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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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737

Nekrologe.

738

marmigsacher Hinsicht das Jnteresse des Publikums an-
zuregen berusen sein dürste. Handelt es sich doch um
das Werk eines Meisters, der zu den Bahnbrechern der
deutschen Kunst beim Beginn ihrer goldenen Periode
gehört! Hans Holbein der Aeltere, um 1460 zu Augs-
burg geboren, wo er auch seine meiste Lebenszeit zu-
Lrachte, um endlich, durch Noth gezwungen, auszuwandern
und in der Fremde zu sterben, ging in der Kunst von
M. Schongauer aus, nahm niederländischen Einfluß aus
und arbeitete sich auch in die Formen der Renaissanee
hinein. Als vollendeter Meister steht er in geistvoller
Auffassung des Porträts obenan; kein Zeitgenosse erreicht
ihn darin. Als Beleg für letztere Bemerkung dienen die
beiden Skizzenbücher des Künstlers, ersteres noch voll-
ständig im Baseler Museum, letzteres leider zersplittert
und in verschiedeneu Sammlungen zerstreut. Den
Löwenantheil dieses letzteren Büchleins besitzt das Ber-
liner Museum, im Ganzeu 69 Blätter; sie wurden von
Nagler aus der Jmhof'schen Familie erworben und
kamen mit dessen Sammlung an das genannte Museum.
Früher sür Dürer's, später für Holbein's des Jüngeren
Werke gehalten, sind sie durch eingehende Forschungen
der neuesten Zeit endlich ihrem wahren Urheber vindicirt
worden. Aus den ersten Blick erscheinen sie wie stüchtig
hingeworsene Skizzen, mit kritischem Kunstauge betrachtet,
offenbaren sie jedoch eine solche Naturwahrheit, eine
solche Vollendung bei aller Sparsamkeit der angewandten
Mittel, eine solch getreue Wiedergabe des Charakters
des Dargestellten, wie nur ein Künstler von Gottes
Gnaden sie zu schaffen im Stande ist. Sie sind auf grun-
dirtem, zuweilen nichtgrundirtem Papier mit Silberstift
ausgesührt, Umrisse wie Schattengebung erscheinen klar
und deutlich; mit gelegentlicher Anwendung von Roth-
stift oderAufsetzuug weißer Lichter treten sie plastisch hervor.

Was. den Berliner Blättern einen besonderen Werth
verleiht, ist der Umstand, daß die Mehrzahl der Bild-
nisse benamt ist, indem die Namen der Dargestellten
meist leserlich und ursprünglich sicher durchweg von des
Künstlers Hand beigeschrieben erscheinen. Wir werden
durch diesen Portraitcyklus lebendig nach Augsburg in
die Zeit des Künstlers versetzt; Hohe und Niedrige,
Weltliche und Geistliche treten uns mit ihren ausdrucks-
vollen Physiognomien entgegen, so wahr und ungekünstelt,
wie sie des Künstlers geübtes Auge, gewiß meistentheils
ohne Vorwissen der Darzustellenden in sein Büchlein
bannte.

Unter den Publikationen ähnlicher Art dürfte darum
diese aller Beachtung würdig erscheinen. Der Lichtdruck
von A. Frisch giebt die Originale in getreuester Weise
wieder; man kann sich von dieser Treue der Wiedergabe
überzeugen, wenn man ein Blatt des Werkes mit seinem
Origmale vergleichen kann; durch den facsiniilirten Ton
der Farbe ist die Täuschung vollenhet,

Der Text ruht in Woltmann's bewährter Hand;
kein besserer Führer konnte gewählt werden. Hat Wolt-
mann doch die schönsten Jahre seines Lebens daran ge-
setzt, durch eingehende Forschungen der Künstlerfamilie
Holbein ein ihrer würdiges Denkmal zu setzen, und so
wird aus seiner Feder auch das beste' Vademecum
dem Werke entstehen. Die erste Lieferung (das ganze
Werk wird in 5 Lieferungen 69 Blätter bringen) ent-
hält 14 Blätter, fast alle von höchstem Jnteresse. Wir
nennen nur Herzog Karl von Burgund, den nachherigen
Kaiser Karl V., Sigmund Holbein, des Künstlers Bruder,
Kunz von der Rosen, Hofnarren Kaiser Maximilian's,
aus der reichen Kaufmannsfamilie der Fugger Jacob,
den Begründer des Familienreichthums und Anton,
ferner Peter Wagner, Abt zu Thierhaupten, Heinrich
Grün zu Sanct Ulrich, Gras Thurzo, Bürgermeister
Artzt, eine originelle Erscheinung, endlich vier Frauen-
bildnisse, Gräsin Thurzo, Ulrich Fugger's Gattin
Veronika, die fromme Zunftmeisterin Schwarzenstainer
und ein Mädchen, das eine spätere Hand zur Schwester
A. Dürer's Agnes stempeln wollte. Woltmann wird
den einzelnen Bildnissen kritische Bemerkungen beigeben
und so wird das Werk neben seinem künstlerischen
Werthe auch die Bedeutung einer Zeitgeschichte Augs-
burgs gewinnen.

Wir sind überzeugt, daß, wie die Originalzeich-
nungen des Berliner Kabinets sich stets einer besonderen
Beachtung der Kunstsreunde ersreuten, so auch ihre Re-
produktion in dem vorliegenden Werke die gerechte und
wohl verdiente Würdigung finden wird.

I. E. Wessely.

Uekrologe.

Fr. Salzer ch. Am 4. Mai d. I. starb in Heilbronn
a. Neckar der Landschaftsmaler Friedrich Salzer. Er war
am 1. Juni 1827 daselbst geboren und der Sohn eines
Lackirers und Lackfabrik-Besitzers. Nachdem er seinem Vater
beim Geschäftsbetriebe zur Seite gestanden, erlernte er die
Anfangsgründe der Kunst bei dem Maler Karl Baumann in
Heilbronn. Die Fortschritte, die er darin machte, veranlaßten
den Lehrer, ihm 1846 zur Uebersiedelung nach München zu
rathen. Dort trat der junge lebensfrohe Künstler bald mit
Morgenstern, Ed. Schleich, Ebert und den Brüdern Zimmer-
mann in Verkehr, und die Freunde verlebten nach ernstem
Schaffen manchen lustigenTag. Namentlich in ihrem Sommer-
hauptquartier Ebersing. Am meisten sühlte sich Salzer von
dem reichbegabten Richard Zimmermann angezogen, dessen
Richtung als Künstler er vorzugsweise folgte. Bald waren
seine Bilder im Kunstverein gern gesehen und wurden nicht
minder gern erworben. Auch zu Aug. v. Kotzebue trat
Salzer in freundschaftliche Beziehungen und malte demselben
die landschaftlichen Hintergründe für seine großen Schlachten-
bilder: Novi, Einzug in Berlin, Uebergang über den Gott-
hard. Mit Vorliebe malte Salzer Wald- und Winter-, sowie
Architekturbilder. Ein treffliches Winterbild bestndet sich in
der kgl. Gemäldesammlung zu Stuttgart. Jm Jahre 1863
siedelte Salzer nach Heilbronn über, wo er sich 1865 mit
Frl. Emilie von Lobstein vermählte, die ihm in glücklichster.
Ehe vier Knaben schenkte. Die Uebernahme des väterlichen
Geschäftes und wachsende Kränklichkeit entzogen ihn vielfach
der geliebtey Kunst; gleichwohl bekunden seine letzten Bildep
namhaften Fortschritt. Sein letztes Werk — ein Winters
bild — ist im Besitze der Famiffe Festrabend in Heilbronn.
 
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