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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Bergau, R.: Zur Kenntniß der Nürnberger Goldschmiede des 16. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0324

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63ö

Zur Kenntniß der Nürnberger Goldschmiede des 16. Jahrhunderts. ZZg

oft auch seine Modelle und Formen benutzten, dieselben aber
meist ohne künstlerisches Gesiihl und ohne das rechte Ver-
ständniß zusammenstellten und mit andersartigen Einzel-
heiten vermischten. Jch erinnere z. B. nur an den
„Landschadenbund" in Graz und an ein Schmuckkästchen
in der Schatzkammer zu Stuttgart, über welche ich in
Nr. 122 der „Mittheilungen des österr. Museums" und
in Nr. 14 des laufenden Jahrgangs dieser Blätter aus-
führlich gesprochen habe. Einige von Jamitzer's Schülern
sreilich waren auch Künftler, haben mit Vorliebe die
ornamentalen Details zur höchsten Feinheit durch-
gebildet. —

Die zweite Gruppe bilden die Arbeiten eines be-
deutend jüngeren Meisters, welcher aber an der go-
thischen Tradition noch fest hält nnd die gothischen
Formen in sehr geschickter Weise mit den von Jamitzer
geschasfenen oder durch ihn eingeführten eleganten Re-
naissance-Formen verbindet. Seine Pokale, gothisch in
der Grundsorm und gebuckelt, sind sehr reich mit
Renaissance-Formen sorgfältigster und seinster Durch-
bildung im Verein mit gothischem Blätterwerk über-
deckt. Seine Formen sind jedoch nicht von jener
Mannigfaltigkeit der Erfindung wie bei Jamitzer, son-
dern mehr konventionell, und wiederholen sich, aus
derselben Form gegossen, bei demselben Geräth sehr oft.
Während bei Jamitzer die reiche Ornamentik in ver-
ständnißvoller Weise der Hauptform bescheiden sich unter-
ordnete, treten sie bei diesem Meister anspruchsvoll
hervor, wodurch freilich eine sehr reiche Wirkung erzielt
wird. Während Jamitzer durch und durch schöpferischer
Künstler war, war dieser andere Meister, der sich gleich-
sam als Konkurrent Jamitzer's in den Vordergrund
gedrängt zu haben scheint, mehr ein „Faiseur", der, arm
an eigenen Jdeen, seine Arbeiten „billig" herstellte, densel-
ben jedoch eine große Gesammtwirkung zu geben wußte,
ihnen aber auch bei genauesterBetrachtungdurch sorgfältigste
Ciselirung der gegossenen Ornamente Bewunderung ver-
schaffte. Als die vorzüglichsten Werke dieses hervor-
ragenden Meisters sind mir neben dem großen 0,80 M.
hohen Pokal im Besitz des deutschen Kaisers (abgebildet:
Deutsche Renaissance, Abth. Nürnberg, Taf. 98—100)
ein 0,54 M. hoher Doppel-Pokal, in einem alten Ver-
zeichnisse, „eine schön vergulte knorrete doppelte Scheurn"
genannt (noch nicht abgebildet), im Besitz des Herrn Ran
zu Nürnberg, welcher, wie die eingelassenen Medaillen
ergeben, um das Jahr 1596 sür Jakob Starck und
seine Gemahlin Elisabeth geb. v. Usler aus Goslar ge-
fertigt worden ift, bekannt geworden. Beide Pokale,
Stücke, welche in jeder Silberkammer eine ausgezeichnete
Stelle einnehmen würden, tragen als eingeschlagene Meister-
marke einen Widderkops (Schasskopf). Es war nun von
Wichtigkeit zu ersorschen, welchem Meister diese Marke
gehört.

Durch die Mittheilung von Stockbauer (Kunst und
Gewerbe, Bd. X, Nr. 15), welche die von Q. Leitner
(Schatzkammer des Oesterr. Kaiserhauses, Anhang,
Seite57) über den gleichen Gegenstand gegebenen Notizen
in dankenswerther Weise ergänzt, ist jetzt als sicher be-
kannt, daß jeder Meister seine Arbeit mit einer nur ihm
allein eigenen, durch einen Punzen eingeschlagenen Marke
versehen mußte, bevor sie von den geschworenen Meistern
aus die vorschriftsmäßige Feinheit des Silbers geprüft und
auf der Schau von dem Wardein mit dem offiziellen
Stempel X versehen werden durfte. Die Meistermarken
wurden neben dem entsprechenden Namen auch in zwei
gleiche, bei Geschworenen und dem Wardein deponirte
Bleitafeln eingeschlagen und auch in besondere Büchel-
chen eingetragen. Solche Meistermarken sind uns auf
den alten Silbergeräthen in großer Zahl erhalten; aber
wir können bei dem Verlust jener ofsiziellen Bleitafeln*)
jetzt leider nur sehr schwer feststellen, welchem Meister**)
die einzelnen Marken angehören.

Nur aus Umwegen wurde es mir möglich die Namen
und Marken der beiden oben näher charakterisirtenHaupt-
meister zu bestimmen.

Der Merkel'sche Taselaufsatz gilt, laut alter Tra-
dition, als Werk des Wenzel Jamitzer. Er trägt
an verschiedenen Stellen als Marke einen Löwenkopf
sn iÜ66. Ein solcher Löwenkops aber ist sein Wappen.
Dasselbe befindet sich auf dem bronzenen Epitaph auf
seinem Grabstein und auch schön gemalt in dem sieben-
bLndigen Wappenbuche vom Jahre 1583 im königt.
Archive zu Nürnberg. Es unterliegt demnach keinem
Zweifel, daß Jamitzer's Marke ein Löwenkops ist, be-
sonvers da auch die anderen mit diesem Zeichen versehenen
Silberarbeiten ganz und gar in demselben Geiste wie
der Merkel'sche Tafelaufsatz gearbeitet sind.

Der oben erwähnte große gebuckelte Pokal im Besitz
des deutschen Kaisers und der Doppelpokal des Herrn
Rau haben als Marke einen Schafskops, ein Zeichen,
welches gleichsam als Seitenstück zu jenem des Jamitzer
gewählt zu sein scheint. Da das Schaf im Nürnberger
Dialekt Pez heißt und der Goldschmied Hans Petzold
vielfach als hervorragender Meister genannt wird, seit
dem Jahre 1591 Genannter des großen und seit
dem Jahre 1610 Mitglied des kleinen Raths war,
der Rath der Stadt Nürnberg im Jahre 1613 von
ihm auch 72 Stücke Silbergeräth, d. h. sast drei Vier-
theil des gesammten Silberschatzes (siehe M. M. Mayer,
Nürnberger Geschichts-, Kunst- und Alterthums-Freund,
Nr. 12 sf.) besaß, so lag die Vermuthung nahe, daß
dieser Widderkopf das Zeichen des Hans Petzold sei.

*) Vielleicht nierden dieselben gelegentlich roieder auf-
gesunden.

**) Q. Leitner hat in seinem oben erwähnten Prachtwerke
einige solcher Marken schon bestimmt.
 
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