Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

DOI Artikel:
Steche, R.: Die Hallen zu Ypern und ihre Ausschmückung durch Ferdinand Pauwels
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0356

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
699

Die Hallen zu Apern und ihre Ausschmückung durch Ferdinand Pauwels.

700

Umstande zu, daß das Holz, welches zu Schiff von
England herüberkam, während der Fahrt über den Kanal
durch die Einwirknng der Seeluft widerständiger gegen
äußere Einflüsfe wnrde.

Von den durch die Dachstuhlständer entstehenden
Bildflächen haben zwölf die Länge von 4,50 Meter und
ein Felv, das letzte, eine Länge von 12 Meter. Diese
ganze Länge von 4,50, resp. 12 Meter benutzt der
Künstler zu seinen Kompositionen, die durchweg eine
,Höhe von 3,80 Meter erhalten. Die Höhe der Felder
ist von dem Künstler derartig zu seinen Kompositionen
verwendet, daß er an der Unterkante der durchlausenden
Längspfette einen Wappenfries anordnete, unter welchem
fortlaufend die dreizehn Kompositionen sich entwickeln. Die
Fläche zwischen den Gemälden und dem Fußboden wird
mit gemalten Teppichen geschmückt, die an ihren oberen
Enden dnrch ein Friesband zusammengehalten werden,
welches die Bezeichnungen der einzelnen Darstellungen,
Sprüche und Embleme enthält. Vor den einzelnen Fel-
dern sind Bänke aus Eichenholz geschnitzt beabsichtigt,
um die etwa entstehende Einförmigkeit der Teppich-
anordnung zn heben.

Den Vorwurf für die dreizehn zu schaffenden Kompo-
sitionen hat der Künstler dem Zeitraum der Geschichte
Werns entnommen, welcher die Jahre 1187—1383, die
Zeit vom Gedeihen der Stadt bis zu ihrer höchsten Blüthe,
umfaßt. ' Die bürgerlichen wie kriegerischen Tugenden
ihrer Bürger, ihre Rechtspflege, Verwaltung nnd der
gewerbliche Fleiß sollen veranschaulicht werden, welche
die Stadt im Mittelalter zn einer der reichsten und
mächtigsten des Landes machten. Ganz besonders
charakteristisch für die Geschichte Flanderns während des
zn schildernden Zeitraumes ist das einmüthige Zusammen-
gehen und Zusammenhalten der Fürsten und ihrer
Unterthanen. Die beiderseitige Machtstellung bedingte
sich hierdurch, die bedeutenden Rechte, welche sich die
Städte weise zu erringen wußten, wurden von denFürsten
geachtet. Dieses der flandrischen Geschichte eigenthüm-
liche ehrenvolle Verhältniß ändert sich seit 1383, da
Philipp der Kühne den Burgundischen Bund gründete,
welcher die Selbständigkeit und mit ihr die Blüthe
der Stadt brach.

Es sei mir vergönnt, die durch den Ruf des aus-
führenden Künstlers doppelt interessanten Darstellungen
aufzuführen:

1187. Gründung des Krankenhauses St. Maria, des
ältesten aller flandrischen Krankenhäuser.

1206. Johanna von Konstantinopel, Tochter Balduin's I.,
Grafen von Flandern und Kaisers von Konstan-
tinopel, giebt am Charfreitag Gefangenen ihre
Freiheit zurück im Namen und zur Erinnerung
an Christi Leiden.

Es ist diese Johanna dieselbe, welche Ferdinand

Pauwels schon auf seinem ersten Bilde dargestellt, mit
welchem er 1851 in die Oeffentlichkeit trat und welches
so allgemeines Aussehen erregte.

1214. Ferdinand von Portugal, Graf von Flandern
und Gemahl Johanna's, legt den Grund zu den
Befestigungen der Stadt.

1248. Der Rath von Ppern leiht Margaretha von
Flandern die Summe, welche ihren Sohn Wil-
helm aus der ägyptischen Gefangenschaft erlöste,
welche er mit Ludwig dem Heiligen von Frank-
reich theilte.

1285. Errichtung der Hallen.

1302. Rückkehr der Apernschen Krieger nach der Schlacht
von Kortryk, jener blutigen „Schlacht der goldenen
Sporen", welche durch die Tapferkeit der Hpern-
schen Krieger über die französischen Ritter unter
Robert von Artois gewonnen wurde.

1316. Die Pest zu Apern.

1330. Blüthezeit der Stadt, hervorgerusen durch ihren
Gewerbefleiß, vornehmlich durch die Bereitung
der Tuche (ärupisrs ck'Opi-68); der Künstler be-
nutzt zu dieser Komposition den historischen Be-
such des Grafen Ludwig in der Stadt und die
Eröffnung der großen Messe durch den Fürsten.
1383. Belagerung der Stadt durch die Engländer und
die Genter, welche durch die Tapferkeit der Apern-
schen Bürger genöthigt wurden, die Belagerung
aufzuheben. Freilich war es den Engländern
gelungen, die Vorstädte zu verwüsten, in welchen
sich alle Tuchfabriken befanden.

Mit dieser Verwüstung beginnt der Verfall der
Gewerbe und zugleich der Macht und des Reichthums der
Stadt; wie gewaltig aber letzterer gewesen, zeigt sich da-
durch, daß noch volle zwei Jahrhunderte vergingen, bis
die gewerbliche Thätigkeit der Stadt vollständig ver-
nichtet war.

Welche Fülle historischer, zu künstlerischer Dar-
stellung geeigneter Vorwürfe bietet der eben aufgeführte
Cyklus! Wie deutlich aber auch zeigt der dem Künstler
gewordene Auftrag, wie man in Belgien bestrebt ist, die
moderne Kunst auf den nationalen Boden zu stellen,
welchem die herrlichsten Blüthen der alten niederläudischen
Kunst entsprossen sind. Der Auftrag trägt den gleichen
nationalen Charakter wie die Bestellnngen, welche früher
bei Nicolaus de Keyser gemacht wurden zur Aus-
schmückung der Treppenhalle des Antwerpener Museums
und bei Heinrich Leys zum Schmuck des großen Saales
im Stadthause der gleichen Stadt. Speciell die politischen
Grundideen des zuletztgenannten künstlerischen Schmuckes
harmoniren mit denen, welche Pauwels' Kompositionen
enthalten; anch hier ist die Darstellung der städtischen
Gerechtsame betont, auch hier herrscht vas Streben vor,
dem modernen Bürger Belgiens zu zeigen, wie nur durch
 
Annotationen