständniß des Baues durch manche
werthvollen Aufschlüsse über seine technische Durchführung.

Bei Herrn Cuypers' Uebernahme des Amtes als
Dombaumeister war sür ihn die erste Aufgabe, die Wie-
derherstellung des schon vor seiner Restaurationsperiode
abgebrochenen Psarrthurmes einzuleiten; in seiner Schrift
stellt nun Herr Cuypers die zwei Standpunkte auf, von
welchen aus ihm der Wiederausbau des Ostthurmes mög-
lich erschienen war; „man konnte entweder nach um-
fassender Restauration der unteren Bautheile das Octogon
gerade so, wie es war, in den Formen der gothischen
Architektur wieder ausbauen, oder aber im Sinne der Ge-
sammtarchitektur unter möglichstem Anschluß an die ur-
sprüngliche Anlage einen Thurmban in den Formen der
romanischen Architektur anfführen. Erstere Lösung hätte,
von dem Kostenpunkt abgesehen, dann ihre volle Be-
rechtigung gehabt, wenn die übrigen Bautheile des Ost-
chores noch jene eigenthümliche Ausbildung besessen hätten,
wie solche auch ihnen im Lanfe der gothischen Stil-
perio»e war aufgeprägt worden. Allein dies war in
Folge des Brandes von 1793 nicht mehr der Fall, so
daß hier andere Verhältnisse eingetreten waren. Eine
Lösung im Sinne der romanischen Bauweise war da-
durch viel naher gelegt, um so mehr, als der zu hossende
Ansbau der Seitenthürme dermalen doch nnr in ähn-
lichen Formen erfolgen konnte." Ohne dieser Auffassung,
nach welcher die Restauration von Herrn Cuypers dnrch-
geführt wurde, ihre Berechtigung bestreiten zu wollen,
sügen wir einige Notizen bei, um zu zeigen, daß ver-
schiedene Auffassungen bei Restaurationen möglich nud
gleichwerthig sein können. Die Aufgrabungen der Krypta
im Ostchor noch nnter des Herrn Wessiken Leitung hatten
die merkwürdige Thatsache ergeben, daß der für so stö-
rend erachtete gothische Pfeiler im Ostchor mit einer
großartigen Lettneranlage, und diese wieder mit der
spätgothischen Krypta im Mittelschisf in Verbindung ge-
standen hatte, daß also die Meister, welche sich zu der
Erbauung des Pfeilers veranlaßt gesehen, ein künstlerisch
abgerundetes Ganzes von gewiß bedeutender Wirküng
geschaffen hatten. Wäre znr Zeit der Entdecküng der
Lettneranlage der Pfarrthurm nicht schon beseitigt ge-
wesen, so hätte seine wie des Pseilers Erhaltnng und
die Wiederherstellung des Lettners wohl Sinn gehabt.
Diese Mittheilung verdanken wir einem Gespräche mit
HerrnDombaumeister Denzin ger in Franksurt und dem-
selben auch eine zweite, wonach ihm die Wiederherstellung
des Ostthurmes in Mainz bis inckusive der alten ro-
manischen Zwerggalerie, nnd darüber ein gothischer Aus-
bau, welcher das srühere, verkümmerte Motiv des gothi-
schen Aussatzes in reicher nnd entwickelter Gestalt zur
Lösuug gebracht hätte, passend erschienen wäre. Es wäre
 
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