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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Berggruen, Oscar: Das Bühnenfestspiel in Bayreuth
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0379

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XI. Jahrgang.
Gciträge

sind anvr. C. V.LÜtzow
(Wien,Theresianumgasse
25) od. an die Verlagsh.
(Leipzig, Königsstr. 3),

1. Scptember

Nr. 47.
Inscrate

Z, 25 Pf. snr die drei
Mal gespaltene Petitzeilc

>87«.

Bciblalt zur Zeitschrist siir bildende Kunst.

Dies Blatt, jede Woche am Freitag erscheinend, erhalten die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende Kunst" graiis; für sich allein bezogen
kostet der Jahrgang 9 Mark sowohl im Buchhandel wie auch bei den deutschen und Lsterreichischen Postanstalten.

Jnhalt: Das Bühnenfestspiel in Bayreuth. — Der Thurmhelm des Freiburger Münsters. — August Rincklake. — Kasseler Kunstverein; Preisvertheilnng
der Münchener Kunstausstellung. — Bildhauer Titelbach; Das Architekten-Vereinshaus in Berlin. — Berichte vom Kunstmarkt, Auktion Ruhl.

Das Sühnenfestspiel in Gayreuth.

Richard Wagner's gewaltiges, nun weit über
alle Erwartung gelungenes Unternehmen bietet nicht blos
in musikalisch-dramatischer Beziehung, sondern auch hin-
sichtlich der bildenden Kunst so viele neue, durch den
Erfolg bethätigte Gesichtspunkte, daß es Aufgabe auch
dieser Zeitschrift sein muß, die Bayreuther Festspiele
eingehend zu würdigen. Hauptsächlich wird es der, nach
Richard Wagner's seit einem Vierteljahrhundert ge-
planten Ideen von Semper so meisterhaft entworfene
Ausbau des Theaters sein, mit welchem wir uns zu be-
schäftigen haben werden, da mit der Anlage dieses küh-
nen, reformatorischen Banes die Vortheile alle zusammen-
HLngen, welche das „Nibelungentheater" vor allen anderen
Opernbühnen voraus hat. Wir wollen hier vorläufig
nur kurz mittheilen, welche Errungenschasten durch den
neuartigen Theaterbau sür das musikalische Drama ge-
sichert erscheinen, da diese Vortheile danach angethan
sind, auch der gewöhnlichen „Oper" zu Gute zu kommen.

Vor Allem hat die amphitheatralische Anordnnng des
Zuschauerraumes sich glänzend bewährt. Obschon das
Haus bei entsprechenderVerwerthung des für die„Fürsten-
Galerie" aufgewandten Ranmes an 2000 Personen fassen
könnte, also als großes Theater bezeichnet werden muß,
kann doch jeder Znschauer, nach Wagner's Idee, auf
„einem beguemen Sitzplatze" die Bühne vollständig über-
blicken, und es giebt keinen jener, bei der gegenwärtigen
Einrichtung des Theaterbaues so zahlreichen Plätze, aus
welchen man die Bühne nur unter einem beschränkten
Gesichtswinkel, in unvollkommener oder unnatürlicher
Projektion zu übersehen vermag. Wie sehr diese glück-

liche Anordnung des Raumes dem Genusse des Kunst-
werkes zu Statten kommt, und insbesondere jene Seite
derselben, welche mit der bildenden Kunst zusammenhängt,
bedarf nicht erst gesagt zu werden. Richard Wagner,
welcher die Schwesterkünste der malerisch-dekorativen
Ausstattung mit Recht in ausgedehntem Maße heranzieht,
um seinen musikalisch-dramatischen Gebilden auch äußer-
lich jenen Hauch des Jdealen zu verleihen, welcher sie
innerlich durchweht, legt auf diesen Vorzug seiner Schau-
bühne ein großes Gewicht, und Niemand wird bestreiten,
daß das Wagner-Theater dem Theaterwesen eine höchst
werthvolle, folgenreiche Neuerung in Bezug aus den
Zuschauerraum gebracht hat.

Jn ästhetischer wie in mnsikalischer Hinsicht ungleich
bedeutsamer ist die zweite große Neuerung des „nnsicht-
baren Orchesters", welche ebenfalls einen unbestreitbaren
Ersolg davongetragen hat. Man kann unmöglich tref-
fender und drastischer die Mängel zeichnen, welche mit
der Sichtbarkeit des Orchesters in unseren Opernhäusern
sür den seinen ästhetischen Sinn verbunden sind, als dies
Richard Wagner selbst in dem Vorworte der ersten
Ausgabe seines Bühnenfestspiels von 1863 gethan hat,
und Iedermann muß ihm beistimmen, wenn er bemerkt,
daß die von der Orchestermusik untrennbaren „technischen
Evolutionen" dem „Augenzeugen" geradezu „wehsam"
erscheinen. Daß Richard Wagner's Orchester nur Ohren-
und keine Augenzeugen hat, dafür haben ihm in Bay-
reuth alle halbwegs fein organisirten Theilnehmer der
Festspiele aus vollem Herzen gedankt. Ja, der Eindruck,
den die aus dem „mystischen Abgrund" —- wie Wagner
den unsichtbaren Orchesterraum nennt — wie durch
einen Zauber hervorquellende Musik hervorbringt, war
 
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