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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Die Ausstellung des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen
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Die Ausstellung der Kunstvereine für die Rheinlande und Westfalen.

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unglückliche Schicksal der verstoßenen Frau vor Augen;
der Anblick ihrer Wehmuth und Resignation, die graue
Waldesdämmerung stimmten auch uns vor dem Bilde zu
sanfter Melancholie. Nur das Kind reißt uns aus
der Stimmung, da es unschön und von wenig aristo-
kratischer Art erscheint. Auch können wir den Wunsch
nicht unterdrücken, das rothe Gewand möchte weniger
schwersällig behandelt sein, nicht so leer und uninteressant
über dem linken Kniee liegen.

Das sigurenreiche Bilv von I. Leisten zieht dnrch
den interessanten Gegenstand: „Ein tyroler Ringkamps",
durch dramatisches Leben, Charakteristik und Frische an.
Möchte nur der Genuß an diesem von Talent zeugenden
Gemälde nicht durch zu große Derbheit in der Empfin-
dungsweise und durch Härte der Malerei beeinträchtigt
werden! Die Schwüle vor dem Gewitter, die elektrische
Spannung der Lust, die Gewißheit, daß Blitz und Donner
gleich losbrechen werden, halten den Beschauer in Athem.
Hier wollen ungebändigte Naturkräfte aufeinander-
platzen, und wo diese Fäuste hinschlagen wächst kein
Gras mehr. Alte hartgesottene Gesellen sitzen schmauchend
umher und können kaum den Ausbruch des Kampfes
erwarten, bei dem sie, wenn auch nicht mehr Mitspieler,
so doch wenigstens noch Zuschauer sein können. Selbst
die Frauen sind hier derber Natur, denken nicht an
Flucht und lassen sich ihr Abendessen schmecken. Schade,
daß das Gesicht des einen Mädchens durch eine Hand
so peinlich durchschnitten ist. Echten Humor mischt in
dies beginnende Drama die Gestalt des neugierig zu-
schauenden Reisenden, eines ofsenbar sehr gebildeten Herrn,
mit blauer Brille und blauem Schleier, welcher, behand-
schuht und den rothen Bädeker im Arm, hier Bolks-
leben studiren will.

E. Boeker beweist wieder seinen liebenswürdigen
Humor in einem kleinen Genrebilde, „Morgentoilette"
betitelt. Diese Morgentoilette zweier Bauernkinder ist
viel amüsanter als die einer Fürstin. Die Wichtig-
thuerei der älteren Schwester, pwlche den drolligen gelben
Haarzops der jüngeren kämmt, ihre langen, dünnen
Arme, der halb leidende, halb besriedigte Ausdruck der
Kleinen, eines reizenden Kindes mit herrlichen blauen
Augen, alles das ergötzt den Beschauer in harm-
losester Weise.

Von Farbentalent und eigenthümlicher Aussassung
giebt der über seinen Studien „eingeschlafene Student"
von W. A. Schade Zengniß, nur stört das Mißverhalt-
niß in der Figur, da Kops und Oberkörper zn groß
gegen die Beine erscheinen.

Weniger originell, aber talentvoll und strebsam,
zeigen sich H. Plathner mit seinem „Gut getrosfen", I.
Moselagen „Am Herd", Th. van der Beck „Am
Brunnen", C. Hertel mit einer kleineren Wiederholung
seines hübschen Gemäldes „Der Reconvalescent". Jn

Fr. Hiddemann's „Politikern" fesselt die gute Charak-
teristik und sorgfältige Ausführung; gefühlvoll und an-
sprechend ist auch die „Rettung auf dem St. Bernhard"
von S. Schep. H. Leineweber's „Erster Unterricht im
Spinnen", R. Sohn's „Alterthümler", M. Todt's
„Bis zum lichten Morgen" dürfen sich mancher Vorzüge
rühmen. C. Volkers führt uns in ein Zigeunerlager,
weit im Osten, zwischen schwarzbraune Menschen, die
nicht weniger wild als ihre wilden Pserde erscheinen.
Leider wird das harmonisch gestimmte Bildchen durch
die Riesenknöpfe am Rock des Mannes und den großen,
wunderlichen Stockknopf sehr heeinträchtigt.

Frau A. Ludwig vertritt die Frauen in verdienst-
licher Weise mit den „Späne-Jungen", herumziehende
Buben, welche Holzschnitzel verkaufen. Diese Vagabunden
geben sich dem verbotenen Genuß des deauchens hin,
was dem allerliebsten schwarzen Bengel tresflich steht,
indeß der rothe, so ganz verdorbene, nur Widerwillen
erregen kann und deßhalb kein Vorwurf sür die Kunst
ist. Jm kleineren Genre, aber recht sinnig und natur-
wahr zeigt sich auch Frau E. Preyer in ihrem vor-
trefflichen „Stillleben".

Von älteren Meistern schmückt Prof. C. Lasch die
Ausstellung durch einen schönen, lebensgroßen Kopf, eine
Schwarzwälderin, tresflich kolorirt, von hübschem, naivem
Ausdruck, und Pros. R. Jordan durch ein fein ausge-
führtes Genrebild „Der Abend". Der Kopf des MLd-
chens, welches seinen Geliebten zu erwarten scheint, ist
anmuthig und auf's Zarteste vollendet.

Aus den letzten Kriegsjahren, welche sonst so viel
Kompositionsstoff boten, haben wir nur ein Bild zu ver-
zeichnen. M. Blankarts bleibt seiner Fahne treu und
zeigt uns den Kronprinzen von Preußen, wie er sich
auf dem Schlachtfelde von Weißenburg theilnehmend nach
den Verwundeten erkundigt.

V. Lerche's „Bettler im Kloster" bilden den Ueber-
gang vom Genre zur Architektur und Landschast. Die
Figuren sind mit glücklichem Humor gedacht und durch-
geführt, das Elend beleidigt nicht den Blick, da all' diese
Schelme bei ihrer Armuth wohlgemuther als mancher
Krösus erscheinen, und die Mönche fchon mit dem Suppen-
kesfel nahen, den hungrigen Magen zu stillen. Der
architektonische Theil des Bildes zeigt Lerche's bewährte
Meisterschaft in diefem Fach. Den Landfchaften in der
ungünstigen Beleuchtung gerecht zu werden, ist ein Ding
der Unmöglichkeit. Wir beschränken uns daher darauf
nur kurz einige Namen zu nennen, wie Weber aus
München, Th. Schüz, I. Duntze, A. Flamm, („Das
Grabmal der Cäcilia Metella", ein verdienstvolles Bild),
A. Schweitzer, A. Arnz, F. Ebel, C. Iungheim, H.
Pohle, E. Schönfeld, W. Brandenburg, W. Bode,
bezweifeln aber nicht, daß unter dem grünen Dämmer-
licht noch manches Gute verborgen rst.
 
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